Spezielle Ausnahmesituation:Auch kein Patentrezept

Selbst eine Westtangente hätte den Verkehrskollaps am Montagmorgen in Freising nicht verhindern können

Gudrun Regelein

Dass die Westtangente für Oberbürgermeister Dieter Thalhammer unverzichtbar ist, ist nicht neu. Für ihn bedeutet dieses Projekt die ultimative Lösung, um Freising nicht im Straßenverkehr ersticken zu lassen. Allerdings hätte auch diese bei dem Verkehrskollaps am Montag (wir berichteten), bei dem der Verkehr in und um Freising lahmgelegt wurde und viele Autofahrer regelrecht festsaßen, kaum Abhilfe schaffen können. "Die Westumgehung wäre am Montag bei dieser speziellen Situation nicht so relevant gewesen", gibt der Oberbürgermeister zu. In Freising selber aber hätte sie zumindest in ihrer "Verteilerfunktion" zu einer merkbaren Entlastung geführt.

Die Tangente hält Thalhammer aber angesichts der täglichen Situation im Berufsverkehr mit Brennpunkten wie Johannisstraße, Saarstraße oder Münchner Straße für dringend notwendig. Denn nur mit einer schlüssigen Umfahrung des bereits heute überlasteten Straßennetzes im Zentrums Freisings sei bei der erwarteten weiteren Zunahme des Verkehrs eine Entlastung zu erreichen. Andere Alternativen sieht der Oberbürgermeister momentan nicht - selbst wenn die Stadt den Bus- und Radverkehr noch intensiver fördere. "Des Deutschen liebstes Spielzeug ist nun einmal das Auto", stellt Thalhammer fest. Die hohen Zulassungszahlen in Freising würden da eine eindeutige Sprache sprechen. Und: "Je mehr Zuzug und Firmenansiedlungen wir haben, desto mehr Verkehr werden wir auch haben." Er selber hatte am Montagmorgen noch Glück: Zwar fuhr auch Thalhammer mit dem Auto, aber für ihn hielten sich die Auswirkungen des Verkehrschaos in Grenzen.

Der Stadtrat der Grünen, Jürgen Maguhn, kam am Montagmorgen mit der S-Bahn "gut und pünktlich" zu seiner Arbeit nach München. Er ist ein Gegner der Westtangente - aber geht in diesem Fall mit dem Oberbürgermeister konform. Auch er ist der Meinung, dass die Westtangente bei dem Verkehrskollaps keine Entlastung gebracht hätte. "Die Autobahn nach München war zu; das war die Ursache", sagt Maguhn. Und die Autobahn bedeute für Freising die wichtigste Entlastungsstraße. Denn früher, als es die A 92 noch nicht gab, und als die Hauptverkehrsstraße von Niederbayern nach München noch die Bundesstraße 11 durch Freising gewesen war, sei der innerörtliche Verkehr noch "viel schlimmer" gewesen. "Es kam nicht zum Kollaps, weil der Verkehr aus dem Norden extrem stark gewesen war", betont Maguhn. Und: Eine Westtangente würde zwar den Verkehr aus dem nördlichen Landkreis, der Hallertau, um die Innenstadt herumleiten, hätte gestern aber nichts gebracht.

Wir werden immer als Partei verschrien, die grundsätzlich gegen Infrastruktur-Projekte, wie Westtangente oder Dritte Startbahn, vorgeht", sagt Maguhn. Dem sei aber nicht so, "das weise ich strikt zurück." Was die Grünen für Freising aber wollen und für eine sinnvolle Alternative zum Bau der Westtangente halten, ist der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs sowie des Radwegenetzes, um dieses sicherer und benutzerfreundlicher zu gestalten. "Der Ausbau des Busverkehrs in Freising macht Sinn", betont Maguhn. Denn: Die größte Belastung des innerörtlichen Verkehrs in Freising entstünde nicht durch den Durchgangsverkehr, sondern durch den so genannten Ziel- und Quellverkehr der zwischen 70 und 80 Prozent ausmache. "Diesen Verkehr müssen wir anpacken", meint Maguhn. Und diesen könne man mit der Westtangente nicht reduzieren. Zwar könne man mit dieser eine 20-prozentige Reduktion für eineinhalb Stunden am Morgen und für eine Stunde nachmittags erreichen, mehr aber nicht. "Zu anderen Zeiten läuft der Verkehr eh' ziemlich flüssig."

Angesichts dieser relativ geringen Entlastung mindestens 75 Millionen Euro in eine Westumfahrung investieren zu müssen, lehnt Maguhn ab. Umwelt würde zerstört, da die Tangente durch das Freisinger Moos führen würde, und - so befürchtet Maguhn es zumindest - letztendlich würde die Tangente als Lastwagen-Zubringer zum Flughafen genutzt werden. Weiteres Argument des Grünen-Politikers: Der Bau neuer Straßen führt zu einer Zunahme des Straßenverkehrs. Und dieser bedeute eine "Emissions-Schleuder ersten Ranges." Für ihn wäre es im Sinne des Klimaschutzes konsequent, wenn in Freising durch den Ausbau des Stadtbussystems und einer Förderung des Radverkehrs der Straßenverkehr reduziert würde. "Dadurch würden sich die Kohlendioxid-Emissionen verringern, die Straßen entlastet und gleichzeitig viele Millionen Euro, die die Westtangente kosten würde, gespart werden", fasst Maguhn seine Argumente zusammen.

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