Raserei auf der Staatstraße 2084:Wie Russisches Roulette

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"Muss denn immer erst etwas passieren?" Die Bürger von Thalhausen haben Angst um die Sicherheit ihrer Kinder. Nun fordern sie ein Tempolimit für die Staatstraße 2084.

Sabina Dannoura

Wenn die Kinder von Klaus Lüchau morgens das Haus verlassen, um zur Bushaltestelle zu gehen, drehen sich die Gedanken des Vater darum, "ob meine Kinder heil über die Straße kommen", sagt er. Die Familie wohnt in Obertalhausen, einer kleinen Siedlung südlich der Staatsstraße 2084. Die Bushaltestelle befindet sich auf der nördlichen Straßenseite, in Thalhausen beim Forstrestaurant. Lüchau muss nun darauf vertrauen, dass seine elfjährige Tochter und sein siebenjähriger Sohn die Verkehrssituation einschätzen können und im richtigen Moment über die Fahrbahn eilen. Eine Überquerungshilfe gibt es dort nicht. Weil die Ortschaft Thalhausen am Rande der Staatsstraße liegt, ist das Tempo auch nicht auf innerörtliche 50 Stundenkilometer beschränkt, sondern nur auf 70. Doch der Familienvater will sich damit nicht abfinden: "Stoppt die Raserei durch Thalhausen" hat er eine Unterschriftensammlung überschrieben und bisher fast 200 Unterstützer hinter sich. Die Behörden, die über seinen Hilferuf zu entscheiden haben, halten jedoch weitergehende Regelungen für nicht erforderlich.

Patricia hat ihren Bruder Paul fest an der Hand: Um den Schulbus zu erreichen oder nachmittags Freunde in Thalhausen zu besuchen, müssen sie auf die andere Seite der Staatsstraße 2084 gelangen - ein ständiges Risiko. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit vielen Monaten versucht Klaus Lüchau mittlerweile, eine Reduzierung auf mindestens Tempo 60 und den Bau einer Überquerungshilfe durchzusetzen. Sein Sohn sei im vergangenen Jahr beim Queren der Staatsstraße angefahren worden, aber unverletzt geblieben. "Muss denn immer erst etwas passieren, bevor die Politik reagiert?", ärgert er sich. So wie bei dem tödlichen Unfall im August 2009 zwischen Thalhausen und Dorfacker. Danach erst sei für diese Strecke eine Geschwindigkeitsbegrenzung und ein Überholverbot angeordnet worden.

Dem Vater und den Nachbarn in Thalhausen reicht diese Konsequenz jedoch nicht. Lüchau findet, dass auch die Politiker und voran Kranzbergs Bürgermeister Robert Scholz für mehr Sicherheit in Thalhausen kämpfen müssten: "Aber nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten." Schon bei der Einweihung des Radwegs zwischen Allershausen und Freising im Juli 2008 habe Scholz festgestellt, das Überqueren der Staatsstraße gleiche "einem Russischen Roulette". Der Fahrradweg durch den Kranzberger Forst soll auch für Studenten und Beschäftigte aus Thalhausen ein Angebot sein, Freising abseits der Staatsstraße gefahrlos zu erreichen. Dafür jedoch gilt es, die viel befahrene Staatsstraße zu überqueren. Lüchau hat seinem Bürgermeister im Oktober 2009 geschrieben und diesen gelobt, weil er die Situation richtig beurteilt habe, gleichzeitig aber konkrete Aktivitäten eingefordert.

Scholz hat für die Sorgen der Anwohner Verständnis: Auch er beobachte die Situation "mit großer Sorge", zumal mit Bau der Freisinger Westtangente die Verkehrsbelastung auf der Staatsstraße zunehmen werde - heute nutzen täglich 8000 Fahrzeuge, davon 400 Lastkraftwagen, die Strecke. Weil die Gemeinde Kranzberg nicht zuständig sei, könne sie nicht direkt eingreifen, bedauert der Rathauschef und hat den Beschwerdebrief an die Straßenverkehrsbehörde im Landkreis Freising weitergeleitet. Die Pressesprecherin des Landratsamts, Eva Dörpinghaus, berichtet von "mehreren Ortsbesichtigungen " in Thalhausen mit dem Staatlichen Bauamt als Baulastträger sowie der Polizeiinspektion Freising. Am 14. Mai dieses Jahres sei angeordnet worden, die unterschiedlichen Tempo-Beschränkungen zu vereinheitlichen auf 70 Stundenkilometer: nicht nur bei Thalhausen und Dorfacker, sondern auch die 500 Meter zwischen den Orten. Den Wunsch von Anwohnern und Gemeinde, die zulässige Geschwindigkeit auf 60 Stundenkilometer zu reduzieren, hätten indes "alle Beteiligten für nicht erforderlich" gehalten, zitiert Dörpinghaus aus dem Protokoll: Bei Radarmessungen im Jahr 2009 seien nur "weit unter fünf Prozent" der Fahrzeuge beanstandet worden.

Klaus Lüchau setzt unterdessen seine im März 2010 gestartete Unterschriftensammlung fort, in der auch eine Verkehrsüberwachung im Zeitraum von mindestens zwei Wochen sowie feste Blitzanlagen gefordert werden: "Ich zweifle daran, dass die Geschwindigkeit eingehalten wird, das Überholverbot wird es jedenfalls nicht, wie ich selbst häufig beobachte". Nicht verstehen kann der Vater, dass an der Abzweigung nach Dürnast das Tempo auf 60 begrenzt ist, dies für Thalhausen aber abgelehnt wird, obwohl hier schulpflichtige Kinder die Straße überqueren müssen.

Klaus Lüchau hat deshalb jetzt nochmals einen Hilferuf an Landrat Michael Schwaiger gerichtet: "Bitte unterstützen sie mich im Ziel, die Überquerung der Staatsstraße sicherer zu machen."

© SZ vom 20.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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