SZ-Serie: Braukultur in Freising:Nur das Jägerbier ist geblieben

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In Haag an der Amper steht eine der ältesten Brauereien im Landkreis Freising. Sie ist allerdings seit 1968 nicht mehr in Betrieb. Das bekannte traditionelle Bier stellt heute das Freisinger Hofbrauhaus her

Von Katharina Aurich, Haag

In Haag an der Amper steht eine der ältesten Brauereien im Landkreis Freising. Sie ist aber seit 1968 nicht mehr in Betrieb, Sudkessel und Abfüllanlagen sind abgebaut. Das imposante, denkmalgeschützte Gebäude in der Ortsmitte ist erhalten geblieben und unter Einhaltung denkmalschützerischer Auflagen außen saniert. Die Grundrisse im Inneren wurden verändert, so dass etliche Wohnungen entstanden sind. Das ehemalige Sudhaus mit seinem alten Gewölbe blieb erhalten und ist zu einer Autowerkstatt geworden.

Als die Grafen von Lodron 1786 ihre Brauerei bauten, stand in Sichtweite ihr mächtiges Schloss, von dem nichts mehr erhalten ist. 76 Jahre lang hatten sich die Adligen mit dem Kurfürsten um das Braurecht gestritten, denn die Besitzer der umliegenden Brauereien in Isareck, Au und Moosburg versuchten, die Konkurrenz in ihrer Nähe zu verhindern. Graf Hieronymus Maria von Lodron gab nicht auf und versicherte, nur die sechs Wirte in seiner Hofmark oder wenigstens ein paar von ihnen zu beliefern. Am 5. Dezember 1784 erteilte Kurfürst Karl Theodor Graf Lodron eine umfassende Bräuhauskonzession. Der Graf durfte nicht nur für die Wirte in seiner Hofmark, sondern auch für weiter entfernt liegende Bier herstellen.

Damit stand dem Bau eines Brauhauses nichts mehr im Weg. Da es im 18. Jahrhundert noch keine Industriearchitektur gab, wurde das 58 Meter lange und 22 Meter breite Gebäude schlossähnlich gestaltet. Es ist daher für die Entstehung des gesamten Industrie- und Gewerbebaus in Bayern bedeutsam, stellte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege fest. Das Schloss samt Brauhaus und der Schlossgarten mit seinen exotischen Bäumen bildeten das Zentrum der Ortschaft Haag, um das sich die kleinen Häuser der Handwerker und Bauern gruppierten. Der Löwe mit dem Brezenschweif auf rotem Grund, das Wappen des aus Italien stammenden Adelsgeschlechts der Lodron, ziert heute noch das Wappen der Gemeinde Haag.

Der Biergarten "Schlossallee" gehört zu den beliebtesten in der Region. Dort wird immer noch das traditionelle Jägerbier ausgeschenkt. (Foto: Marco Einfeldt)

100 Jahre nach seiner Entstehung kauften die Brüder Paul und Matthias Hörhammer die Brauerei und erwarben außerdem das sogenannte "Herrenhaus", den damals letzten erhaltenen Schlossflügel sowie das Gasthaus "Alter Wirt" am Dorfplatz. Ihre Enkelin Elisabeth Hörhammer legte 1944 als erste Frau in Bayern die Braumeisterprüfung ab, übernahm den Betrieb und braute nach dem Zweiten Weltkrieg jährlich 7000 Hektoliter Bier. Ihre wichtigste Marke war "Jägerbier", das bis heute vom Hofbrauhaus Freising gebraut wird. Das Bier erhielt seinen Namen von den Jägern, die sich früher neben dem Brauhaus zur Rast bei einem Bier trafen.

