SZ-Interview:Belastende Schicksale

SZ-Interview: Irmengard Ortmaier ist zwar nicht mehr Bevollmächtigte bei Donum Vitae. Ehrenamtlich engagiert sie sich jedoch weiter für den Verein.

Irmengard Ortmaier ist zwar nicht mehr Bevollmächtigte bei Donum Vitae. Ehrenamtlich engagiert sie sich jedoch weiter für den Verein.

(Foto: Marco Einfeldt)

Irmengard Ortmaier gibt die Leitung der Freisinger Schwangerschaftsberatungsstelle Donum Vitae nach zwölf Jahren ab. Gespräche mit Klientinnen in Konfliktsituationen hat sie selbst nicht geführt. Sie hat gespürt, dass ihr diese zu nahe gehen könnten

Interview von Katharina Aurich, Freising

1999 haben Mitglieder des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken den Verein Donum Vitae (Geschenk des Lebens) gegründet. Nach der Wiedervereinigung mussten die Gesetze angeglichen werden, denn in der DDR war ein Schwangerschaftsabbruch legal, in der BRD dagegen nicht erlaubt. Man einigte sich auf folgende Lösung: Die schwangere Frau muss, wenn sie einen Abbruch erwägt, in einem ergebnisoffenen Beratungsgespräch ihre Situation erläutern. Ihr wird Hilfe angeboten, aber sie darf nicht manipuliert werden. Dann erhält die Schwangere einen Beratungsschein, den sie dem Arzt vorlegen muss. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche ist der Eingriff dann legal. Diese Regelung trugen die katholischen Beratungsstellen nicht mit, deshalb wurde von katholischen Laien als "Ersatz" Donum Vitae gegründet. Irmengard Ortmaier war zwölf Jahre lang Bevollmächtigte des Vereins in Freising, der eine von etwa 200 Donum Vitae Beratungsstellen in Deutschland betreibt.

SZ: Wie kamen Sie zum Job der Bevollmächtigten von Donum Vitae in Freising?

Ortmaier: Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich das machen würde. Nach kurzer Bedenkzeit habe ich angenommen und das Amt zwölf Jahre lang ausgefüllt. Aus Altersgründen habe ich dieses Ehrenamt dann zurückgegeben.

Was macht eine Bevollmächtigte, was waren Ihre Aufgaben?

Ich arbeitete sehr eng mit der Leiterin der Beratungsstelle zusammen, war bei den Personalgesprächen dabei, übernahm die Haushaltsplanung und war für die Finanzplanung mit zuständig. Ein großer Teil meiner Arbeit war jedoch die Einwerbung von Spenden, denn unsere Kosten wie Raummiete und vor allem Personalgehälter werden ja nicht vollständig von der Regierung von Oberbayern und den Landkreisen unseres Einzugsgebietes (Freising, Erding, Pfaffenhofen) finanziert. Gemeinsam mit den Damen unseres Helferkreises koordinieren wir unsere Stände, zum Beispiel den Kuchenstand auf dem Flohmarkt an der Sauwiese oder wir verkaufen selbst gekochte Kartoffelsuppe auf dem Christkindlmarkt. Aber es klafft immer eine finanzielle Lücke.

Warum kommen Frauen zu Donum Vitae in die Beratung und wie wird ihnen geholfen?

Unsere Mitarbeiterinnen, die alle Sozialpädagoginnen sind, beraten werdende Mütter, diese kommen aber immer öfter auch in Begleitung der werdenden Väter in unsere Beratungsstelle. Wir arbeiten aber auch mit dem Freisinger Frauenhaus zusammen. Es geht nicht nur um Schwangerschaftskonflikte, also um die Frage, ob die Frau ihr Kind behalten will oder nicht, sondern auch um andere Probleme, wie finanzielle Engpässe, Partnerschaft und allgemeine Familienprobleme. Manchmal können die Menschen ihre Miete nicht bezahlen, der Herd ist kaputt, der Arbeitsplatz wurde gekündigt.

