Prozess in Landshut:Ehefrau belastet Angeklagten schwer

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44-Jähriger soll nicht nur die Adoptiv- sondern auch die beiden leiblichen Töchter missbraucht und geschlagen haben

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Im Prozess gegen einen 44-jährigen Mann aus Freising, der seine damals 14-jährige Adoptivtochter zwischen 2007 und 2008 sexuell missbraucht haben soll, hat die Ehefrau des Angeklagten am zweiten Hauptverhandlungstag im Landshuter Landgericht schwere Vorwürfe vorgebracht. Ihr Mann, so die Überzeugung der 46-jährigen Krankenschwester, die jetzt in Heiligenstadt lebt, habe auch seine zwei leiblichen Töchter missbraucht. Zudem habe er die Kinder geschlagen.

Kurios waren offenbar die Umstände, unter denen das Paar die Adoptivtochter, die genauso wie der Angeklagte in Kamerun geboren wurde, nach Deutschland gebracht hat. Der Angeklagte und seine Frau, die zunächst in Berlin wohnten und 1996 heirateten, bekamen 1997 ihr erstes gemeinsames Kind und holten auch die Tochter der ältesten Schwester des Angeklagten zu sich, "damit sie ein besseres Leben hat als in Kamerun", sagte die 46-Jährige in der Verhandlung aus. Sie habe die Original-Geburtsurkunde des Kindes gesehen. Diese sei aber von ihrem Mann vernichtet und durch eine neue ersetzt worden, die ihren Mann und eine Bekannte als Eltern auswies. Für die angebliche Mutter wiederum wurde eine gefälschte Todesurkunde gefertigt, um die Adoption zu erleichtern. Sie habe davon genauso gewusst wie von der falschen Vaterschaft, die sie damals sogar mit einer eidesstattlichen Versicherung bestätigt hatte, sagte die 46-Jährige. Dass sie sich damit strafbar machte, wie ihr Vorsitzender Richter Ralph Reiter vorhielt, sei ihr damals nicht bewusst gewesen.

Mit der Adoptivtochter hatte das Paar, das zudem je zwei leibliche Töchter und Söhne hat, relativ schnell Probleme. Das 1993 geborene Mädchen fasste kein Vertrauen zu den neuen Eltern, sträubte sich gegen körperliche Nähe, begann schlecht zu essen und sich zu übergeben. Eine Psychologin in Berlin habe bei einer Untersuchung festgestellt, dass das Kind wohl einen sexuellen Missbrauch gesehen oder selbst erfahren habe n müsse. Ihr Mann habe mit seiner Mutter in Kamerun telefoniert und behauptet, dass das Mädchen dort auch schon auffällig gewesen sei, sagte seine Frau in der Verhandlung aus. "Er hat ja erfolgreich verhindert, dass ich selber irgendeinen Kontakt zu seiner Familie in Afrika habe." Sie ist heute überzeugt, dass ihr Mann die Adoptivtochter schon früher missbraucht habe, obwohl die heute 21-Jährige in der Verhandlung "unter Wahrheitspflicht nur von den drei Fällen im Alter von 14 Jahren gesprochen hat", wie die beisitzende Richterin betonte: "Sie müsste es doch wissen." Sie sei sich "trotzdem sicher, dass da schon früher was war", insistierte die Mutter.

Inzwischen ist die 46-Jährige von ihrem Mann getrennt, die Scheidung läuft, sie hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Zur Trennung sei es wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Aufgabenverteilung in der Ehe gekommen, "aber auch wegen Problemen in Bezug auf die Kinder". Er sei sehr streng gewesen, vor allem zur Adoptivtochter, und habe sie auch geschlagen. Sie selbst habe nicht eingegriffen, "da bin ich nicht stolz drauf". Als das Mädchen 2008 erstmals Andeutungen bezüglich des Missbrauchs machte, ohne konkret zu werden, wollte die Mutter ebenso wenig an so etwas denken wie bei der Aussage der jüngsten, heute neunjährigen Tochter, die 2011 von einem "Geheimnis zwischen Papa und mir" berichtet haben soll. Erst 2012, als die Adoptivtochter nach der Trennung der Eltern sich ihr anvertraute, sei ihr das Ganze so langsam klar geworden - auch wenn sie sich zwischenzeitlich noch einmal ihrem Mann annäherte, bis es zum endgültigen Bruch kam. Ende 2014 berichtete dann auch die älteste leibliche Tochter ihrer Mutter, vom Vater missbraucht worden zu sein.

Der Prozess wird am 8. September fortgesetzt.

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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