Sagen und Mythen:Der Nebelmacher

Sagen und Mythen: St. Lantpert soll den Freisinger Dom im Nebel versteckt und so vor den plündernden Magyaren gerettet haben.

St. Lantpert soll den Freisinger Dom im Nebel versteckt und so vor den plündernden Magyaren gerettet haben.

(Foto: Marco Einfeldt)

Magyarische Reiterhorden verwüsten im 10. Jahrhundert das südliche Bayern. Unter Bischof Lantpert bleibt der Freisinger Dom wie durch ein Wunder verschont.

Von Johann Kirchberger, Freising

Geschichtsschreiber haben es im Mittelalter mit der Wahrheit nicht immer so genau genommen. Ein Umstand, dem die Entstehung so mancher schönen Legende zu verdanken ist. Eine davon wurde rund um Lantbert gestrickt, der von 937 bis 957 Bischof in Freising war und dem neben Korbinian als einzigem unter den Oberhirten auf dem Domberg der Kult eines Heiligen zuteil wurde.

Lantbert nämlich soll der Legende nach dereinst allein durch seine Gebete bewirkt haben, dass die barbarischen Ungarn den in dichtem Nebel gehüllten Dom nicht sehen konnten, wodurch Freising vor der Zerstörung bewahrt wurde. Fürwahr eine schöne Geschichte, die aber irgendwie recht neblig und verschwommen ist. Widersprüchlich nämlich sind sowohl das Jahr des angeblichen Ungarneinfalls in Freising, als auch der Ablauf der wundersamen Rettung.

Sagen und Mythen: Sankt Lantbert ist der Namenspatron der Lerchenfelder Kirche. Der Legende nach wirkte er ein Wunder, das den Mariendom vor der Zerstörung rettete.

Sankt Lantbert ist der Namenspatron der Lerchenfelder Kirche. Der Legende nach wirkte er ein Wunder, das den Mariendom vor der Zerstörung rettete.

(Foto: Marco Einfeldt)

"Legenden sind die Vermengung subjektiver Elemente mit historischer Wirklichkeit" schreibt Joseph A. Fischer, von 1952 bis 1967 Professor für Kirchengeschichte in Freising in einem kleinen Büchlein über den heiligen Lantbert. Tatsache ist, dass die Ungarn von 899 bis 955, als sie durch Otto den Großen auf dem Lechfeld südlich von Augsburg entscheidend geschlagen wurden, immer wieder in Bayern einfielen, Männer ermordeten, Frauen und Kinder verschleppten. Jahrzehnte lang zogen die magyarischen Reiterhorden plündernd durch das Land, zerstörten Gotteshäuser, Klöster, Dörfer und Gehöfte. Im Freisinger Dom wurde seinerzeit einer alten Litanei die Bitte angefügt: "Ab incursione alienigenarum libera nos, Domine" - Vom Einfall der Fremdländischen erlöse uns, o Herr!"

Lantbert gehörte zum Ebersberger Landadel

In diese Zeit fällt das Wirken von Bischof Lantbert, der etwa um 895 bei Ebersberg geboren wurde. Vermutlich stammte er aus einem großbäuerlichen Geschlecht des altbayerischen Landadels. Fast während seiner gesamten Amtszeit sorgten die Ungarn für Angst und Schrecken. Unmittelbar bedroht wurde das Bistum Freising vermutlich nicht. Ob Lantbert die Barbarenhorden durch Tributleistungen abwehrte, wie es einige seiner Amtskollegen taten, ist nicht nachweisbar. Gleiches gilt für die Behauptung, Lantbert habe selbst an der Lechfeldschlacht teilgenommen.

Sicher ist jedoch, dass er dafür "Dienstmannen" abzustellen hatte. Wörtlich schreibt Fischer in seinem Büchlein dazu: "Nicht in der einen besonderen Notstunde, die die spätere Legende seinen Tagen zuwies, bewährte sich Bischof Lantbert als Retter des Dombergs, wohl aber war es seine Leistung, dass er in dieser mannigfach schweren Zeit auf dem Stuhl des heiligen Korbinian gläubig und betend, geduldig und zielbewusst ausharrte".

Von außergewöhnlichen Tugenden und Taten Bischof Lantberts ist nichts bekannt. Er erfüllte zwei Jahrzehnte lang die Aufgaben, die ihm sein Priestertum und seine Bischofswürde, seine Stellung in Diözese und Hochstift, in Land und Reich auferlegt hatten. Schon zu Lebzeiten wurde er verehrt als ein Bischof, wie Fischer schreibt, "der mehr tat als seine Pflicht und vielleicht mit außerordentlichen Charismen begnadet war, als ein überdurchschnittlich frommer und seeleneifriger, in schweren Prüfungen bewährter und hilfsbereiter Oberhirte, dessen Menschlichkeit keine Standesgrenzen kannte".

Die Verehrung des Bischofs überdauerte seinen Tod und wurde durch angebliche Gebetserhörungen an seinem Grab gefördert. Langsam entwickelte sich so mit Genehmigung der nachfolgenden Bischöfe ein Lantbertus-Kult. Beigesetzt wurde Lantbert im Dom, im 15. Jahrhundert bekam er in einem Seitenschiff eine Kapelle, 1709 wurde in der Krypta ein Altar für den Heiligen mit seinen Reliquien eingerichtet.

