Serie: Menschen an der Isar:Der Hüter von Klein-Kanada

Isar Kaspar Fischer

Illegales Grillen, Müllhaufen, wilde Camper: Isar-Ranger Kaspar Fischer sieht den Naturschutz am Fluss gescheitert.

(Foto: Manfred Neubauer)

Ranger Kaspar Fischer wacht über die wilde Natur zwischen Bad Tölz und der Landesgrenze

Von Klaus Schieder, Lenggries

Kaspar Fischer ist gleich neben der Isar aufgewachsen. Vom Bauernhof seiner Eltern in Gaißach musste er nur die Bundesstraße Richtung Lenggries überqueren, schon war er am Ufer. Von Kindheit an liegt ihm der Fluss am Herzen. "Er ist eine wichtige Ader, die möchte man schützen, soweit es geht, und verbessern, wenn man irgendwo kann", sagt der 43-jährige Landwirt. Dies war für ihn das Motiv, sich vor drei Jahren als Isar-Ranger zu bewerben. Und der Schutz ist in diesem heißen Sommer nötiger denn je.

Mit seinem Jeep fährt er von Anfang April bis Ende Oktober durch sein Revier, das am Fluss entlang von Bad Tölz bis nach Lenggries reicht, von dort an aber vor allem das weitverzweigte Landschafts- und Naturschutzgebiet am Sylvensteinsee und an der Oberen Isar umfasst. Früher waren dort mitten in den Bergen allenfalls ein paar Jäger und Förster unterwegs. Inzwischen ist das Territorium, das Fischer liebevoll "Klein-Kanada" nennt, eine Art kostenloser Freizeitpark für Ausflügler aus dem Großraum München, die mit ihren Wohnmobilen und Kleinbussen die Einsamkeit suchen.

Zusammen mit seinem Kollegen Benedikt Hanus kontrolliert der Isar-Ranger, ob sich die Gäste an die Vorschriften in den Schutzgebieten halten: kein Grillen, kein Übernachten, kein Müll. Aber diese Grundregeln scheren kaum jemanden. "Noch nie haben wir so viele Anzeigen schreiben müssen wie heuer", sagt Fischer. Hunderte Fotos hat er in seinem Handy gespeichert: illegale Grillplätze, Fahrzeuge nächtlicher Camper, abfallübersäte Kiesbänke an der Isar. Die Aufnahmen gibt er an die zuständigen Behörden weiter, die Bayerischen Staatsforsten, das Umweltamt des Landkreises, das Wasserwirtschaftsamt. Je nach Ort und Schwere können Verstöße teuer werden. Das Bußgeld kann bis zu 25 000 Euro reichen.

Ein fanatischer Naturschützer ist Fischer nicht. Wenn eine Familie ihr Auto auf einem nicht gekennzeichneten Platz abstellt, drückt er schon mal ein Auge zu. Wichtig ist ihm die Verhältnismäßigkeit, die Balance zwischen Freizeiterholung und Naturschutz. Allerdings habe die Zahl der Besucher ein Ausmaß erreicht, das "mit dem Naturschutz fast nicht mehr vereinbar" sei, sagt er. Das liegt zum einen daran, dass im Großraum München immer mehr Menschen leben. Eine wichtige Rolle spielen zum anderen die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter, wo sich die Nutzer gegenseitig Tipps geben oder Ausflüge vereinbaren. Hinzu kommen kommerzielle Anbieter von Freizeitvergnügen - vom Canyoning bis zum Geocaching, einer Art Schnitzeljagd per GPS. Auf die Firmen, die auf ihren Internet-Seiten Naturschutz oft mit keiner Silbe erwähnen, ist der Isar-Ranger nicht gut zu sprechen: "Da wird die Natur vermarktet, aber sie gehört ihnen nicht."

Mit Flora und Fauna kannte sich der 43-jährige Gaißacher schon aus, ehe er Ranger wurde. Er hat die Fischereiprüfung abgelegt, seinen Jagdschein gemacht. Dabei habe er viel über Pflanzen, Tiere, die Zusammenhänge in der Natur gelernt, sagt er. In dem Landschafts- und Naturschutzgebiet, das er auf seiner 20-Stunden-Stelle für das Landratsamt betreut, gibt es etwa 300 Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen. In der Naturschutzwacht-Ausbildung lernte der Ranger vor allem, wie man Ausflügler anspricht, wie man sie aufklärt. "In kurzer Zeit kann man sich sonst unbeliebt machen", sagt er. Große Probleme hatte er bislang mit niemandem, auch wenn er manchmal schon um 3.30 Uhr losfährt und Camper in aller Frühe aufweckt. Lange unterhalten kann er sich nicht, dazu ist Klein-Kanada zu groß. "Viele sind froh, wenn ich wieder weg bin, andere wollen aber auch informiert werden", erzählt er.

Über die Isar, über die Welt der Tiere und Pflanzen wissen die Besucher nach seiner Erfahrung nur selten etwas. Geocacher schrecken das Wild in unberührten Waldgebieten auf, Kajakfahrer paddeln über die Laichplätze von Fischen, auf den Kiesbänken werden Vogelarten wie Flussregenpfeifer und Flussregenläufer beim Brüten gestört. Dabei stehen an vielen Stellen Informationstafeln, aber die helfen nicht viel. "Ob Brutzeit ist oder nicht, interessiert nicht, jetzt ist Partyzeit", sagt Fischer. Ginge es nach ihm, müsste der Tourismus irgendwie kanalisiert werden. Darüber mache er sich oft Gedanken, erzählt er. Vielleicht könne man an der Beschilderung etwas ändern, sicher müsse man im Internet ansetzen. "Und bei all den Anbietern, die das Ganze forcieren."

Der Isar-Ranger hängt nicht dem Glauben an "ewiges Wachstum" an. Nicht im Tourismus. Nicht in der Bebauung. An der Isar zwischen Bad Tölz und Lenggries sind Wohnhäuser und ein Gewerbegebiet nahe am Fluss errichtet worden, der dort anders als in seinen Kindheitstagen nur mehr "eine Rinne" sei, wie Fischer sagt. Die führe bloß "40 Prozent des Normalwassers". Auch darum sorgt sich der Isar-Ranger. "Mit der natürlichen Isar hat das nichts mehr zu tun."

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