Soziale Kriterien spielen keine Rolle:Rechtens, aber nicht gerecht

Wenn die Stadt Straßen ausbaut, müssen die Anlieger mitzahlen. Ohne Rücklagen hat man da schnell ein Problem

Kerstin Vogel

Wenn die Stadt Freising Straßen ausbaut, dann wird das auch in Zukunft den einen oder anderen Bürger finanziell schwer belasten. Denn die Idee der SPD-Stadtratsfraktion, eine Obergrenze für die Beiträge der Anlieger einzuführen und künftig auch soziale Kriterien bei der Bemessung dieser Beiträge heranzuziehen, ist nach Lesart der Stadtverwaltung aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar. Eine große Mehrheit im Hauptausschuss hat sich dieser Auffassung am Montag angeschlossen. Treffen wird das in Zukunft wohl vor allem die Bürger in den eingemeindeten Ortsteilen.

In Freising ist die Frage, wer wie viel für den Straßenausbau zu bezahlen hat, wie in vielen anderen Städten auch durch Satzungen geregelt. Da gibt es zum einen die Erschließungsbeitragssatzung. Diese sagt im wesentlichen aus, dass die Anlieger 90 Prozent der Kosten zu tragen haben, wenn eine Straße erstmalig ausgebaut wird. Geht es dagegen um die Erneuerung einer bereits ausgebauten Straße, greift die Straßenausbaubeitragssatzung. In diesem Fall übernimmt die Stadt Freising 30 bis 80 Prozent der Kosten.

Der Streit um diese Praxis ist so richtig entbrannt, als die Stadt 2011 verkündete, die Straße Am Kirchenpoint in Achering ausbauen zu wollen. Die "Ersterschließung" dieses nur 230 Meter langen Straßenstücks sollte ursprünglich 227 000 Euro kosten und zu 90 Prozent von nur vier Anliegern bezahlt werden. Zumindest ein Betrieb, der an den Kirchenpoint angrenzt, sah sich dadurch in seiner Existenz bedroht. Zwar konnten die Kosten für den Ausbau im Laufe der Debatte auf 185 000 Euro reduziert werden - auch das aber ist eine stolze Summe, wenn man dafür in die eigene Tasche greifen muss.

Und Achering ist kein Einzelfall. Vor allem in den Freisinger Ortsteilen, die in den 70er Jahren eingemeindet wurden, gibt es viele Straßen, die früher oder später ausgebaut oder saniert werden müssen - und all diese Maßnahmen können als erstmalige Erschließungen bewertet werden, weil die Straßen von den ehemaligen Gemeinden nie abgerechnet wurden. Früher hätten die Anwohner einfach Grund dafür abgetreten und ihren Beitrag auf diese Weise geleistet, schildert SPD-Stadträtin Heidi Kammler, die in Pulling lebt. Schriftlich dokumentiert sei das aber nirgends. In Pulling gebe es deshalb gerade einmal zwei "offizielle" Straßen, alle anderen seien Anwärter für die Ersterschließung. Härtefälle seien hier vor allem deshalb zu erwarten, weil es gerade in den Dörfern auf dem Land sehr viele Anwesen mit zwar kleinen Häusern, aber dafür sehr viel Grund gebe.

Nicht viel anders sieht es wohl in Haindlfing aus, wo sich die Bürger jedoch bereits zur Wehr setzen. Hier will die Stadtverwaltung Erlauer und Gartener Straße ausbauen, weil sie Sicherheitsmängel sieht, doch die Bürger haben bereits erklärt, dass sie darauf keinen Wert legen. Vor einer Entscheidung soll nun abgewartet werden, was die laufende Zustandserfassung für das Straßennetz in Freising für die Haindlfinger Straßen ergibt. Bei der Bürgerversammlung in dem Ortsteil am 7. März dürfte das Thema noch einmal Wellen schlagen.

Doch einen Ausweg gibt es zumindest nach Auffassung der Freisinger Stadtverwaltung nicht und die stützt sich bei dieser Einschätzung immerhin auf die Experten vom Bayerischen Gemeindetag. Dort sieht man tatsächlich keine Alternativen zu Erschließungs- und Straßenausbausatzung - und auch nicht zu den Kriterien, die dort für die Berechnung der Beiträge definiert sind. Beitragsmaßstäbe können demnach nur die Grundstücksgröße sowie Art und Maß der Nutzung sein. Die von der SPD-Fraktion in einem Antrag geforderte Ergänzung um Faktoren wie den Grundstückswert, die Höhe des Nettoeinkommens, die Anzahl der Familienmitglieder und die Berücksichtigung von Minderjährigen und pflegebedürftigen Angehörigen sind nach Auskunft des Gemeindetags "kein gesetzlicher Maßstab und nach Vorgaben der Rechtssprechung nicht geeignet, Beiträge vorteilsgerecht zu bemessen".

Für Stadtjurist Gerhard Koch ist damit klar, dass es zu den Satzungen der Stadt schlicht keine Alternative gibt: "So gut der Antrag der SPD gemeint ist, er ist rechtlich nicht umsetzbar." Und was eventuelle mögliche Härten für einzelne Betroffene angeht, so hat der Gesetzgeber laut Koch ohnehin Möglichkeiten vorgesehen, diese auszugleichen: "Wir hatten aber noch keinen einzigen derartigen Fall."

Für einige Stadträte, darunter Benno Zierer (Freie Wähler) oder Ulrich Vogl (ÖDP), liegt das Problem ohnehin nicht in den Satzungen, sondern in den viel zu hohen Standards, die von der Stadt beim Straßenausbau gesetzt werden. Diese müsse man eben so weit absenken, bis die Anwohner hinter der Ausbaumaßnahmen stehen könnten, sagte Zierer - und Vogl ging noch weiter: Wenn einige Bürger Schlaglochpisten vor der Haustür haben wollten, müsse man der Verkehrssicherungspflicht eben anders genügen "und einfach Warnschilder aufstellen".

Noch einmal anders sah das Hubert Schwarzer (SPD), der im Übrigen wie auch Kammler und Zierer die von Koch vertretene Rechtsauffassung nicht als die einzig mögliche ansehen wollte: Die Stadt müsse einfach ihre Finanzen in Ordnung bringen und ihren Schuldenstand so weit senken, "dass sie in Zukunft gar keine Beitragssatzungen mehr braucht", forderte Schwarzer: "In Hallbergmoos geht das ja auch."

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