SZ-Serie: Altes Handwerk, heute noch gefragt:Präzisionsmechaniker

Eigentlich ist Hans Werner Prinz längst im Ruhestand. Doch der Ismaninger Uhrmacher kann nicht von seiner Leidenschaft lassen. In dritter Generation führt er den Betrieb, der bald sein 100-jähriges Bestehen feiert - doch er weiß auch, eine vierte wird es nicht geben

Von Markus Mayr, Ismaning

Wer in dem kleinen Uhrmacherladen im Ismaninger Ortszentrum vielstimmiges Ticken zahlloser Uhren erwartet, wird enttäuscht. Alle Zahnrädchen greifen exakt ineinander. Alle Uhrwerke laufen gut geölt, ganz leise und reibungslos. Oder sie funktionieren digital, ganz ohne Mechanik. "Für Kunden, die nicht in die Stadt fahren wollen oder im Internet einkaufen, halten wir hier ein kleines Sortiment Uhren parat", sagt Hans Werner Prinz. Trotzdem ist sein Laden vielmehr Werkstatt als Verkaufsraum. Denn der Uhrmacher geht als einer der letzten seiner Zunft diesem "bezahlten Hobby" nach. So nennt der 73-Jährige seinen Beruf inzwischen. Eigentlich ist er schon im Ruhestand, doch fehlt ihm ein Nachfolger. "Ich bin Uhrmacher, nicht nur Batteriewechsler", sagt Prinz. Und die werden immer seltener.

"Man muss viel arbeiten und hat am Ende des Monats kein Geld," sagt Prinz, das sei das größte Problem der Uhrmacherei. Eine seiner zwei Töchter habe er in seinem Betrieb zur Einzelhandelskauffrau für Uhren und Schmuck ausgebildet, doch inzwischen arbeite sie in einer Bank. Also da, wo sich noch Geld verdienen lässt. Richtig unattraktiv sei es geworden, sein Geld mit Uhrreparaturen in der eigenen Werkstatt zu verdienen. Die Modelle der bekannten Edelmarken muss selbst er an die Hersteller schicken, wo Spezialisten sie dann reparieren. Und billige elektrische Uhren werden nicht repariert, sondern weggeworfen und durch andere billige ersetzt.

Prinz ist allerdings Handwerker und sieht sich auch als solchen. Nur einschicken und Batterien wechseln, das würde ihm nicht reichen. Als Quasi-Ruheständler kann er sich aussuchen, welche Arbeiten er annimmt. Hauptsächlich restauriert er alte Uhren, reinigt Bänder und tauscht Gläser oder Uhrwerke aus. Bei der großen Wanduhr, die an seiner Werkbank lehnt, hat er erst vor Kurzem ein neues Uhrwerk eingebaut. "Extrastark", sagt er, die Zeiger seien auf die Dauer zu schwer gewesen. Das alte Werk habe sie nicht mehr bewegen können. Zumindest nicht mehr im Sekundentakt. Und bei Uhren muss es ja genau gehen. Deshalb ist Prinz' wichtigstes Hilfsmittel wohl auch seine Lupe. "Wenn man in ein Uhrwerk rein langt, darf man nicht daneben langen", sagt der Ismaninger. Ganz leicht könne die sensible Mechanik zerstört werden.

SZ-Serie: Altes Handwerk, heute noch gefragt: Mit der Lupe sieht der 73-jährige Uhrmacher Hans Werner Prinz genau, wo die winzigen Schrauben sitzen.

Mit der Lupe sieht der 73-jährige Uhrmacher Hans Werner Prinz genau, wo die winzigen Schrauben sitzen.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Sein Vergrößerungsglas sitzt auf einer Brille. Die muss allerdings nur die Lupe tragen. Prinz hat vor zwei Jahren seinen Grauen Star behandeln lassen, seitdem braucht er die Brille nicht mehr als Sehhilfe. "Der Star, das war normal, altersbedingt", sagt der Uhrmacher. Keine Berufskrankheit. Mit der Lupe sieht der 73-Jährige genau, wo er mit winzigen Schraubenziehern winzige Schrauben anzuziehen hat. Er kann ausmachen, wo er mit der Pinzette kleine Zahnräder und Federn platzieren muss oder wo ein Tropfen Öl fehlt.

"Alle fünf bis zehn Jahre sollte man eine Uhr warten", sagt der Feinmechaniker. Das Öl sei dann harzig und somit zäh geworden, die ein oder andere Feder könne lahmen, oder ein Zapfen sich verabschieden. "Diese Verschleißteile muss man austauschen." Und: "Wo Bewegung stattfindet, muss geschmiert werden." Dann kann ein Uhrwerk lange halten, können die Zeiger über Jahrzehnte hinweg exakt laufen. Wenn der Träger der Uhr sie spätestens alle 36 Stunden wieder aufzieht. So lange tickt ein vollständig aufgezogenes Uhrwerk.

An den Handgelenken von Prinz und seiner Ehefrau Inge ticken Rolex-Uhren. "Prinz-Uhren", seine eigene Marke, habe es auch gegeben, sagt der 73-Jährige, die hätten sie früher viel verkauft. Doch jetzt, da sie eigentlich im Ruhestand sind, wo die Uhrmacherei nur noch ein Hobby mit Verdienst ist, haben sie sich stark verkleinert. Groß, das waren sie mal. Seit 1965 ist Prinz selbständig. Mit seiner Frau, die er vor mehr als 50 Jahren geheiratet hat, arbeitet er noch heute zusammen. "Ich bin der Uhrmacher, sie ist die Chefin", sagt er. Prinz' Großvater fing 1920 an mit der Uhrmacherei, in französischer Kriegsgefangenschaft in Marokko hatte er während des Ersten Weltkriegs Erfahrung als Feinmechaniker gesammelt. "Mein Großvater war körperlich klein, so wie ich", sagt der Enkel, für schwere Arbeiten hätten sie ihn dort nicht brauchen können. Prinz saß schon als Kind beim Opa in der Werkstatt auf dem Fußboden und hat zugeschaut. Sein Vater war ebenfalls Uhrmacher, zog aber mit einem Teil des Familiengeschäfts 1965 in die USA. "Und ich bin beim Opa geblieben", sagt Prinz, der damals schon ein geschickter Mechaniker gewesen sein muss. Von seinem Opa hat er das Geschäft übernommen, als sein Vater ausgewandert war.

SZ-Serie: Altes Handwerk, heute noch gefragt: Mit der Graviermaschine verziert der Handwerker zum Beispiel Uhrdeckel.

Mit der Graviermaschine verziert der Handwerker zum Beispiel Uhrdeckel.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

"Es wird wenige Uhren geben, die ich noch nicht in der Hand hatte", sagt Prinz. Er war nach seiner Lehre so eingespannt im Betrieb, dass er nie die Zeit fand, die Meisterschule zu besuchen. Selbst wenn er wollte, könnte Prinz also keinen Nachfolger ausbilden. Freilich will er weitermachen - so lange es geht. Doch wenn die ersten kleinen geistigen oder körperlichen Beschwerden kommen, wird er aufhören müssen. Das verlangt die Präzision. In fünf Jahren wird die Uhrmacherei Prinz 100 Jahre alt. "Hoffentlich erlebe ich das noch", sagt Prinz. Zu wünschen ist es ihm. Denn jemand anderes wird seinen Betrieb nicht zum Doppel-Null-Jubiläum führen.

Lesen Sie am Mittwoch: das Handwerk des Maß-Schuhmachers.

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