Reger Betrieb:Die Manieren gibt es nebenbei

220 Mahlzeiten am Tag gehen in der Schulmensa am Fürholzer Weg über die Theke. Das gemeinsame Essen gehört fest zum Konzept der Ganztagsklassen

Von Laura Dahmer, Neufahrn

Es ist 11.50 Uhr, das heißt in der Grundschule am Fürholzer Weg: Die Essenszeit hat begonnen, für die nächsten zwei Stunden steht reges Treiben in der Schulmensa auf dem Stundenplan. Am Abräumwagen herrscht Gewusel, Kinder schieben ihre Reste vom Teller in die dafür vorgesehene Box und stapeln ihr Geschirr. An der Essensausgabe bildet sich schon die nächste Schlange hungriger Münder. Ein Junge gibt seinem Mitschüler einen Klaps auf die Schulter: "Wir dürfen nicht vordrängeln!", erinnert er ihn, als der sich an ihm vorbei zur Ausgabe schieben will. Auch an den Tischen wird ein Zweitklässler von einer Lehrerin angewiesen, sich zu benehmen, statt mit dem Nachbarn und seinem Essen herumzualbern.

Reger Betrieb: "Nicht drängeln" ist das oberste Gebot, wenn sich die Grundschüler vor der Essensausgabe aufreihen.

"Nicht drängeln" ist das oberste Gebot, wenn sich die Grundschüler vor der Essensausgabe aufreihen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das gemeinsame Mittagessen ist fester Teil des Ganztagskonzeptes, dass die Grundschulen am Fürholzer Weg und an der Jahnstraße im vergangenen Schuljahr eingeführt haben. "Die Kinder essen von montags bis freitags bei uns in der Mensa, das ist verpflichtend. Wenn Eltern das nicht wollen, können sie ihre Kinder nicht in unserer Ganztagsklasse anmelden", erklärt Josef Eschlwech, Rektor am Fürholzer Weg. Jeden Tag gibt es ein vegetarisches und ein Fleisch- oder Fischgericht. Welches sie bekommen, suchen die Schüler nicht selbst in der Mensa aus - die Wahl wird im Voraus von den Eltern getroffen und online bestellt. Über MensaMax, ein Abrechnungssystem mit Online-Essensplan, das den Mensabetrieb an Schulen vereinfachen soll. "Für uns war es das Beste, weil wir die Eltern so schon im Voraus auf Allergene hinweisen können und wissen, wer was bestellt", begründet Dominik Treml, dessen Cateringfirma "foodvarieté" die Neufahrner Grundschule seit Beginn des Ganztagsbetriebs beliefert. Schließlich muss das Team um Treml jeden Tag 220 Mal Hunger stillen: Neben den vier ersten und zweiten Ganztagsklassen der beiden Grundschulen, mit insgesamt etwa 90 Schülern, kommt mittlerweile auch noch der Kinderhort zum Mittagessen. Und damit das möglichst schnell geht, wird die Bestellung der Kinder über einen kleinen Chip, den jeder Schüler erhält, bei der Ausgabe abgerufen. Sollten die Eltern die Online-Bestellung mal vergessen, muss ihr Schützling trotzdem nicht hungern: "Das System bestellt automatisch das vegetarische Essen vor, die Eltern müssen dann bei Bedarf quasi nur noch umbestellen", erklärt Treml das Prinzip.

Reger Betrieb: Glücklicherweise sind auch die Lehrerinnen bei der Essensausgabe dabei.

Glücklicherweise sind auch die Lehrerinnen bei der Essensausgabe dabei.

(Foto: Marco Einfeldt)

Wichtig war Eschlwech, dass die Kinder in seiner Schulmensa keine fertige Tiefkühlkost bekommen. "Beim Bau der Mensa haben wir darauf geachtet, eine Kochküche einzuplanen, und nicht bloß eine Essensausgabe", sagt der Rektor. Tremls Team kommt deshalb jeden Tag um sieben Uhr, um den Kindern ihr Essen frisch zuzubereiten. "Wir nehmen dabei viele regionale Zutaten und arbeiten mit verstecktem Gemüse", erzählt Treml. Versteckt, das heißt: Püriert in Suppen oder Saucen, oder ganz fein geschnitten im Reisgericht, um die natürliche kindliche Abneigung gegen Gemüse auszutricksen. "Ausgewogene Ernährung lag uns bei der Ausarbeitung des Konzeptes sehr am Herzen. Denn Essen gehört zum Kulturgut und dient nicht nur zum satt werden - das müssen Kinder auch erst lernen", betont Eschlwech. Schule und Caterer entwerfen den Essensplan deshalb immer gemeinsam mit einer Ökotrophologin. Gerade da gebe es öfter mal Auseinandersetzungen mit Eltern, wie der Rektor erzählt: "Die Eltern haben teilweise sehr unterschiedliche Vorstellungen von Ernährung." Er habe das Gefühl, dass viele das daheim nicht wirklich thematisieren.

Nichtsdestotrotz: Über zu wenig Andrang kann Eschlwech nicht klagen, das Angebot der Ganztagsschule wurde in beiden Schuljahren gut angenommen. "Pro Turnus gibt es immer nur eine Ganztagsklasse, mehr lassen die staatlichen Vorgaben nicht zu", kritisiert er. Seiner Meinung nach reicht das langfristig nicht aus, die Jahnschule musste in diesem Jahr schon Kinder abweisen. "Schauen Sie mal nach Skandinavien, Australien oder Asien - das Konzept der Ganztagsgrundschule wird die Zukunft sein", glaubt der Grundschulrektor. Es gebe einfach immer mehr arbeitende Eltern und Alleinerziehende, die darauf angewiesen seien, dass ihr Nachwuchs bis nachmittags untergebracht ist. Der Gedanke der Ganztagsschule ist dabei nicht etwa, dass die Schüler mehr Zeit mit Lernen verbringen. "Der Tag eines Ganztagsschülers sieht hier so aus: Um acht Uhr beginnt der Unterricht. Bis es um etwa 12 Uhr zum Mittagessen geht, ist aber auch eine musische, künstlerische oder sportliche Phase eingeplant", schildert Eschlwech. Bis 14 Uhr können die Kinder dann essen und spielen. Danach beginnt erneut eine Unterrichtsphase, in der die Kinder auch Hausaufgaben machen. Die Idee dahinter: "Wenn die Schüler dann um 15.30 Uhr nach Hause gehen, können sie direkt mit dem Spielen anfangen." Die verlängerte Betreuung birgt für die Schule deutlich mehr Organisationsaufwand als bei regulären Grundschulklassen. Für die Ganztagsschule müssen externe Kräfte hinzugeholt werden, der Beratungsbedarf für Eltern ist höher, die Einteilung der Schüler in Klassen gestaltet sich schwieriger. "Insgesamt muss sich organisatorisch noch einiges einspielen. Ich stehe aber nach wie vor voll und ganz hinter dem Konzept der Ganztagsschule", stellt Eschlwech klar.

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