Sorge in Anglberg:Das Kraftwerk schwächelt

Anlage der GDF Suez kämpft wegen der Energiewende wirtschaftlich ums Überleben, eine Stilllegung ist aber keine Option. Bei den umstrittenen samstäglichen Zugfahrten wird es möglicherweise bleiben

Von Katharina Aurich

Sorge in Anglberg: Kraftwerk in Nöten: In Anglberg bekommt die GDF Suez die Folgen der Energiewende zu spüren.

Kraftwerk in Nöten: In Anglberg bekommt die GDF Suez die Folgen der Energiewende zu spüren.

(Foto: Marco Einfeldt)

"Wir kämpfen wirtschaftlich ums Überleben": So drastisch formuliert Werksleiter Lothar Schreiber, wenn er die Situation des GDF Suez-Kohlekraftwerks Anglberg bei Zolling beschreibt. Bereits seit zwei Jahren entrichtet das international tätige Unternehmen keine Gewerbesteuer mehr an die Gemeinde, jetzt aber hat sich die Lage offenbar zugespitzt. Gleichwohl gibt Schreiber Entwarnung: Die Situation sei hart, aber "wir sind zuversichtlich, diese Durststrecke zu überwinden".

Begründet sind die Schwierigkeiten in der Energiewende, wegen der immer weniger Strom aus dem Anglberger Kraftwerk benötigt wird. Gebraucht wird dessen Leistung allerdings immer dann, wenn aus regenerativen Quellen nicht genug Strom zur Verfügung steht. Daher muss das Kohlekraftwerk schnell einsatzbereit sein und hochgefahren werden können.

Als "systemrelevantes Kraftwerk" sorgt Anglberg dafür, dass kontinuierlich Strom im Netz zur Verfügung steht, auch dann, wenn beispielsweise die eingespeisten Mengen aus der Fotovoltaik bei schlechtem Wetter abnehmen. Diese Flexibilität, das häufige An- und wieder Herunterfahren, verursache deutlich höhere Kosten als die kontinuierliche Stromproduktion, erläutert Schreiber. Die Mehrkosten würden aber nicht durch einen höheren Strompreis ausgeglichen und entlohnt, bedauert der Kraftwerksleiter. Dennoch wolle er keine Angst machen, im Moment sei "die Beantragung einer Stilllegung des Werks keine Option". Denn nach dem vollständigen Atomausstieg werde das Kohlekraftwerk wieder mehr gebraucht, "sonst gibt es ja niemanden mehr", der konventionell Strom erzeuge, ist Schreiber optimistisch.

Im Kraftwerk Anglberg sind 125 Mitarbeiter beschäftigt, neben der Stromerzeugung aus Kohle läuft auch ein Biomasseheizkraftwerk, in dem Altholz verstromt wird. Die Abwärme geht als Fernwärme nach Freising und zum Flughafen. Dies seien kleine, verlässliche Einnahmequellen, so Schreiber. "Aber auch hier müssen wir uns anstrengen, denn der Flughafen könnte auch woanders seine Wärme beziehen."

Die momentane Devise im Werk heißt deshalb sparen, wo es geht. "Wir müssen die Kosten weiter senken und drehen bereits jede Schraube um", schildert Schreiber. Der größte Ausgabenposten des Kraftwerks sei die Beschaffung der Kohle. Daher werde geprüft, ob die Transportkosten gesenkt werden könnten. Weil Züge samstags billiger sind, hatte man einige Wochen lang die Transporte auf diesen Tag verlegt. Die Züge fuhren auf Probe - und pfiffen an den vier Bahnübergängen in Haag genauso laut wie an Wochentagen. Informiert wurde aber niemand in der Gemeinde, auch nicht Bürgermeister Anton Geier.

Zunächst hielt man es im Kraftwerk nicht für nötig, die Anwohner einzubeziehen. Als dann aber während der Bürgerversammlung in Haag in der vergangenen Woche ein Anwohner wissen wollte, warum die Züge am Samstag fahren, konnte Geier nicht antworten - und Sunita Kaczorek, im Kraftwerk zuständig für Unternehmenskommunikation, wollte nicht. Erst auf Nachfrage gab es jetzt Auskunft von der Kraftwerksleitung. Denn inzwischen haben Anwohner rund hundert Unterschriften gegen die Samstagsfahrten und das ohrenbetäubende Pfeifen gesammelt und Kraftwerksleiter Schreiber überbracht. Die Kommunikation zwischen Kraftwerk und der Nachbargemeinde solle besser werden, versprach der. Jetzt werde das Unternehmen auswerten, ob sich die Samstagsfahrten tatsächlich deutlich wirtschaftlich bemerkbar machten. Sollte dies der Fall sein, würden die Züge weiter samstags fahren und die betroffenen Bürger eingeladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation hat GDF Suez zum zweiten Mal seinen Bürgerfonds in Höhe von 30 000 Euro aufgelegt und unterstützt soziale Projekte in den Nachbargemeinden.

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