Tierschützer klagen an:"Der absolute Horror"

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In einem Haus in Gammelsdorf entdeckt die Polizei 68 kranke und verwahrloste Perserkatzen. Die Besitzer haben die Tiere gezüchtet - für einige erhielten sie Preise, die anderen vegetierten zwischen Dreck und Kot vor sich hin

Von Gerhard Wilhelm

Die Worte, die fallen, sind stets identisch: "katastrophal", "furchtbar" "der Horror". Sie beschreiben den Zustand, in dem 68 Perserkatzen in einem Haus in Gammelsdorf leben mussten, ehe das Landratsamt Freising und Tierschützer eingriffen. Die Retter mussten durch knietiefen Kot und Dreck waten, um die völlig verwahrlosten und kranken Katzen einzusammeln. In den Schränken wurden sogar mumifizierte und skelettierte Tiere gefunden, wie berichtet wird. Zehn der Perserkatzen mussten noch vor Ort eingeschläfert werden, weil ihr Gesundheitszustand so schlecht war. Die Besitzer der Katzen hatten seit 2004 eine Zucht angemeldet und noch im Januar einen Preis für eine ihrer Katzen erhalten, wie Mitarbeiter der Tierheime München und Landshut sagen. Dorthin wurden die überlebenden Tiere gebracht.

Anna-Maria Moser, Geschäftsführerin des Tierheims Heinzelwinkl bei Landshut, war selbst im Haus. "Was wir antrafen, war katastrophal, ein extremer Fall", sagt sie. Selbst in Schutzanzügen und mit Atemmasken ausgestattet, habe man es nicht lange in dem Haus ausgehalten. "Das ganze Haus war vermüllt, überall war Kot, es stank fürchterlich. Man kann gar nicht nachvollziehen, wenn man normal tickt, wie es zu so einem Zustand kommt." Den Geruch habe man bis auf die Straße hinaus wahrgenommen. Eine Nachbarin habe ihr gesagt, dass sie froh sei, dass das Elend ein Ende habe. "Sie hat den fürchterlichen Zustand dort auch den Ämtern mitgeteilt", sagt Anna-Maria Moser.

Aufgeflogen sei alles, als die Polizei wegen einer ganz anderen Sache bei der Tierzüchterin vorbeischaute, wie Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin des Landratsamtes Freising, sagt. Dabei seien die Katzen entdeckt worden. Mitarbeiter des Veterinär- und des Gewerbeamtes hätten daraufhin die Katzen mitgenommen und - wegen der großen Anzahl - auf auswärtige Tierheime verteilt. 31 der Perserkatzen wurden ins Tierheim nach Riem gebracht, 26 weitere nach Heinzelwinkl. Die Tierzüchterin sei seit 2004 mit ihrer Tierzucht beim Landratsamt gemeldet. Der Betrieb sei von Veterinär- und Gewerbeamtmitarbeitern kontrolliert worden, sagt Eva Dörpinghaus. "Die Räume, die sie sahen, waren dabei immer in Ordnung." Die Katzen seien im Obergeschoss aufgefunden worden, zu denen die Kontrolleure keinen Zugang gehabt hätten. "Ihnen wurde gesagt, dass der obere Bereich wegen Baufälligkeit nicht genutzt werde", sagt Dörpinghaus. Nach dem Auffinden der Katzen sei aber sofort ein mündliches, unbefristetes Tierhalteverbot ausgesprochen worden, das die Frau auch schriftlich bekommen werde. Außerdem sei natürlich die Zuchterlaubnis entzogen worden und eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz gestellt worden. Mitarbeiter der beiden Tierheime, die vor Ort waren, berichten, dass das ganze Haus verwahrlost gewesen sei, nicht nur das Obergeschoss.

Judith Brettmeister ist Tage danach noch schockiert vom Zustand dort und vor allem von dem der Katzen, die dort hausen mussten. "Sie waren in einem furchtbaren Zustand. Total ausgemergelt von Floh- und Parasitenbefall. Dazu kam ein hochaggressiver Pilz, der die sowieso schon rückgezüchteten Nasen angegriffen hatte." Die 31 Katzen, die jetzt in Quarantäne untergebracht sind, seien geschoren und untersucht worden, kämen aber wohl alle durch. Sie vermutet "pure Geldgier" hinter der Sache. "Mit ein paar der schöneren Tiere, sind die Besitzer wohl von Katzenmesse zu Katzenmesse gefahren und haben dort Preise eingeheimst." Anna-Maria Moser berichtet von zahlreichen Pokalen, die sie im Haus angetroffen habe. "Für eine schöne Perserkatze werden Preise von 300 bis 1000 Euro bezahlt", sagt Brettmeister. Das Ganze sei dann irgendwann "aus dem Ruder" gelaufen, vermutet die Tierschützerin.

Auch Anna-Maria Moser berichtet Schreckliches über den Gesundheitszustand der Tiere - eine Katze habe man sogar später einschläfern müssen. Pilze, Milben, Flöhe, totale Unterernährung. Einer Katze sei sogar die Zunge abgestorben. "Es wird Wochen dauern, bis ihr Zustand wieder so weit ist, dass sie vielleicht ein neues Zuhause finden können", sagt Moser.

"Das ist der absolute Horror. Leider kommt es immer wieder vor", sagt Joseph Popp, Vorsitzender des Tierschutzvereins Freising. Dass die Katzen auf die Tierheime in München und Landshut aufgeteilt werden konnten, sei "Glück" gewesen. Deshalb sei man beiden Heimen dankbar. In Freising hätte man eine so große Anzahl niemals betreuen können. "Das zeigt wieder einmal, wie dringend wir ein eigenes Tierheim brauchen", sagt Popp. Bei den Freisinger Tierschützern könne man 45 Katzen privat übergangsweise unterbringen, aber oft seien dort schon alle Plätze vergeben. "Aber so kranke Tieren können wegen der Übertragbarkeit gar nicht privat aufgenommen werden", sagt Popp. Dass sich angesichts so eines Vorfalls etliche Gemeinden gegen ein Freisinger Tierheim wehren, versteht er überhaupt nicht.

© SZ vom 12.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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