SZ-Serie: Menschen am Fluss:Der Retter der Seeschwalbe

SZ-Serie: Menschen am Fluss: Sein Lebenstraum: Heribert Zintl geht noch immer am liebsten frühmorgens an die Isar.

Sein Lebenstraum: Heribert Zintl geht noch immer am liebsten frühmorgens an die Isar.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Ornithologe Heribert Zintl widmet sich seit mehr als 40 Jahren dem Erhalt von seltenen Vögeln an der Isar. Jetzt muss er sich zurückziehen

Von Ingrid Hügenell, Lenggries

Es wird nicht viele Leute geben, die den Fluss zwischen Sylvensteinspeicher und Icking so gut kennen wie Heribert Zintl. Und ziemlich sicher gibt es niemanden, der die Vögel an der Isar besser kennt als er. Als Münchner Bub unternahm er früh mit den Eltern Wanderungen bei Großhesselohe. 1942, Heribert Zintl war neun Jahre alt, baute der Vater ein kleines Wochenendhaus in Ascholding (heute Gemeinde Dietramszell). Und da, erinnert sich Zintl, "war es noch viel schöner". Der 82-Jährige gerät ins Schwärmen, wenn er an die Fahrten mit der Isartalbahn nach Wolfratshausen denkt, daran, wie sich der Blick weitete auf das große Kiesbett der Isar, an den Fußmarsch nach Ascholding und an den großen Huchen, einen Lachsfisch, den er einmal an der Pupplinger Brücke im Wasser sah. "Das war ein Erlebnis!"

In Ascholding beobachtete Zintl auch zum ersten Mal Vögel, sonntags, vor dem Besuch des Gottesdienstes. Morgens um fünf zog es ihn an den Fluss: "Ich bin ein Frühaufsteher." Mitte der Fünfzigerjahre entdeckte er eine kleine Kolonie der Fluss-Seeschwalbe und berichtete der Ornithologischen Gesellschaft München davon.

"Die waren begeistert", erzählt er, denn die Fluss-Seeschwalbe war schon damals ein sehr seltener Brutvogel in Bayern. Dem etwas mehr als amselgroßen, grau-weißen Vogel mit der auffälligen schwarzen Kappe und dem roten Schnabel widmete Zintl später sein Leben als Vogelschützer. Erst musste der junge Lehrer für Biologie, Chemie und Erdkunde 1961 jedoch nach Mindelheim, 1965 kam er ans Gymnasium in Lenggries und zurück an seinen Fluss, die Isar. Bei Ascholding brüteten nun keine Seeschwalben mehr, aber 1970 entdeckte Zintl sieben Brutpaare in der Pupplinger Au.

Zusammen mit weiteren Vogelfreunden bewachte er die kleine Kolonie am Wochenende und an Feiertagen, Schilder wiesen auf die schutzbedürftigen Vögel hin. Mitte der Siebzigerjahre gründete Zintl die Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), deren Vorsitzender er lange war. Schon 1967 hatte Zintl erstmals eine Methode aus der Schweiz an der Isar ausprobiert: den Fluss-Seeschwalben ein Nistfloß anzubieten. Es wurde im Tölzer Stausee verankert, aber die Vögel nahmen es nicht an. Viel besser klappte es im Ickinger Eisweiher, wo dann aber vermutlich Eulenvögel die Jungen dezimierten. Die natürliche Kolonie erlosch 1981, die Fluss-Seeschwalbe stand in Bayern kurz vor dem Verschwinden. Nistflöße im Starnberger und im Ammersee brachten die Rettung. 1991 wurde ein großes künstliches Floß in der Bucht von Sankt Heinrich installiert, dessen Grundlage ein echtes Isar-Vergnügungsfloß war. Inzwischen gibt es mehr als 300 Brutpaare in Südbayern, freut sich Zintl.

Ein zweiter Vogel verdankt es ebenfalls vor allem Zintl und dem Landesbund für Vogelschutz, dass sein Bestand wieder zugenommen hat - der Gänsesäger, ein großer, hübscher Entenvogel. Auch von ihm habe es an der Isar nur noch kümmerliche Reste gegeben, erinnert sich Zintl. Bis er ihn 1970 quasi unter seine Fittiche nahm. Die erste Aktion: Nistkästen aufhängen. Der Bestand erholte sich von weniger als 50 auf gut 300 Brutpaare, was Zintl den Unmut von Fischern eintrug, die den Gänsesäger gar nicht mögen, weil er Fisch frisst.

Doch auch wenn man den Vögeln mit Nistflößen und Brutkästen helfen kann - das Wesentliche ist doch, dass das ökologische Gleichgewicht einigermaßen stimmt. Nicht verwunderlich also, dass Zintl 1974 zu den Gründern der Notgemeinschaft "Rettet die Isar jetzt" gehörte und natürlich Mitglied im Bund Naturschutz ist. Der wichtigste Faktor, neben genug Wasser im Flussbett ist der Kies. Seit der Sylvensteinspeicher 1959 fertig gestellt wurde, kommt kein natürliches Geschiebe mehr in den Fluss. Wenn die Isar aber bei Hochwasser keinen Kies mehr umlagern und neue Inseln und Bänke schaffen könnte, würde sie ihr Bett immer tiefer graben, es gäbe bald nur noch einen einzigen Flussarm, und die Kiesbänke als wichtige Lebensräume verschwänden. Verloren gingen auch die Altwässer, in denen Fische bei Hochwasser Zuflucht suchen. Seit den Neunzigerjahren wird deshalb Kies aus den Geschiebesperren des Speichersees wieder ins Flussbett eingebracht. Den ökologischen Zustand der Isar hält er nun für deutlich besser als in der Zeit vor 1990. Doch so wie es an der Isar war, bevor der Sylvensteinspeicher gebaut wurde, so wird es nicht mehr werden. Immerhin bieten die Kiesbänke und -inseln auch anderen seltenen Vögeln wie dem Fluss-Regenpfeifer und dem Fluss-Uferläufer Lebensräume.

Die Bestände des Uferläufers allerdings seien nach seinem Eindruck rückläufig, sagt Zintl. Um das beobachten zu können, braucht man Leute, die den Fluss mit dem Kajak befahren und die Vogelarten erfassen. Dieses Monitoring hat Zintl lange selbst erledigt, bis zu 700 Kilometer legte er Jahr für Jahr auf der Isar und den Nebenflüssen Jachen und Loisach zurück. Seit Anfang 2014 aber sieht er nicht mehr gut genug: "Ich erkenne die Vögel nicht mehr. Dabei hat er im Laufe der Jahre neben Eisvögeln, Wasseramseln, Silberreihern und Schwarzstörchen auch seltene Besonderheiten gesichtet, darunter Stelzenläufer und Fischadler.

Einen Traum hat Zintl noch - dass die Fluss-Seeschwalbe wieder an der Isar brütet. 2012 gab es einen erfolglosen Versuch. Im Hotspot-Projekt "Alpenflusslandschaften" im Rahmen eines Bundesprogramms zur Artenvielfalt wird die Wiederansiedelung an der Isar gefördert. Dass es die Schwalbe in Südbayern noch gibt, rechnet Zintl dem LBV und sich selbst an. "Die haben wir von hier aus retten können", sagt er zufrieden.

Wer sich für das Monitoring an der Isar interessiert, kann sich per E-Mail direkt an Heribert Zintl wenden: hezintl@freenet.de

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