SZ-Adventskalender will helfen:Zum Nichtstun verdammt

Viele der etwa 500 im Landkreis lebenden Flüchtlinge haben in ihrer Heimat unsägliches Leid erleben müssen. Hier steht den oft traumatisierten Menschen eine zermürbende Wartezeit bis zur Anerkennung als Asylberechtigter bevor. Betreuer stoßen oft an ihre Grenzen

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Ihre Familien wurden vor ihren Augen hingerichtet, ihre Ehefrauen vergewaltigt und ermordet, ihre Verwandten verbrannt. Frauen, die aus Somalia flüchteten, berichten von Zwangsbeschneidungen, andere aus Eritrea von Kinderprostitution. Was die Flüchtlinge, die Kim Meiforth, Asylsozialberaterin der Diakonie in Freising, betreut, erleben mussten, ist oft unvorstellbar schrecklich. Wenn Kim Meiforth den Eindruck hat, dass einer ihrer Klienten traumatisiert ist oder massive Probleme hat, dann vermittelt sie diesen weiter: an die Migrationsambulanz in München, die Therapien in der jeweiligen Muttersprache anbietet oder an die Psychosoziale Beratungsstelle der Caritas in Freising.

SZ-Adventskalender will helfen: Mahmood, seine Frau Faiaqa und ihre beiden Söhne haben sich ein neues Leben aufgebaut. Flüchtlingsbetreuerin Kastorff (links) besucht sie regelmäßig.

Mahmood, seine Frau Faiaqa und ihre beiden Söhne haben sich ein neues Leben aufgebaut. Flüchtlingsbetreuerin Kastorff (links) besucht sie regelmäßig.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Beratung der traumatisierten Menschen sei eine riesige Herausforderung, sagt Kristina Kluge, die den Sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas Freising leitet. Zum einen bilde die Sprache eine riesige Hürde, zudem hätten die Asylbewerber einen vollkommen anderen kulturellen Hintergrund. "Das ist für uns noch absolutes Neuland - wir tasten uns da gerade heran", sagt Kristina Kluge. Derzeit tausche man sich eng mit den Asylsozialberatern, mit Sozialarbeitern, den behandelnden Ärzten und den Kliniken aus. Bei der psychosozialen Beratungsstelle in Freising gebe es keinen Traumatherapeuten. "Wir haben natürlich eine Ahnung vom Thema, aber wir stoßen schnell an unsere Grenzen." Zwar könne man eine Basisberatung leisten, aber solange der Asylstatus ungeklärt sei, sei auch das sehr schwierig: Traumatisierte Menschen oder solche nach einem Suizid wollen sich sicher fühlen, sie müssen beispielsweise eine Wohnung haben, wo sie sich geschützt fühlen, erklärt Kristina Kluge. Das alles aber fehle den Asylbewerbern. "Wir versuchen, weiter nach München zu vermitteln", sagt sie. Allerdings würden nur in den wenigsten Fällen die Fahrtkosten übernommen, der Flüchtling müsse diese meist selber zahlen, oft fehle das notwendige Geld.

SZ-Adventskalender will helfen: Asylberaterin Kim Meiforth von der Diakonie.

Asylberaterin Kim Meiforth von der Diakonie.

(Foto: Marco Einfeldt)

Im Landkreis leben derzeit 500 Asylbewerber in insgesamt 40 Unterkünften, berichtet Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin des Landratsamts. Laut der neuesten Prognose der Regierung von Oberbayern soll deren Zahl bis Jahresende auf 770 ansteigen. Die Aufgabe der Sozialpädagogin Kim Meiforth ist es, Asylbewerbern mit einer aufsuchenden Beratung zu helfen. Sie betreut etwa 150 Flüchtlinge, überwiegend junge Männer aus Afghanistan, Pakistan und Nigeria. Zu bestimmten Zeiten fährt Kim Meiforth in verschiedene Unterkünfte im Landkreis und bietet eine Sprechstunde an. "Ich vermittle zwischen Asylbewerber und Ämtern", erklärt sie - helfe ihren Klienten beispielsweise beim Ausfüllen der zahllosen Formulare, erkläre ihnen die Behördenbriefe, knüpfe Kontakte zu Dolmetschern oder begleite sie bei Arztbesuchen.

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"Hilfe zur Selbsthilfe" wolle sie leisten, sagt Kim Meiforth. Die Flüchtlinge müssten lernen, sich in Deutschland ein eigenes Leben aufzubauen - und sollten dabei nicht ihre Selbstständigkeit verlieren. Es sei nicht leicht, denn das oft unendlich lange Warten auf einen Bescheid zermürbe ihre Klienten. "Die Asylbewerber sitzen den ganzen Tag in ihrer Unterkunft, können nicht arbeiten, haben keinen regelmäßigen Deutschunterricht, haben keine Aufgabe - ihr Alltag ist trostlos", sagt Kim Meiforth. Sie erzählt von einem ihrer Klienten, einem Afghanen, der dreieinhalb Jahre auf seinen Bescheid warten musste. "Das ist einfach zu lang." Derzeit seien in Deutschland etwa 100 000 Asylanträge unbearbeitet; die Situation für die Helfer oft frustrierend. "Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das eine kürzere Verfahrensdauer", sagt Kim Meiforth. Aber dann gebe es wieder Lichtblicke, wie den Alphabetisierungskurs, den die Diakonie in Kooperation mit der evangelischen Kirche derzeit anbieten kann. Kim Meiforth würde das gerne noch ausbauen, beispielsweise eine Mutter-Kind-Gruppe mit einer Betreuung für die Kinder anbieten. "Dazu fehlt aber momentan das Geld."

In Moosburg kümmert sich das Ehepaar Kastorff seit drei Jahren ehrenamtlich um die Asylbewerber in der Unterkunft Isareck in Wang. 40 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Pakistan leben dort, viele haben schreckliche Dinge erlebt und kamen erst nach einer monatelangen Flucht hierher. Wie Mahmood, der mit seiner Familie, seiner Frau Faiaqa und seinem damals zweijährigem Sohn, vor dreieinhalb Jahren aus Afghanistan floh. Er hatte als Fahrer für die internationale Schutztruppe ISAF gearbeitet, die Taliban bedrohten ihn massiv, er fürchtete um sein Leben. Die Flucht der Familie war abenteuerlich: Mit Pferden ging es bis in die Türkei, von dort mit dem Bus und zu Fuß weiter nach Griechenland und schließlich mit verschiedenen Flügen nach Deutschland. Zweieinhalb Jahre musste die Familie, mittlerweile mit einem zweiten, in Freising geborenen Kind, in Unterkünften in Wang und Haag leben. "Es ging mir damals gar nicht gut", sagt Faiaqa. Im März bekam die Familie dann endlich eine Aufenthaltsgenehmigung, im August sind sie in eine eigene Wohnung gezogen, nun hofft Mahmood, bald wieder Arbeit zu finden. Zurück wollen sie nicht mehr: "Hier ist jetzt unser Leben", sagt seine Frau.

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