Nominiert für den Tassilo-Kulturpreis der SZ:Kultur auf dem Dorf

Jazz, Rock, Weltmusik und Kabarett: Seit 2013 engagiert sich "Tutuguri" dafür, dass in der kleinen Gemeinde Attenkirchen all das geboten wird. Mittlerweile können sich die Organisatoren vor Auftrittsanfragen kaum retten

Von Clara Lipkowski, Attenkirchen

In Attenkirchen, mitten im grünen Hügelland der Hallertau, da wo sich einzelne Ortsteile wie kleine Inseln an die Durchfahrtsstraße B 301 gruppieren, erwartet man als Besucher nicht unbedingt ein Kulturzentrum. Aber am nördlichen Ortsrand hat der Verein "Tutuguri" eine kleine kulturelle Oase etabliert.

Ende 2012 musste die Kneipe "Willibräu" von Willi Abele mit ihren beliebten wöchentlichen Musikveranstaltungen schließen und der Ort stand plötzlich ohne Kulturstätte da. Also taten sich Sylvester Denk und Gudrun Hofmann-Denk Anfang 2013 mit sieben Freunden zusammen, unter ihnen auch Willi Abele selbst. Alle fanden: Kultur muss es auch in Zukunft in Attenkirchen geben. Das Ehepaar Denk räumte ihre damalige Computerwerkstatt aus, man errichtete eine Bühne, organisierte die nötige Technik. Mittlerweile ist das "Bachfeldhaus" Anziehungspunkt für Profimusiker und Nachwuchskünstler aus der Region und von außerhalb, sogar aus Spanien und den USA. Zuschauer kommen von nebenan, aus dem Landkreis und von noch weiter weg. Für das Engagement ist der Verein, der sich nach einem tanzenden Priester aus einem Gedicht Antonin Artaud benannt hat, zum zweiten Mal für den SZ-Tassilo-Preis nominiert worden.

Der Saal im Bachfeldhaus ist tagsüber ein heller Raum mit Bistro-Holzstühlen, die um kleine runde Holztische stehen, für etwa 75 Gäste. Die Bühne ist nur wenige Zentimeter hoch, links davon steht ein Klavier, an den Wänden hängen Bilder lokaler Künstler. An einem länglichen Tisch blättern Robert und Lia Köhnlein und das Ehepaar Denk in einem Album mit Fotos der Veranstaltungen. Sie sind vier der neun Aktiven, die den Laden am Laufen halten. Ein- bis zweimal im Monat organisieren sie Konzerte. Mit dem Format "Offene Bühne", bietet Tutuguri zudem monatlich - und das ohne Eintrittskosten - experimentierfreudigen Musikern, Tänzern oder Kabarettisten einen geschützten Ort, Ideen vor Publikum zu testen. Diese Abende können mitunter kurios werden, oft überraschend. "Einmal waren zwei Sängerinnen hier, als sie losgelegt haben, waren wir alle hin und weg, solche Stimmen!", sagt Gudrun Hofmann-Denk. Als das mit Tutuguri im März 2013 anfing, musste erst einmal der Gemeinderat darüber beraten. "Dann haben sie sich einstimmig für uns entschieden", sagt sie, das macht sie auch nach vier Jahren noch stolz. Zunächst waren sie dann mit den Formalitäten beschäftigt, ein Vereinsvorstand musste gewählt werden, ein Kassier. Und man wollte eine möglichst bunte Mischung von Bands anlocken, von Volksmusik, Jazz, Rock, Weltmusik bis zu Kabarett. Heute geht das von selbst. Der Verein kann sich kaum retten, vor Bands, die sich bewerben. "Im Schnitt 60 im Monat", meint Sylvester Denk. Und worauf achtet er, der selbst Mandoline und Geige spielt, beim Buchen? "Ein Drittel kommt aus der Region, ein Drittel sind Bands, die schon top unterwegs sind und ein Drittel ist versuchsmäßig, da wissen wir selbst nicht, was dabei am Ende auf der Bühne rauskommt."

Nominiert für den Tassilo-Kulturpreis der SZ: Kulturell bunt soll es sein: Sylvester Denk, Lia und Robert Köhnlein und Gudrun Hofmann-Denk (von links) von Tutuguri holen Bands nach Attenkirchen.

Kulturell bunt soll es sein: Sylvester Denk, Lia und Robert Köhnlein und Gudrun Hofmann-Denk (von links) von Tutuguri holen Bands nach Attenkirchen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Dass das Projekt auf dem Dorf funktioniert ist nicht selbstverständlich, das Kulturelle zentriert sich eher in Freising oder München. Inzwischen fährt aber auch noch spätabends ein Bus in die Kreishauptstadt, das ist nicht ganz unwichtig, das sagten viele Gäste, meint Sylvester Denk. Aber vor allem würden Gäste und Künstler merken, dass ein eingespieltes Team am Werk ist. Das Programm planen, Karten verkaufen, dekorieren, kochen (es gibt Suppen und Snacks), am Abend die Technik bedienen und die Gäste bewirten, das machen sie selbst. Und da ihnen die Dorfgemeinschaft wichtig ist, war klar, dass sie auch mal die Flüchtlinge im Ort einladen. Es kamen Nigerianer und Afghanen, es wurde getrommelt, gesungen und für die Kinder gab es Kasperltheater.

Besucht man ein Konzert ist der Eintritt mitunter nicht ganz billig. "Aber verglichen mit München ist das noch wenig", meint Sylvester Denk, "von der Qualität könne man viel mehr verlangen. Ein Konzert von Rudi Zapf kostet bei uns 16 und in München sicher 25 bis 30 Euro." Aber in Attenkirchen aufzutreten sei für viele gerade reizvoll, weil es familiär und intim ist. "Das sagen uns auch die Künstler, hört bloß nicht auf, macht das unbedingt weiter." Der Verein beteiligt die Künstler zu 70 Prozent am Eintritt, von den übrigen 30 Prozent zahlt er Gema-Gebühren und die Künstlersozialversicherung.

Preisträger gesucht

Den Kulturbetrieb in München und im Umland zu fördern und Kulturschaffende zu motivieren - das sind die Ziele des Tassilo-Kulturpreises. Vergeben werden drei Hauptpreise (je 2000 Euro), sieben weitere Preise (je 500 Euro) und ein Ehrenpreis für das Lebenswerk eines Künstlers oder Kulturarbeiters (500 Euro).

Leserinnen und Leser der SZ haben bis Ende Februar die Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen. Vorschläge können per E-Mail unter tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ-Lokalredaktion geschickt werden: Freisinger SZ, Johannisstraße 2. 85354 Freising. Einsendeschluss ist der 28. Februar. sz

Meist ist es voll und wenn die Musik "fetzt", gibt es "richtig Halligalli", meint Robert Köhnlein. Obwohl es so gut läuft, schütteln bei dem Wort Expansion alle am Tisch den Kopf. "Nein", sagt Sylvester Denk, "die Größenordnung ist super, die Leute sind ganz nah am Künstler. Das ist der besondere Flair und den wollen wir genauso behalten."

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