Streit in den Backstuben:"Ein wahrer Horror-Katalog"

Streit in den Backstuben: Das Bäckerhandwerk leidet unter dem Fachkräftemangel. Der Streit um den Tarifvertrag kommt daher zur Unzeit.

Das Bäckerhandwerk leidet unter dem Fachkräftemangel. Der Streit um den Tarifvertrag kommt daher zur Unzeit.

Bäcker-Innung und Gewerkschaft diskutieren auch im Landkreis, wie hart die Einschnitte bei einem neuen Tarifvertrag wären

Von Marina Wudy, Freising

Es gibt Ärger zwischen dem Landes-Innungsverband des bayerischen Bäckerhandwerks und der Gewerkschaft für Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Denn die bayerische Bäcker-Innung hat zum 30. September den bisher geltenden Manteltarifvertrag des Gewerbes gekündigt und stattdessen, laut NGG, einen "wahren Horror-Katalog" vorgelegt. Auch die rund 1000 Bäcker und Verkäuferinnen im Kreis Freising wären von diesen Einschnitten betroffen.

Bereits im Juni hatte der Landes-Innungsverband den Manteltarifvertrag mit Wirkung zum 30. September gekündigt. Mittlerweile hat sich die Stimmung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband erhitzt. So beklagte die NGG kürzlich die geplanten Änderungen. Die Innung reagierte mit dem Vorwurf, die NGG würde mit ihrer Informationspolitik das Verhandlungsklima verderben. "Die Mitteilung der Gewerkschaft ist pure Hetzerei und Mitgliederwerberei", sagt Thomas Grundner, Obermeister der Bäcker-Innung Freising. "Außerdem werden einige Fakten einfach verschwiegen. Das Urlaubsgeld soll nicht komplett gestrichen werden, wie es in der Pressemitteilung der NGG beschrieben ist, sondern nur auf die tarifliche Altersvorsorge umverteilt werden."

Ein weiterer Punkt in dem von der Innung vorgelegten Katalog ist eine anteilige Verrechnung von bis zu zehn Krankheitstagen mit Urlaub. Doch laut Grundner hat auch hier die Gewerkschaft die Forderung der Innung falsch dargelegt: "Es muss zwischen gesetzlichem und tariflichem Urlaub unterschieden werden, wobei der tarifliche eine freiwillige Zugabe bedeutet. Und nur dieser, nicht der gesetzliche Urlaub, würde mit den Krankheitstagen verrechnet. Zudem ist die Regelung nur für lange Krankheitsfälle gedacht."

Abgesehen von diesen Unstimmigkeiten ist für Klaus Binnig, Gewerkschaftssekretär der NGG für die Region Rosenheim-Oberbayern, die unangekündigte Kündigung des Tarifvertrags seitens der Innung ein Problem. "Dass bei Tarifverhandlungen die Vorstellungen von Arbeitgeber und Gewerkschaft zunächst auseinander gehen, ist nichts neues. Dass aber die Innung ohne vorherige Aufnahme von Verhandlungen den Vertrag einfach kündigt, ist ziemlich dreist", sagt Binnig. "Damit hat uns die Innung im Endeffekt den Fehdehandschuh hingeworfen." Diese Fehde kommt allerdings zu einer Unzeit, denn der Fachkräftemangel im Handwerk betrifft auch die Bäcker.

"Wir haben ohnehin große Probleme, gelerntes Personal zu bekommen", erzählt eine Bäckerfachverkäuferin, die in einem Freisinger Familienbetrieb arbeitet. "Die meisten, die wir neu einstellen, sind ungelernte Aushilfen. Falls die von der Bäcker-Innung vorgelegten Regelungen eintreten sollten, würden wahrscheinlich noch nicht mal mehr diese Leute bei uns arbeiten", klagt die Filialleiterin weiter. Dennoch sei sie zuversichtlich, dass ihr Chef bei dem "Horror-Katalog" nicht mitziehen werde: "Ich bin jetzt schon seit 33 Jahren im Unternehmen und sehr zufrieden mit meinem Arbeitgeber."

Die Regelung einer Umverteilung des Urlaubsgeldes auf die tarifliche Altersvorsorge sei in ihrem Betrieb bereits seit Jahren der Fall. "Das war für mich aber noch nie ein Problem. Ich finde es sogar sehr gut", sagt die 61-Jährige. Die Kürzung der Urlaubstage bei einer längeren Krankheit sieht sie dagegen kritisch. "Die Arbeit ist sowieso sehr hart, und dann noch weniger Urlaub - das wäre schlimm", sagt sie.

Klaus Binnig von der NGG ist vor den Verhandlungen Ende September sicher: "Würden wir die Arbeitsbedingungen im Bäckereigewerbe verbessern, würde der Fachkräftemangel sicherlich zurückgehen. Mit den aktuellen Forderungen der Innung würde aber eher das Gegenteil erreicht werden."

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