"Tag gegen Lärm" :Verdammt laut in Freising

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An den rot eingefärbten Straßen finden es die Freisinger einer Facebook-Umfrage zufolge besonders laut. SZ Grafik (Foto: N/A)

Verkehrslärm ist in der Domstadt ein großer Störfaktor, das zeigt eine Umfrage der Freisinger SZ auf Facebook. Was viele kritisieren: Die Probleme sind längst bekannt, Radarkontrollen aber gibt es kaum. Rücksichtslose Raser sorgen für Frust.

Von Kerstin Vogel, Freising

"Lärm - voll nervig!": Das ist das Motto für den "Tag gegen Lärm" 2015, der an diesem Mittwoch im Kalender steht. Fragt man die Freisinger, welche Art von Geräuschbelästigung ihnen besonders auf die Nerven geht, rangiert der Verkehrslärm ganz oben auf der Liste. Bei einer kleinen, wenn auch nicht repräsentativen Umfrage auf der Facebook-Seite der Freisinger SZ wurde jedenfalls keine andere Lärmquelle so häufig beklagt. Gefordert wurden eine bessere Verkehrsüberwachung und vor allem Geschwindigkeitskontrollen.

Wie bei einer ähnlichen Social-Media-Aktion vor einem Jahr wurden auch jetzt wieder die Erdinger Straße und die Kammergasse als offensichtliche Brennpunkte genannt. Dazu kommen, ebenfalls wenig überraschend, die Vöttinger und die Thalhauser Straße. Dort sei es "leider sehr laut durch Lastwagen und Verkehr nach Allershausen", für den es "noch keine Alternative" gebe, schreibt ein User. Außerdem auf der Liste der lauten Wohnlagen: Falken-, Isar- und Sonnenstraße.

Kritisiert wird aber auch die Lärmbelastung im Stadtzentrum durch Baustellen - und Autofahrer, die "mit tiefergelegten Schlaglochsuchgeräten ihr Ego und ihre Sehnsucht nach Aufmerksamkeit befriedigen, indem sie mit Tempo 70 im ersten Gang permanent die Innenstadt rauf und runter donnern".

Ziemlich deutliche Worte findet ein User namens Tobi Wahn: "Freising ist ein Ort des Lärms, der Raserei und der Rücksichtslosigkeit", schreibt er: "Leider, eigentlich wäre Freising ein liebes nettes kleines Städtchen, in dem es sich gut leben ließe." Er sei Anwohner der Kammergasse, lässt "Tobi Wahn" weiter wissen.

Ihn störe, dass nachts von 22 Uhr an fast niemanden mehr interessiere, dass aus Lärmschutzgründen hier Tempo 30 gelte. Neben den Laufgeräuschen der Reifen seien Lastwagen das Problem, die nachts ebenso wie Taxis und "selbst die Polizei" zu schnell durch die Kammergasse führen.

Zudem würden immer die selben zwei oder drei Motorradfahrer die Kammergasse als Rennstrecke benutzen, "also mit etwa 100 Stundenkilometern und mehr an unserer Wohnung vorbeirasen". Eine zusätzliche Lärmquelle stelle der Graben dar, auf dessen Kopfsteinpflaster sich ebenfalls niemand an die Anordnung halte, Schrittgeschwindigkeit zu fahren.

Klar würde man gerne umziehen, hält er einer entsprechenden Empfehlung entgegen, "aber die Räumlichkeiten, die wir aktuell haben, Geschäft im Wohnhaus, gibt es leider nicht allzu oft in der Stadtmitte. Und schon gar nicht bezahlbar", schreibt "Tobi Wahn". Sein Wunsch wären nun Radarkontrollen - die aber würden "einfach nicht gemacht", egal, wie oft man die Stadt anschreibe.

Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher weiß um die Probleme an der Kammergasse, eine schnelle Lösung hat aber auch er nicht parat. Geschwindigkeitsmessungen seien gerade an der Kammergasse schwierig, weil diese zweispurig sei und das die Ergebnisse verfälsche. Und ohne Westtangente und Nordumfahrung bekomme man auch den Lastwagen-Verkehr nicht aus der Stadt. Eschenbacher: "Deshalb haben wir den Bau dieser Straßen ja beschlossen. Wir wissen natürlich, dass Freising ein Verkehrsproblem hat."