Wir zeigen, welche staatlichen Hilfen es gibt, und versuchen, mit einem finanziellen Zuschuss unbürokratisch zu helfen. Wir informieren über psychische Probleme, die nach einer Abtreibung auftreten können. Diese Beratungsgespräche sind vertraulich, sehr intensiv und ergebnisoffen. Nach dem Gespräch wird der Beratungsschein ausgestellt, dieser muss dem Arzt, der den Abbruch vornimmt, vorgelegt werden. Aber wir erfahren nicht, wie sich die Frauen entschieden haben. Wenn sie mehr Gespräche benötigen, können sie natürlich auch mehrmals zu uns kommen.

Außer abzutreiben oder ein Kind zu gebären und groß zu ziehen gibt es die Möglichkeit einer Adoption.

Ja, Donum Vitae hat das Projekt "Moses" ins Leben gerufen. Die Frauen können anonym in einer Münchner Klinik entbinden, sie sind dort unter einem anderen Namen registriert, es darf niemand wissen, dass sie ein Kind bekommen haben. Die jungen Mütter haben dann sechs Wochen Zeit, sich zu entscheiden, ob sie ihr Kind zur Adoption freigeben wollen.

Wie viele Mitarbeiterinnen sind bei Donum Vitae in Freising beschäftigt?

Vier Beraterinnen, aber sie arbeiten nicht alle in Vollzeit. Eine gute Beratung ist eine wirklich schwierige Aufgabe, unsere Mitarbeiterinnen sind sehr gut geschult und wir haben zum Glück beim Personal sehr wenig Fluktuation.

Haben Sie selber auch Frauen in Konfliktsituationen beraten?

Nein, das könnte ich nicht, die persönlichen Schicksale würden mich zu sehr belasten.

Sie haben sich nicht nur bei Donum Vitae, sondern zwei Wahlperioden lang von 1996 bis 2008 auch als Freisinger CSU-Stadträtin engagiert. Was war Ihnen besonders wichtig?

Ich war im Ausschuss der Stadtwerke, wir haben das städtische Bussystem weiter entwickelt, es wurden Parkhäuser gebaut. Außerdem war mir die gute Betreuung von Senioren ein Anliegen. Damals wurde das Heiliggeiststift umgebaut und das Heim in der Rotkreuzstraße erneut renoviert. Es war für mich wirklich eine spannende Zeit.

Warum haben Sie nicht für eine dritte Amtszeit kandidiert?

Ich fand, das es lange genug war und wollte Platz für Jüngere machen.

Sie gehören einer Generation an, in der es für eine Frau nicht vorgesehen war, in der Öffentlichkeit zu stehen, Verantwortung zu übernehmen und mit zu gestalten. Sie taten es trotzdem, lag das am Elternhaus?

Ich empfand das nie als etwas Besonderes. Aufgewachsen bin ich mit drei Geschwistern in Pörnbach im Landkreis Pfaffenhofen, besuchte die Mittelschule und arbeitete dann im Betrieb meiner Eltern, einem Kraftfahrzeug- und Landmaschinenhandel in der Buchhaltung mit. Als ich meinen Mann kennenlernte, der an der TU arbeitete und das Projekt "Carmen" für nachwachsende Rohstoffe aufbaute, zogen wir nach Freising und fanden ein Baugrundstück in Vötting.

Dennoch waren Sie immer für andere im Einsatz. . .

Ich bin Mitglied im Pfarrgemeinderat und in der Kirchenverwaltung. Als unsere beiden Kinder groß waren, wollte ich mehr tun, engagierte mich innerhalb der CSU und wurde dann Stadträtin. Das einzig Außergewöhnliche war damals, dass sich eine Frau für die Stadtwerke, die Wasserversorgung und den Nahverkehr interessierte. Und jetzt, nachdem ich nicht mehr Bevollmächtigte bin, arbeite ich ohne Amt bei Donum Vitae weiter mit.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Donum Vitae?

Wir brauchen jüngere Frauen. Aber das Leben für Familien, Mütter und Frauen hat sich in den vergangenen 15 Jahren sehr verändert, es ist stressiger geworden. Die meisten müssen arbeiten und Geld verdienen, es bleibt kaum Zeit für ehrenamtliches Engagement.

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