SZ-Serie: Die ganze Welt in Freising:Der Tüchtige wird belohnt

SZ-Serie: Die ganze Welt in Freising: Serafeim Tompoulidis lebt gerne in Freising. Er schätzt die Nähe zum Flughafen, weil er von dort aus binnen zwei Stunden in Thessaloniki ist.

Serafeim Tompoulidis lebt gerne in Freising. Er schätzt die Nähe zum Flughafen, weil er von dort aus binnen zwei Stunden in Thessaloniki ist.

(Foto: Marco Einfeldt)

Serafeim Tompoulidis findet, dass es in Deutschland gerechter zugeht als in seiner griechischen Heimat. Zwar scheint über Freising seltener die Sonne, aber das gute Sozialsystem in der Bundesrepublik gleiche diesen Nachteil aus

Von Clara Lipkowski, Freising

Serafeim Tompoulidis' Geschichte in Deutschland beginnt, als er drei Jahre alt ist. Seine Eltern waren als Gastarbeiter aus Thessaloniki nach Deutschland gekommen und hatten ihn und seine Schwester mitgenommen. Eine erste Begegnung mit der deutschen Sprache, sagt er heute. Und für ihn die Möglichkeit, sich an deren Klang zu gewöhnen. Bis er zwölf Jahre alt ist, lebt die Familie in Schorndorf in Baden-Württemberg, die Eltern arbeiten in wechselnden Berufen, zunächst in der Hotelbranche, später in Fabriken, nach einigen Jahren eröffnet der Vater eine Änderungsschneiderei.

Tompoulidis besucht eine deutsche Schule. Eigentlich möchte der Vater, dass seine Kinder in Griechenland aufwachsen, kann aber zunächst nicht zurück, weil er nach Protesten gegen die Militärdiktatur Angst vor politischer Verfolgung hat. Erst ein paar Jahre nach Ende des Militärregimes wagt es die Familie und geht zurück nach Griechenland. 16 Jahre später hat Serafeim Tompoulidis das Gymnasium, die Universität und den Wehrdienst absolviert und steht vor der Frage, wie er sein Leben weiter gestalten will. Er entscheidet sich für eine Facharztausbildung zum Kieferorthopäden und sieht in Deutschland seine besten Chancen. "Ich wollte mich weiterentwickeln und nicht stagnieren", sagt er. In Griechenland habe er diese Möglichkeit nicht gehabt, da die Vetternwirtschaft dort vielen jungen Leuten den Aufstieg verwehre.

Es folgen mehrere Stationen in Hessen, Baden-Württemberg und ein Jahr in Budapest bis er 2009 als anerkannter Kieferorthopäde in Freising landet und eine Stelle in einer Praxis im Zentrum annimmt. Serafeim Tompoulidis ist ein großer, kräftiger Mann mit dichten schwarzen Haaren, die von feinen grauen Strähnen durchzogen sind. Sein Deutsch ist von einem griechischem Akzent geprägt und immer mal wieder tauchen darin bayerische Wörter wie "g'schwind" und "guat" auf.

"Die härteste Zeit war der Anfang", sagt der 50-Jährige heute im Rückblick. Für Sprachkurse hatte er während seiner Zeit als kieferorthopädischer Assistent keine Zeit. Die holprigen Sprachkenntnisse führten zu Verständigungs- und Verständnisproblemen, er war frustriert und spielte mit dem Gedanken, nach Griechenland zurückzukehren.

Hinzu kam ein weiteres Problem: die Arbeitsmoral. "Die 20 Jahre in Griechenland haben viele griechische Gewohnheiten bei mir etabliert. Die musste ich mir teilweise abgewöhnen. Besonders meine Einstellung zur Arbeit", sagt er und lacht schallend. "Die Arbeitsmoral in Deutschland ist eine andere", fährt er fort. "Sie ist tougher, sie ist strenger, aber auch gerechter. Wer tüchtig ist, wird auch belohnt". Das Sozialsystem gefalle ihm gut, die Absicherung durch den Staat, dass es keine so großen Probleme mit Schwarzarbeit gebe. Die Umstellung aber war nicht in ein paar Wochen erledigt, sondern zog sich zwei, drei Jahre. Zu der Zeit hatte er "alle möglichen Probleme". Besonders aber mit Vorgesetzten und Kollegen über Arbeitszeiten aber auch fachliche Fragen.

Info

Sie haben dem Landkreis etwas mitgebracht: Menschen, die das Wissen anderer Kulturen in sich tragen. Wie sind sie oder ihre Eltern hergekommen, wie fühlen sie sich hier und wie leben sie? Davon berichten soll die SZ-Porträtserie mit dem Titel "Die ganze Welt in Freising".

Dass er diese Jahre des Zweifelns ausgehalten hat, verdankt er auch seiner langjährigen Lebensgefährtin, die er während seiner Assistenzzeit kennengelernt hat. Sie habe ihn von Beginn an immer wieder motiviert. Also hat er weitergemacht, mit dem Job und dem Sprachenlernen, auch wenn er alleine mit Büchern, Zeitung oder Fernseher lernte, er wollte es schaffen.

Heute, nach 23 Jahren in Deutschland und davon sieben Jahren in Freising, denkt er auf deutsch und griechisch und spricht täglich beide Sprachen. Er hält ständig Kontakt zu seiner Familie in Thessaloniki und hat auch in Freising griechische Freunde. Genauso wichtig sei ihm aber auch, Freundschaften mit Deutschen zu pflegen. "Ich bin sehr offen und es fällt mir leicht, einen zwischenmenschlichen Kontakt herzustellen und näher an den Menschen heranzukommen", sagt er. Sein Temperament nennt er "südlich". Die Deutschen hingegen seien hin und wieder sehr sachlich und distanziert. Aber gerecht, sagt er, Ausländerfeindlichkeit sei ihm nur selten begegnet, in 99 Prozent der Fälle seien die Menschen freundlich zu ihm gewesen.

Das möge er auch an Freising - die freundlichen Leute, außerdem den Markt und die internationale Atmosphäre. Die Nähe zu einer großen Stadt wie München sei ihm wichtig und zum Flughafen, von dem er in etwa zwei Stunden in Thessaloniki ist. Unter diesen Voraussetzungen könne er sich gut vorstellen, für immer hier zu bleiben, sagt er. Lediglich überlege er, als Pensionär mehr Zeit in Thessaloniki zu verbringen. Denn einzig: "Das Wetter lässt zu wünschen übrig" sagt er und lacht wieder sein ansteckendes Lachen. "Aber man kann ja nicht alles haben, ein gutes Sozialsystem und schönes Wetter."

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