SZ-Serie: Die ganze Welt in Freising:Rückkehr unmöglich

Ahmed Hassani

Ahmed Hassani ist in der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor aufgewachsen. Seit sechs Jahren wohnt er in Freising.

(Foto: Lukas Barth)

Nach seiner Promotion wollte der Getränkeforscher Ahmed Hassani eigentlich in seiner syrischen Heimat arbeiten. Doch jetzt muss er bleiben.

Von Clara Lipkowski, Freising

Aufgewachsen ist er in der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor, heute lebt er in Freising. Ahmed Hassani hat eine lange Reise hinter sich und ist gezeichnet vom Krieg und Krankenhausaufenthalten. Noch immer aber hofft er auf eine Rückkehr in die Heimat. Hassani erkrankte früh an Kinderlähmung. Die notwendige ärztliche Versorgung blieb ihm verwehrt, das Land war bereits von heftigen politischen Konflikten gezeichnet, es fehlte an Medikamenten.

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Sie haben dem Landkreis etwas mitgebracht: Menschen, die das Wissen anderer Kulturen in sich tragen. Wie sind sie oder ihre Eltern hergekommen, wie fühlen sie sich hier und wie leben sie? Davon berichten soll die SZ-Porträtserie mit dem Titel "Die ganze Welt in Freising".

Ahmed Hassanis Lähmung aber schritt immer weiter fort, bald fiel dem damals Fünfjährigen das Laufen schwer. Also machte sich sein Vater eines Tages mit dem Sohn nach Deutschland auf, in der Hoffnung, endlich mit der nötigen Therapie die Symptome zu lindern.

"Ich wollte an einer syrischen Universität lehren"

So landete Ahmed Hassani zunächst in Düsseldorf. Ein Jahr lang blieb er in der Stadt am Rhein für mehrere Operationen im Krankenhaus. Gelegenheit für ihn, Deutsch zu lernen. Mit 15 Jahren kehrte er noch einmal zurück und verbrachte den Sommer mit seiner Familie in Deutschland bei Verwandten. Inzwischen ist Hassani 41 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Deutschland, davon sechs in Freising. Nach einem Master in Stuttgart begann er in Weihenstephan an der TU eine Promotion in Getränketechnologie. Nun ist er fast fertig und plant seine Zukunft. "Als ich herkam, war mein Ziel, an einer deutschen Universität einen Titel zu bekommen." Damit habe man in Syrien eine gute Arbeit finden können, sagt Hassani. "Ich wollte gerne an einer syrischen Universität lehren, das war mein Plan A. Jetzt muss ich auf Plan B ausweichen."

Seit 2011 versinkt Syrien in einem blutigen Bürgerkrieg. In Hassanis Heimatstadt Deir ez-Zor hatten IS-Kämpfer im Januar ein Massaker mit mehr als 100 Toten angerichtet, 400 Menschen wurden verschleppt. Und auch jetzt, fünf Monate später, belagert der IS noch immer die Stadt. "Für mich ist das sehr schwer. Meine Eltern sind dort. Sie sind alt und wollen nicht weg aus der Heimat, egal was passiert." Außerdem leben seine fünf Geschwister in Syrien. Er könne aber nicht hinfahren, sagt er, weil er damit sein eigenes Leben gefährden würde. "Meine Familie sagt immer, dass es ihnen den Umständen entsprechend gut gehe. Sage ich, dass ich sie besuchen komme, wiegeln sie ab, mit den Worten, dass es viel zu gefährlich sei." Als die Nachrichten aus seiner Heimat zu schlimm wurden, hat Hassani sein Facebook-Konto deaktiviert. "Das war, um mich selbst zu schützen. Teilweise wurden wirklich schlimme Videos gepostet. Die Flut an schlechten Nachrichten wurde irgendwann einfach zu viel."

Sein Gang ist langsam und sieht beschwerlich aus. Für ihn es Normalität

Nun bleibt ihm vorerst Plan B. Hassani möchte nach der Promotion in Deutschland einen festen Job annehmen, aber sobald es geht, nach Hause zurückkehren. Trotzdem hat er sich an das Leben in Freising gewöhnt. Bald wird er nebenberuflich an der Volkshochschule Arabisch unterrichten und Kochkurse geben. Denn das typische Essen und die Geselligkeit seiner Heimat vermisse er sehr in Deutschland. In Syrien seien Verwandte und Freunde ständig spontan zusammengekommen, um stundenlang zu essen und zu reden. In Freising fehle ihm diese soziale Wärme. Aber sein Leben hier habe auch viele gute Seiten, wie er sagt. "Hier als Behinderter zu leben, ist viel leichter als in Syrien", sagt Hassani. "Fast alles ist barrierefrei und für mich dadurch gut erreichbar, so ist es in Syrien nicht." Hassani zieht bei jedem Schritt ein Bein nach. Dabei stützt er sich auf einer Seite mit einer Krücke ab. Sein Gang ist langsam und sieht beschwerlich aus, ist für ihn aber Normalität. Trotzdem ist er froh, wenn er einen Fahrstuhl nehmen kann statt einer Treppe.

"Die Krankheit ist stabil", sagt er, "aber Sport und meine Physiotherapie helfen, dass es besser wird." Frustriert ist er darüber, dass in Bayern die bürokratischen Hürden für Ausländer, einen Behindertenausweis zu bekommen, sehr groß seien. Der Ausweis ist Hassani sehr wichtig, so bekommt er Vergünstigungen, etwa im Nahverkehr. Sein Status als Behinderter hänge im Freistaat aber von seiner Aufenthaltserlaubnis ab. Anders als in Baden-Württemberg, wo er nach drei Jahren einen unbefristeten Behindertenausweis bekommen hat, muss er in Freising noch darum kämpfen. "Normalerweise reicht ein Attest vom Arzt und nach einer dreimaligen Verlängerung bekommt man einen unbefristeten Ausweis", erklärt Hassani. Durch die begrenzte Aufenthaltserlaubnis für die Dauer der Promotion, bleibt ihm der unbefristete Ausweis verwehrt, immer wieder muss er das Dokument neu beantragen. An dieser Bürokratie könne er manchmal verzweifeln, sagt er. "Das ist unmenschlich, gerade in Deutschland hatte ich gedacht, dass so mit Behinderten nicht umgegangen wird."

Wegen seines Aussehens bekommt er Ausländerfeindlichkeit kaum zu spüren

Trotzdem lebt er gerne in Freising, auch weil er mit ausländerfeindlichen Sprüchen bisher kaum Probleme gehabt habe, sagt Hassani. Aber das ändere sich aktuell. "Zwischen 2006 und September 2015 war alles in Ordnung, aber danach hat es sich geändert. Viele meiner Freunde haben etwas Schlimmes im Supermarkt oder auf der Straße erlebt." Dass er selbst kaum Probleme bekam, erklärt er damit, dass er nicht typisch arabisch aussieht. Hassani hat hellgraue Augen und dunkelblonde kurze Haare. "Aber das kann auch ein Nachteil sein", sagt er und lacht. "Einmal hatte ich eine schlechte Begegnung in einem Bus." Ein Mann habe mit ihm über die Flüchtlingssituation geredet und sich beschwert, dass die Flüchtlinge den Deutschen die Rente streitig machen würden. Da hat sich Hassani lieber nicht als Syrer zu erkennen gegeben.

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