SZ-Serie zur Wahl, Frage 7:Garant für Frieden und Wohlstand

Für viele Bundestagskandidaten überwiegen die Vorteile der Europäischen Union. Weil in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, fordern sie dringend Reformen ein. Johannes Huber plädiert jedoch für eine Abstimmung nach britischem Vorbild darüber, ob Deutschland in der Euro-Zone und in der EU bleiben soll

Die Freisinger SZ möchte ihren Leserinnen und Lesern vor der Bundestagswahl am 24. September einen umfassenden Überblick über die in ihrem Wahlkreis zur Disposition stehenden Kandidaten und deren politische Ziele geben. Den insgesamt zehn Bewerbern wurden deshalb vorab sieben Fragen zugeschickt, die diese auf maximal zwanzig Zeilen beantworten sollten. Heute: Was bedeutet die Europäische Union für Sie und wo sehen Sie deren Nutzen beispielsweise für die Menschen in Freising?

Deuter: Wir "Piraten" bedauern, dass die europäische Idee einer verbindenden Wertegemeinschaft in Vergessenheit geraten und die Europäische Union nur noch ein von Wirtschaftsinteressen geleiteter Zusammenschluss ist. Die eklatanten Konstruktionsfehler der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion tragen im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrisen in einigen Mitgliedsstaaten maßgeblich zur Ausweitung der Ungleichgewichte unter den Eurostaaten bei. Die einseitige Rettungspolitik aus Spardiktaten, Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen stellt einen doppelten Schlag ins Gesicht der Bürger dar. Trotz dieser Schwächen nützt die EU den lokalen Firmen, da sie den Export erleichtert und somit Arbeitsplätze sichert.

Hoyer: Die Zeit der Nationalstaaten ist vorbei, eine europäische Zusammenarbeit selbstverständlich. Jedoch gibt es auch Grenzen: Ist die europaweite Ausschreibung einer Vergabe von Nutzen für die Menschen in Freising? Oder von Nutzen für die "Global Player" und zu Lasten der mittelständischen Betriebe? Die EU ist in ihrer jetzigen Form ein Europa der Banken und Konzerne, wie die "Bankenkrise", die von Kommission und Zentralbank verordnete Verarmung Griechenlands und die völlig an den Menschen vorbei geführten TTIP- und CETA-Geheimverhandlungen gezeigt haben. Die EU-Verträge müssen daher von Grund auf neu verhandelt und in Volksabstimmungen bestätigt werden, um ein ökologisches, soziales und demokratisches Europa zu begründen.

Huber: Ich stehe für die Freiheit und Selbstbestimmung der europäischen Nationen. Völkerrechtliche Verbindungen und gemeinsame wirtschaftliche Interessen waren über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft erfolgreich. Die politische Union der Verträge von Maastricht (1992) und Lissabon (2008) muss zunehmend als gescheitert betrachtet werden. Durch die EU werden die demokratischen Nationalstaaten eingeschränkt. Die Europäische Union muss daher gemäß dem Austrittsrecht im Vertrag über die EU in einen Bund souveräner Staaten zurückgeführt werden. Weil die deutschen Bürger die Zahlmeister Europas sind und für die jährlich wachsenden Schulden anderer EU-Länder haften, sollen die deutschen Bürger nach britischem Vorbild über den Verbleib Deutschlands in der Eurozone und der EU abstimmen!

Irlstorfer: Europa braucht Reformen und muss sich um die großen Linien kümmern - Europa ist nicht das Problem sondern die Lösung. Europa ist DAS Friedensprojekt und somit neben Schafhof und Leader DER größte Vorteil für Freising.

Mehltretter: Die EU ist eines der großartigsten Projekte der Menschheit - sie hat es geschafft, die europäischen Staaten zusammenzuführen, so dass Konflikte heute ausschließlich friedlich, in Diskussionen und am Verhandlungstisch, ausgetragen werden. Außerdem hat die Zusammenarbeit auch enorme wirtschaftliche Vorteile mit sich gebracht, gerade auch für die Menschen in unserer Region, in der zum Beispiel die Industriebetriebe rund die Hälfte ihrer Waren ins Ausland exportieren, und einen großen Teil davon in die EU. Damit die EU auch weiter Frieden und Wohlstand sichert, brauchen wir aber auch Reformen, zum Beispiel für eine gemeinsame Außenpolitik, ein Euro-Parlament und einen Finanzminister für die Eurozone und eine europäische Sozialunion.

