Kerstin Schnapp (Grüne):Arbeitstier mit Madonna-Lächeln

Kerstin Schnapp (Grüne): Zum Interview erscheint Kerstin Schnapp, passend zur Gesinnung, in einem grünen Kleid - gekauft übrigens beim "Fairen Spaziergang" in Freising.

Zum Interview erscheint Kerstin Schnapp, passend zur Gesinnung, in einem grünen Kleid - gekauft übrigens beim "Fairen Spaziergang" in Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

Kerstin Schnapp, Grüne, ist locker im Umgang, verfolgt aber klare politische Ziele und fordert in der Politik Realismus vor Romantik.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Das Madonna-Lächeln mit dieser berühmten Zahnlücke teilen sie sich genauso wie den grünen Schal: Auf dem Flyer-Foto stehen Kerstin Schnapp, 41, und Claudia Roth dicht beieinander. Das "Grünen-Urgestein", wie Schnapp Roth nennt, hat ihren Schal mit über die Schulter der Parteikollegin geworfen. Der ebenfalls grüne Flyer mit besagtem Foto gehört Schnapp. Sie kandidiert bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Freising-Pfaffenhofen für Bündnis 90/Die Grünen. Als die zunächst nominierte Birgit Mooser-Niefanger Ende 2016 plötzlich die Partei verließ, trat Schnapp an ihre Stelle.

Nicht nur Flyer verteilt sie gerade gerne. Richtig schnell weg gehe an den Infoständen das fast 300 Seiten starke Wahlkampfprogramm der Grünen, sagt sie. Die Stückzahl, mit der man kalkuliere, reiche meist nicht aus. "Da hab ich doch gestaunt. Die Leute wollen wieder über diese Themen diskutieren."

Was sagt Schnapp über das Kohlekraftwerk in Zolling?

Etwa darüber, dass die Grünen die 20 schmutzigsten Kraftwerke sofort abschalten wollen. Was sagt Schnapp über das Kohlekraftwerk in Anglberg bei Zolling? "Ich habe es leider noch nicht selbst gesehen, aber es gehört nicht zu den schmutzigsten Kraftwerken." Was sie aber den Mitarbeitern im Hinblick darauf, dass die Grünen sämtliche Kohlekraftwerke bis 2030 abschalten wollen, sagen würde? "Das kommt darauf an: Ein Ingenieur hat immer gute Chancen, etwas Neues zu finden. Für Bergarbeiter wird es aber schwer so weiterzuarbeiten", sagt Schnapp ganz offen. "Deutschland wollte den CO2-Ausstoß bis 2020 eigentlich um 40 Prozent senken. Das ist kaum noch erreichbar. Die SPD nutzt stattdessen die Bergarbeiterromantik und fördert die Ausbildung in diesem Bereich noch. Realismus sollte dabei vor Romantik regieren."

Was sagt sie zum Stichwort faires Leben? "Ich denke, dem Bürger wird es da schwer gemacht. Die Produktauszeichnung ist unzureichend. Waren aus Kinderarbeit sollte es aber in keinem Geschäft geben", sagt Schnapp, die beim "Fairen Spaziergang" der Grünen durch die Freisinger Innenstadt kurzerhand verschwand. Mit einem knallgrünen Sommerkleid über dem Arm tauchte sie an einer Kasse wieder auf. "Hab ich mal kurz anprobiert", murmelte sie entschuldigend: "Man kann Frauen nicht in ein Bekleidungsgeschäft lassen und denken, sie kauften nichts."

Ein fairer Einkauf ist gute Publicity

Zuvor hatte sie sich in einem anderen Laden noch die Frage gefallen lassen müssen, ob sie als Grüne überhaupt selbst fair einkaufe. Klar ist es gute Publicity, dann etwas mitzunehmen. Ein Päckchen Kaffee ist schnell gekauft. Ein Kleid andererseits kauft eine Frau in der Regel nicht so leichtfertig - es muss schon gefallen und es muss passen. In dieem neuen Kleid jedoch ist Schnapp in der gleichen Woche zum Fernsehinterview sowie zum Interview mit der SZ erscheinen. Niemand will in irgendeinem Fummel ins Fernsehen oder in die Zeitung. Das Kleid scheint ihr wirklich zu gefallen. Die Farbe passend zum Wahlkampf? "Ja, eigentlich trage ich mehr Schwarz, aber im Moment habe ich eine Knallfarben-Phase", erklärt Schnapp. Sie kommt locker rüber, wenig aufgesetzt, hat aber klare Ziele.

"Inhaltsstoffe und Herkunft sollten gerade auch bei Lebensmitteln zur Kennzeichnung gehören", fordert sie. "Der Verbraucher sollte die Chance haben, zu wissen, was er da kauft. Der Bürger ist wesentlich vernünftiger als manch CSU-Politiker glaubt. Das merkt man schon im Supermarkt: Die Bio-Eier sind immer als erstes weg." Schnapp bleibt gleich beim Thema. "Wir Grünen sind generell für die Agrarwende. Dass die Böden durch die Massentierhaltung so stark mit Nitrat belastet sind, bezahlen wir alle in Form von höheren Trinkwassergebühren. Wenn wir an die Macht kämen, würden wir nicht sofort alle Ställe schließen, sondern einen Ausstiegsplan schaffen." Die Chancen ihrer Partei schätzt sie optimistisch ein: "Ich denke, wir können die Leute überzeugen und drittstärkste Kraft in Bayern werden", und warnt: "Bei Schwarz-Gelb ist der Bau der dritten Startbahn relativ sicher."

Sind Claudia Roth und Joschka Fischer ihre poltischen Ideale?

Und das Roth-Foto? Ein anderes Bild auf ihrem Flyer zeigt Schnapp Rücken an Rücken mit Joschka Fischer, beide haben die Arme verschränkt. Symbolisiert das "Packen wir's an" oder eher lässige Rückendeckung? Sind Roth und Fischer gar ihre poltischen Ideale? "Ich denke, beide sind sehr gute Politiker", antwortet sie ausweichend und lobt Roths besondere Beschlagenheit beim Thema Menschenrechte und Fischers Einsatz für Europa. Beide seien kürzlich in Pfaffenhofen gewesen, da habe man eben die Fotos gemacht. Schnapp lebt und arbeitet in Pfaffenhofen. Dort hat sie mit ihrem Lebensgefährten eine Filmproduktionsfirma. 40 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche seien es schon, sagt sie. Durch die Kandidatur arbeite sie weniger, aber an den Wochenenden ließe sich einiges wieder reinholen. Schnapp, das Arbeitstier.

Geboren ist sie in Freising. Ihr Vater war Molkereimeister in Weihenstephan, die Familie lebte in Reichertshausen. Später ging es nach Pfaffenhofen. Ihre politische Karriere begann damit, dass sie als Pfarrgemeinderatsmitglied von einer Partei ("nicht die Grünen", betont sie ) angesprochen wurde. "Das fand ich damals sehr irritierend", sagt sie. Aber ab diesem Zeitpunkt begann sie, sich mit Politik auseinanderzusetzen. "Wir haben dann in Pfaffenhofen die Grüne Jugend gegründet", erzählt Schnapp schnörkellos. "So bin ich bei den Grünen reingewachsen."

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