Lantbert soll als Säugling Muttermilch gefastet haben

Die Legenden, die sich um Lantbert ranken, stammen meist aus dem 15. Jahrhundert. Unter anderem wurde die Geschichte vom fastenden Säugling Lantbert erzählt, der sich an bestimmten Tagen der Muttermilch enthalten habe, wodurch drei Blinde sehend geworden sein sollen. Eine Geschichte, die auch dem heiligen Nikolaus von Myra angedichtet wurde. Wesentlich bekannter ist die Legende vom Ungarnwunder, die erstmals der 1495 gestorbene Historiker Veit Arnpeck aufgeschrieben hat. Sechs Tage lang, heißt es da, hätten die Barbaren den Domberg nicht gesehen, weil Gott sie durch die Fürbitte Mariens und die Gebete des Lantbert mit Blindheit geschlagen habe.

Das Blendungswunder wurde später zu einem Nebelwunder modifiziert. Nach einer anderen Version sei der Domberg für die Ungarn nicht völlig unsichtbar geblieben. Vielmehr hätten sie bereits Brandfackeln an die Kathedrale angelegt, als "durch die Heiligkeit Bischof Lantberts" dichter Nebel eingefallen und das Feuer erstickt habe. Selbst Brandfackeln hätten es nicht mehr entzünden können.

Wie dem auch gewesen sei, in der deutschen Bischofschronik aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts ist zu lesen, dass zu Zeiten des heiligen Lantbert "auch das bistumb Freising übel mit feur verderbt worden" sei. Anders als Weihenstephan und die Veitskirche (auf dem Lindenkellerberg) sei dem Dom kein Schaden zugefügt worden, weil "der ganz berg mit so ainem dicken nebel bedeckt gewest, dass man darvon gar nichts hat mögen sechen".

Allerdings fällt der Aufenthalt der Magyaren in Freising wohl nicht in die Amtszeit Lantberts, sondern in die des früheren Bischofs Dracholfs. Tatsächlich wurde in der ältesten Form der Ungarnlegende der heilige Lantbert nicht erwähnt. Aber die Legendendichter aus dem 12. und 13. Jahrhundert haben die Erzählungen und Aufzeichnungen wohl so lange miteinander vermengt, bis daraus das Wunder des Lantbert wurde, der den Domberg gerettet hat.

Die Verehrung Lantberts war zunächst gar nicht an die späteren Legenden geknüpft. Was er den Menschen in und um Freising bedeutete, bezeugt nach Ansicht von Professor Fischer die Heiligsprechung, die Volk und Bischof ihm schon bald zuteil werden ließen. Er ist eben, wie in einer Chronik zu Beginn der Neuzeit zu lesen ist, "gewesen guter sitten, guter ler und gantzer gütigkeit und ist durch sein gott gefellige gutte werck uffgestigen gen Hymel".

Patron der Lerchenfelder Kirche

Zwei Kirchen im Erzbistum München und Freising sind dem heiligen Lantbert geweiht, beide schreiben ihren Kirchenpatron aber mit einem "p". Das ist einmal die Kirche St. Lantpert in Milbertshofen an der Ecke Eduard-Schenk-/Torquato-Tasso-Straße und die St. Lantpert in Freising-Lerchenfeld.

Die Zahl der Gläubigen in Lerchenfeld war noch recht überschaubar, als Kardinal Faulhaber 1937 das neue Gotteshaus weihte. Johann Franz war zunächst Pfarrkurat und von 1946 an Stadtpfarrer, 1970 wurde er von Franz Xaver Huber abgelöst. Als er die Kirche für den rasch wachsenden Stadtteil für zu klein hielt, wurde das Gebäude mit seinem kleinen Zwiebelturm trotz vieler Proteste 1983 abgerissen und neu gebaut. Der frei stehende Turm der neuen Kirche St. Lantpert ist 42 Meter hoch. Seit 2005 ist Axel Windecker Pfarrer in Lerchenfeld. Zur Pfarrei gehören die Ortschaften Attaching und Eittingermoos. St. Lantpert ist die größte Freisinger Pfarrei mit etwa 6000 Gläubigen.

Auch die Grundschule an der Kepserstraße trägt den Namen des heiligen Lantbert, im Gegensatz zur Pfarrei schreibt die Schule ihren Namenspatron aber mit einem "b".

Zur Verherrlichung Lantberts tragen künstlerische Darstellungen bei. Der Heilige wird dabei als Bischof ohne oder mit zusätzlichen Attributen dargestellt. Als Beigaben finden sich ein Lamm, das ihn als Seelenhirten kennzeichnen oder rein etymologisch einen Anklang an seinen Namen bedeuten soll, oder der feuerumdrohte und nebenumwallte Freisinger Dom. Zu den bedeutendsten künstlerischen Darstellungen gehören die Halbfigur ohne Beigabe in der Bischofsreihe des spätgotischen Domchorgestühls von 1488, die ein Freisinger Meister Bernhard schuf, sowie die Vollplastik auf dem Hochaltar der Wallfahrtskirche Neufahrn, die Lantbert mit dem Lamm darstellt und vermutlich von Tobias Schmid aus dem Jahre 1660 stammt. Einem Kupferstich von der R. Sadeler in der Bavaria Sancta liegt die Ungarnlegende zugrunde. Auch auf der Freisinger Korbinianbrücke steht seit 1998 eine Figur des heiligen Lantbert, die der Freisinger Bildhauer Wilhelm Breitsamter geschaffen hat. ki

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