Neudert: Für mich ist die EU ein sehr erfolgreiches Friedensprojekt, was leider oft vergessen wird. Wir haben seit nunmehr 72 Jahren Frieden im Herzen Europas. In den vorhergehenden 75 Jahren hatten wir drei Kriege mit enormen Zerstörungen und unzähligen Opfern. Die EU hat auch große wirtschaftliche Bedeutung: Der Exportanteil in EU-Länder betrug 2016 mehr als 58 Prozent unserer Gesamtexporte. Viele Arbeitsplätze (auch in Freising) sind von der erfolgreichen Entwicklung des EU-Binnenmarkts abhängig. In der EU kooperieren wir in Bereichen, in denen die einzelnen Staaten zu schwach sind, wie zum Beispiel Asyl, Umwelt, Sicherheit, Verteidigung, Entwicklungshilfe und Handel. Dies ist umso wichtiger, da sich die Rahmenbedingungen in der Welt verschlechtern.

Prado Diaz: Für mich bedeutet die Europäische Union in erster Linie Frieden und Wohlstand durch wirtschaftliche Kooperation der Mitgliedsstaaten. Eine weitere Vertiefung der Union darf die Eigenstaatlichkeit der Länder nicht beeinträchtigen. Mit ihren Partnerparteien in der Europäischen Freien Allianz (EFA) bekennt sich die Bayernpartei zu einem Europa der Regionen.

Reck: Ich bin sehr dankbar, dass ich mein bisheriges Leben in Frieden und Freiheit verbringen durfte. Dazu hat die europäische Einigung wesentlich beigetragen. Sie prägt auch unseren Alltag oft ganz selbstverständlich und unbemerkt: Reisen ohne Geldumtausch, ArbeitskollegInnen aus anderen Ländern, Auslandssemester für Studierende, Förderung von Maßnahmen mit EU-Geldern (etwa der Freisinger Isarsteg) und anderes mehr. Allerdings wurden mit dem Ausbau der europäischen Integration auch immer mehr Kompetenzen an die EU abgegeben, ohne dass deren Institutionen entsprechend demokratisch gestaltet worden wären. Das muss dringend nachgeholt werden, wenn wir nicht riskieren wollen, dass Menschen sich vom Projekt der europäischen Einigung abwenden.

Schnapp: Die Europäische Union bedeutet für mich: Zusammenarbeit statt Nationalismus und nie wieder Krieg. Das ist ihr Nutzen für alle Menschen in Europa, nicht nur in Freising. Natürlich hat die EU Fehler gemacht - zu viel mit einer neoliberalen Politik gekuschelt, zu wenig getan gegen soziale Ungleichheit und die wachsende Spaltung der Gesellschaft. Die EU ist dennoch, trotz all ihrer Fehler, die größte Errungenschaft in der Geschichte des Kontinents, dieses Europa gilt es weiter zu entwickeln - demokratischer, sozialer, bürgernäher. Dazu braucht Europa überzeugende Rezepte wie die soziale Ungleichheit überwunden werden kann. Die Prozesse in Brüssel müssen transparenter werden und es braucht eine demokratische Vertretung, die der Union als Ganzes verpflichtet ist und nicht den jeweiligen Nationalstaaten.

Weller: Wir bekennen uns ausdrücklich zum Friedenswerk Europa, das uns Freiheit, Wohlstand und Raum zur Selbstverwirklichung bietet. Es gibt viele politische Aufgaben, die wir national nicht mehr lösen können. Aber wir müssen auf eine ausgewogene Verteilung der Aufgaben zwischen Kommunen, Regionen, Ländern und Europa achten. Nur so können wir die Akzeptanz erhöhen. Die EU stellt viele politische Weichen, ohne dass die Bürger eingebunden werden und nachvollziehen können, weshalb Entscheidungen zustande kommen. Wir wollen da andere Schwerpunkte setzen. Mehr Transparenz, weniger Lobbyismus, klarere Kompetenzregelungen, aber auch eine Selbstbeschränkung auf die wesentlichen Aufgaben. Die Bürger müssen bei wichtigen Fragen wie CETA und TTIP mitentscheiden können.

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