Viel diskutiert wurde auch in der Vergangenheit schon die Lärmbelastung der Anwohner an der Erdinger Straße in Lerchenfeld - und auch hier gibt es von den Betroffenen auf der SZ-Facebook-Seite klare Worte: "An der Erdingerstraße ist es irr. Man hört Autobahn, Flughafen und die Straße selbst", schreibt die Userin Inga Krämer: "Schlafen mit offenem Fenster ist hier nur was für Murmeltiere."

Auch hier ist ein Umzug - wie in der Diskussion als Lösung empfohlen - nicht so wirklich eine Option: Userin Christine Mordstein jedenfalls hat ihr Elternhaus an der Erdinger Straße stehen, ein Eigenheim, das man nicht so ohne weiteres verlässt: "Als ich Kind war, konnte ich Federball auf der Straße spielen, habe auf dem Fußweg Rad fahren gelernt. Heute unvorstellbar! Unser Sohn ist seinem Vater entgegengelaufen und wurde von einem Radfahrer umgefahren."

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(Foto: Marco Einfeldt)

Die Kammergasse wird oft als Rennstrecke missbraucht.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Die Baustellen in der Innenstadt belasten die Anwohner ebenfalls.

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(Foto: Marco Einfeldt)

An der Erdinger Straße schlafen nur Murmeltiere bei offenem Fenster.

Für Ernst Berg, ehemaliger Stadtrat der Freien Wähler, könnte bekanntlich ein "Südostring" helfen, die Verkehrsprobleme in Lerchenfeld zu bewältigen. Er frage sich, wieso es dafür dann nicht mehr Unterstützer gebe. Inga Krämer hat eine Erklärung parat: Dieses Projekt werde "leider bei weitem nicht so publik gemacht. Man hört immer nur Westtangente und andere Irrtümer."

Auf ein anderes Thema spielt der User Sebastian Hase an, wenn er in einem Beitrag schnörkellos feststellt: "In Freising ist es laut!" Verantwortlich macht er dafür die Baustellen in der Innenstadt, etwa an der Oberen Hauptstraße, wo anstelle des Bavaria-Kinos gerade ein Bekleidungshaus gebaut wird, an der Ziegelgasse oder dort, wo früher das Camera-Kino zu finden war.

Dadurch habe man dauerhaften Baulärm, hinzu komme die nächtliche Belieferung der Geschäfte, wo zum Teil die Lastwagen die ganze Zeit liefen - und außerdem würden Untere und Obere Hauptstraße als "Rennstrecke" für schnelles Beschleunigen und ähnliches genutzt.

"Jeder meint, er müsse mal kurz mit dem Auto in die Stadt, wo er dann doch keinen Parkplatz findet", kritisiert der User Oliver Filipp. Deshalb sei auch die Amtsgerichtsgasse "verdammt laut. Die fahren hier mit 70 oder schneller den Berg runter und legen kurz vor dem Zebrastreifen eine Vollbremsung ein", hat er beobachtet. Hinzu kämen dann noch "übermäßig viele aufgepimpte Prolo-M3s oder dergleichen, die mit voll aufgedrehter Musik ihre Schleifen ziehen. Alle zehn Minuten das gleiche Spiel."

Dass das niemanden interessiere, wie ein weiterer User vermutet, stimmt zumindest laut Oberbürgermeister Eschenbacher nicht. Er baut auf die neue Innenstadtkonzeption, mit der das Stadtzentrum dann ja endgültig für den Autoverkehr gesperrt werden soll. Natürlich müsse man auch das dann kontrollieren, räumt er ein: "Das ist aber viel einfacher, wenn man wirklich eine Fußgängerzone in der Stadt hat."

Dass es zum Glück trotz aller Probleme selbst in Freisings Altstadt schon jetzt Orte gibt, an denen man ohne Verkehrslärm leben kann, bestätigt der User Sebastian Baier: "Ich habe das Glück am Wörth zu wohnen, und da hör ich nichts außer einen Springbrunnen und das Elektrorad der Briefträger."

Vielleicht eine Vision für die Zukunft.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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