Damals gab es noch keinen Biergarten, ein paar Bänke unter den ausladenden Kastanienbäumen, die den Weg zum Schloss säumten, genügten für ein geselliges Beisammensein. Die Anfänge des Biergartens "Schlossallee" werden zum ersten Mal im Freisinger Tagblatt vom 29. Juli 1926 beschrieben: "Unter dem Schatten spendenden Blätterdach der Kastanienallee hatten am vergangenen Sonntag nun emsige Hände für das geplante Nachmittagskonzert zahlreiche Bänke und Tische erstellt; selbst eine provisorische elektrische Lichtanlage sorgte für abendliche Aufenthaltsmöglichkeit an diesem lauschigen Fleckchen Erde. Herr Gastwirt Johann Hörhammer traf ausreichend Vorbereitung für die Befriedigung der leiblichen Wünsche aller Gäste. Es möge dem Besitzer dieser Allee, Herrn Ökonomierat Hörhammer nun die öffentliche Bitte unterbreitet sein, diesen schönen Park auch an einigen künftigen Sonntagen, die von gutem Wetter begünstigt sind, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen."

Bereits vier Jahre später, am 23. Mai 1930, wird zum Tontaubenschießen in die Schlossallee eingeladen. Nachmittags gebe es ab drei Uhr ein Konzert und das "rühmlich bekannte" Jägerbier werde ausgeschenkt. Berichte aus den 1960er Jahren erzählen von wilden Zeiten, dass sich die Gäste in der "Allee" bis zum Umfallen mit Jägerbier betranken, sich im Rausch wilde Prügeleien geliefert und zügellos ihre Leidenschaften ausgelebt hätten. Daher durfte die Fronleichnamsprozession nicht mehr durch die "Allee" zur Schlosskapelle führen, denn die Kirchenmänner meinten, der Biergarten übe einen schlechten Einfluss auf die Vorbeiziehenden aus.

Wohnungen befinden sich jetzt im ehemaligen Haager Brauhaus. (Foto: Marco Einfeldt)

Auch im Brauhaus, das nicht nur der Bierherstellung diente, sondern in dem die Bräulies wohnte, wurde oft und gerne gefeiert, wie sich ältere Haager Bürger erinnern. 1968 stellte Elisabeth Hörhammer aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Betrieb ein. Schließlich kaufte Graf Guy von Moy 1990 das historische Brauhaus, das Herrenhaus, den Schlossgarten und den Biergarten Schlossallee. Die Gebäude verfielen immer mehr. Für das Herrenhaus erhielt Moy 1997 mit Zustimmung des Haager Gemeinderats die Abrissgenehmigung. Auch am Brauhaus, das jahrzehntelang leer stand, nagte der Zahn der Zeit und es verfiel. Als ein Teil des Dachs eingestürzt war und Regenwasser das Mauerwerk zermürbte, ersteigerte der damals 27-Jährige Bauingenieur Christian Hofmair am 28. September 1999 das Gebäude und rettete es vor dem Abriss. Nach seinem Tod 2008 führten sein Vater und seine Schwester Bettina sein Vermächtnis weiter und restaurierten das historische Gebäude Stück für Stück.

Der Biergarten "Schlossallee" hat die Wirren der Zeit, veränderte Trinkgewohnheiten und Eigentümerwechsel gut überstanden. Guy Graf von Moy verpachtete den Biergarten zehn Jahre lang an die Haager Metzger Hans Hack, bevor ihn die Familie Hofmaier (nicht zu verwechseln mit den Besitzern des Brauhauses) kaufte. Unter dem ausladenden Blätterdach finden heute 3200 durstige Gäste schattige Plätze. Kleine Teiche und seltene Gewächse auf dem angrenzenden Grundstück erinnern daran, dass sich hier früher der Schlossgarten befand. Die Schenke ist modernisiert, der Kinderspielplatz erweitert, ein Parkplatz gebaut und viel Arbeit in die Pflege der Kastanien gesteckt worden.

Vor ein paar Jahren ist die alte Brautradition in Haag wieder auferstanden. Im Keller eines Einfamilienhauses "Am Bräuberg", unter dem sich früher die Bierkeller befanden, haben sich Axel Kuhlow und Stefan Epple einen Traum erfüllt. Sie gründeten 2007 die "Brauwerkstatt", in der sie ein obergäriges, naturtrübes Spezialweizenbier, ihr "Yeti Bayerisch Ale" und das "Big Foot Spezial Bock" , ein naturtrübes Bockbier, brauen.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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