Massive Kritik am Landratsamt:Schelte vom Bayerischen Flüchtlingsrat

Massive Kritik am Landratsamt: Der Bayerische Flüchtlingsrat rügt den Landkreis Freising dafür, dass er Arbeits- und Ausbildungsverbote für Flüchtlinge hageln lasse. Im Bild: Landrat Josef Hauner. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Bayerische Flüchtlingsrat rügt den Landkreis Freising dafür, dass er Arbeits- und Ausbildungsverbote für Flüchtlinge hageln lasse. Im Bild: Landrat Josef Hauner. (Foto: Marco Einfeldt)

Nach den Helferkreisen hat nun auch der Bayerische Flüchtlingsrat den Entzug der Arbeitserlaubnisse für viele Flüchtlinge im Landkreis gerügt. Er spricht von einem "behördlichen Bollwerk gegen die Vernunft".

Von Gudrun Regelein, Freising

Auch der Bayerische Flüchtlingsrat hat nun die Praxis des Freisinger Landratsamtes, Flüchtlingen ihre Arbeitserlaubnis zu entziehen, scharf kritisiert. In den vergangenen Wochen hatten bereits viele Helferkreise im Landkreis darauf aufmerksam gemacht, dass vom Landratsamt die Weisung des Innenministeriums, bei Menschen aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsquote die Arbeitserlaubnis abzulehnen, besonders rigoros angewendet werde. Der Landkreis Freising lasse Arbeits- und Ausbildungsverbote hageln, schrieb nun der Bayerische Flüchtlingsrats in einer Pressemitteilung am Freitag. Er bewerbe sich damit "um einen Spitzenplatz" unter den Landkreisen.

Diese Verbotspolitik habe hohe Folgekosten: Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe wendeten sich gefrustet von der Flüchtlingsintegration ab, Flüchtlinge und Ehrenamtliche fühlten sich abgelehnt und nicht respektiert. Einige Landkreise steigerten sich in "Verbotsexzesse" hinein: "Das ist keine Politik oder pragmatisches Verwaltungshandeln, das ist ein amtlicher Abwehrreflex", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Damit präsentiere sich das Landratsamt Freising als "behördliches Bollwerk gegen die Vernunft".

Der Pressesprecher des Freisinger Landratsamts weist die Vorwürfe zurück

Robert Stangl, stellvertretender Pressesprecher des Freisinger Landratsamts, weist diese Vorwürfe dagegen zurück: Grundsätzlich setze das Landratsamt zwar konsequent die Weisung der Staatsregierung durch, bei Menschen aus Ländern mit einer geringen Bleibeperspektive die Arbeitserlaubnis abzulehnen. Aber: "Wir prüfen jeden Einzelfall sorgfältig. Und wir erteilen sehr wohl Arbeits- und Ausbildungserlaubnisse auch an Flüchtlinge aus diesen Herkunftsländern", sagt der Sprecher. Stangl spricht von etwa 200 erteilten Genehmigungen.

Der Freisinger Gärtnermeister Sven Schreiber hat allerdings eine ganz andere Erfahrung gemacht: 32 343 Klicks hatte sein Facebook-Post am Freitagmittag bereits - 15 724 Mal wurde er geteilt. In dem Post erzählt Schreiber von Christopher K., einem Flüchtling aus Nigeria, der seit vergangenem September in seinem Garten- und Landschaftsbaubetrieb eine Einstiegsqualifizierung absolviert und nun eigentlich eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner beginnen sollte. Aber nicht darf: Vor etwa zwei Wochen kam ein Schreiben vom Landratsamt Freising, in dem mitgeteilt wurde, dass die Arbeitserlaubnis für Christopher mit Stichtag 16. April entzogen werde, erzählt Schreiber. Begründet wurde dies mit dem sicheren Herkunftsland Christophers und damit, dass er bei der Aufklärung seiner Identität nicht hilfreich sei. Der Nigerianer habe außer seiner Geburtsurkunde keine Papiere mehr, berichtet Schreiber. "Und von Seiten des Amtes hieß es, die Geburtsurkunde könnte gefälscht sein."

"Das ist eine Lose-lose-Situation für alle"

Er fühle sich "total vor den Kopf gestoßen" - und Christopher sei am Boden zerstört, sagt Schreiber und fügt hinzu, "ich habe selten einen so freundlichen, pünktlichen, zuverlässigen und fleißigen Mitarbeiter gehabt". Er könne auch nicht verstehen, dass Flüchtlinge auf ministerielle Anweisung hin Sozialleistungen beziehen sollen, wenn sie doch eigenes Geld verdienen könnten. Christopher müsse nun untätig gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft sitzen. "Wir wollen integrieren und dürfen das nicht", kritisiert Schreiber. "Das ist eine Lose-lose-Situation für alle."

Im Ausländeramt sei am 8. März der Antrag auf Ausbildung für Christopher K. eingegangen, berichtet Landratssprecher Robert Stangl. Dieser werde derzeit geprüft: Kriterien dabei seien die aktive Mitarbeit bei der Klärung der Identität, ein nachdrückliches Bemühen um Integration, straffreies Verhalten und eine hohe Bleibeprognose. Bislang sei die Identität von Christopher K. nicht hinreichend geklärt - "aber er hat nun noch die Möglichkeit, etwas dazu beizutragen", betont Stangl. Sven Schreiber will sich nun einen Anwalt suchen. Mit dessen Hilfe werde er gegen einen negativen Bescheid vorgehen, kündigt er an. "Ich werde das nicht einfach akzeptieren."

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