Wenn das Kind werktags krank wird:Stress pur für Berufstätige

Kindertagesstätte in NRW

Im Kindergarten sind die Kleinen gut aufgehoben - solange sie gesund sind. Bekommen sie Fieber, haben berufstätige Eltern ein Problem.

(Foto: M. Skolimowska/dpa)

Nur wenige Arbeitgeber zeigen Verständnis, wenn ein Kind erkrankt und Mutter oder Vater tagelang ausfallen. Entlastung bietet in Freising einzig ein gutes soziales oder familiäres Netzwerk.

Von Jenny Schößler, Freising

In der Arbeit klingelt das Telefon. Diesmal ist der Kindergarten am anderen Ende der Leitung und gibt Bescheid, dass die Tochter Fieber hat oder der Sohn schlimm hustet. Das Kind muss dringend abgeholt werden. In dem Moment läuft der Chef vorbei und schaut mit strengem Blick auf den größer werdenden Papierhaufen auf dem Schreibtisch. Was tun? Diese unangenehme Situation ist kein Einzelfall und plagt besonders Eltern mit Kleinkindern. Anders als in München, wo es das Projekt "Zu Hause gesund werden" gibt, bei dem Tagesmütter auf Abruf kranke Kinder in ihren eigenen vier Wänden betreuen, hat Freising kein vergleichbares Auffangprogramm.

Der Gesetzgeber räumt einem Elternteil mit einem Kind im Alter bis zu zwölf Jahren den rechtlichen Anspruch auf zehn freie Tage im Jahr ein. Bei mehr als zwei Kindern dürfen sich Mutter oder Vater bis zu 25 Tage frei nehmen. Alleinerziehende haben jeweils den doppelten Anspruch, also bei einem Kind 20 freie Tage im Jahr. Zahlen, die laut Andrea Hilt, Leiterin des Kindergartens Lerchennest, flexibler gestaltet werden könnten. Das Problem vieler Eltern ist, dass Krankheiten der Kinder nicht berechenbar sind. "Besonders Kinder im Kleinkindalter sind häufig krank, weil sie ihr Immunsystem erst noch entwickeln müssen", erzählt Susanne Müller, Leiterin des Tageselternzentrums Freising. Beide können von Eltern berichten, deren Arbeitgeber kein Verständnis für die schwierige Situation ihrer Mitarbeiter zeigen. Müller erzählt, dass es Chefs gebe, die sich nicht an die Regelung mit den zehn freien Tagen halten. Hilt weiß von Eltern, die Überstunden leisten oder Urlaub nehmen müssen, wenn ihre zehn Tage ausgeschöpft seien.

Manche Eltern bringen ihr kränkelndes Kind absichtlich in die Kita

"Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder etwas kränklich zu uns bringen, damit wir auf der Arbeit anrufen und die Arbeitgeber wissen lassen, dass es dem Kind nicht gut geht", erzählt Kindergartenleiterin Hilt. Doch nicht nur die Angelegenheit mit dem Arbeitgeber macht vielen Eltern zu schaffen. "Gerade in sozialen Berufen, etwa als Lehrer oder Erzieher, weißt du, dass deine Kollegen deine ganze Arbeit auffangen müssen, weil du nicht da bist", sagt Hilt. Man sitze dann zu Hause und kümmere sich um das kranke Kind, obwohl es einem selber eigentlich gut geht. Von Programmen wie dem in München, bei dem sich fremde Ersatzmütter um die Kinder kümmern, hält sie dennoch nicht viel. "Wenn ein Kind krank ist, gehört's zur Mama oder zum Papa." Sie glaubt nicht, dass die Eltern dann mit einem guten Gewissen in der Arbeit sitzen könnten. Laut Müller wäre so ein Programm in Freising in naher Zukunft auch gar nicht machbar. Dafür fehle schlichtweg das nötige Personal, sagt die Leiterin des Elterntageszentrums.

Meist holen die Mütter ihr Kind ab - trotz des aktuellen Rollenwandels

In den meisten Fällen reduziert sich die elterliche Fürsorge trotz des aktuellen Rollenwandels immer noch auf die Mütter. Viele Eltern geben beim Kindergarten an, wer von beiden im Notfall besser erreichbar ist. Und das sei oft die Mama, schildert Andrea Hilt. Auch Susanne Müller kennt die Problematik der Frauen, die sich in den vergangenen 20 Jahren erst so richtig entwickelt hat. "Das klassische Hausfrauendasein ist ein aussterbender Ast ", sagt sie. Zwar findet sie es gut, dass Frauen heutzutage viel mehr Möglichkeiten hätten. Doch die Vorstellung von der "Super-Frau" sei ein Idealbild. Demnach soll die Frau von heute beruflich erfolgreich, perfekte Mutter, attraktiv und fit und dazu immer cool und gelassen sein. Dass sich das alles gar nicht unter einen Hut bringen lässt, ist für Müller offensichtlich, doch die Gesellschaft baue immer wieder großen Druck auf junge Frauen auf.

Einzige Entlastung bringe da nur ein gutes familiäres oder soziales Netzwerk. Sind die Kinder beispielsweise krank, könnten Oma und Nachbar aushelfen. Dann müssten die Eltern auch erst gar nicht von den teils weit entfernten Arbeitsplätzen zum Kindergarten fahren, sondern könnten mit ruhigem Gewissen ihren Job erledigen. So könnten auch die Kleinen im vertrauten Umfeld Schnupfen oder Grippe auskurieren.

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