Prozess  im Amtsgericht:"Internationaler Sheriff" kommt als Rechtsbeistand

64-Jähriger bedroht Gerichtsvollzieherin. Wegen versuchter Nötigung muss er jetzt sechs Monate ins Gefängnis

Von peter becker, Freising

Ein mulmiges Gefühl hat eine Gerichtsvollzieherin aus dem Landkreis beschlichen, als im Juli des vergangenen Jahres ein Mann und eine Frau in ihrem Amtszimmer auftauchten. Letztere hatte einen Bußgeldbescheid über 220 Euro offen, den sie nicht bezahlen wollte. Ein 64-jähriger Münchner bot sich ihr als "Rechtsbeistand" an. Er gab sich der Beamten gegenüber als "internationaler Sheriff" aus und warf ihr rechtswidriges Verhalten vor. Der Mann legte ihr ein Dokument mit obskurem Inhalt vor. Wenn sie dieses nicht unterschreibe, habe sie persönliche und rechtliche Konsequenzen zu tragen. Die Gerichtsvollzieherin ließ sich nicht einschüchtern und rief die Polizei. Amtsrichter Michael Geltl verurteilte den Angeklagten am Freisinger Amtsgericht an diesem Mittwoch wegen versuchter Nötigung zu sechs Monaten Gefängnis.

Es war eine ungewöhnliche Verhandlung. Zwei Polizisten und ein Wachtmeister beobachteten das Geschehen vor und im Gerichtssaal. Der Grund dafür war, dass der 64-Jährige als sogenannter Reichsbürger eingeschätzt wird. Er selbst beteuerte, die Gesetze der Bundesrepublik anzuerkennen. Deshalb habe er sich beleidigt gefühlt, als die Gerichtsvollzieherin am Telefon der Polizei schilderte, in ihrem Büro hielten sich zwei Reichsbürger auf. Dies gab er zumindest in seiner spärlichen Aussage an. Der Angeklagte wollte nicht mit seinem vollen Namen, sondern nur "als Mann Fridolin" (Name geändert) angesprochen werden. Als solcher setzte er sich schließlich erst nach gutem Zureden seines Verteidigers Wolfgang Kistler neben diesen auf die Anklagebank. "Ich nehme Platz als der Mann Fridolin", verkündete er dabei.

Zum Vorwurf selbst sagte er, er habe nur von seinem Recht als Bürger Gebrauch gemacht. Er habe seine Begleiterin darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Bußgeldbescheide durch die kommunale Verkehrsüberwachung nur dann bezahlen müsse, wenn diese ein Richter unterschrieben habe. Von der Gerichtsvollzieherin verlangte er einen Amtsausweis. Ihren Dienstausweis ignorierte er. "Den kann jede Putzfrau vorzeigen", begründete er dies. Im Übrigen sagte er zu Richter Geltl, sei er unschuldig. "Ich habe niemanden genötigt, verletzt oder getötet."

Die Gerichtsvollzieherin fühlte sich dennoch unter Druck gesetzt. Der 64-Jährige habe ihr gegenüber behauptet, als "internationaler Sheriff" dürfe er sie verhaften und als Frau sehe sie ihre Fehler ohnehin nicht ein. Ein Schriftstück, das mit "Schwur unter Eid" betitelt war, sollte sie unterschreiben. Tue sie das nicht, drohten ihr ernste Konsequenzen. Die Gerichtsvollzieherin weigerte sich. "Ich bin die Amtsperson", sagte sie resolut als Zeugin vor Gericht. Die damalige Begleiterin des Angeklagten war ebenfalls als Zeugin geladen, zeichnete sich aber durch "pathologische Erinnerungslücken" aus, wie es Richter Geltl titulierte. Sie ist bereits verurteilt.

Der Verteidiger räumte ein, dass sich sein Mandant in ein konfuses Weltbild verrannt habe, aus dem er nicht mehr herausfinde. Weil kein "empfindliches Übel" entstanden sei, beantragte er einen Freispruch. Dem widersprach Richter Geltl in seinem Urteil. Der Angeklagte und seine Begleiterin seien bei der Gerichtsvollzieherin erschienen, "um ihr auf die Füße zu treten". Sie sei mit persönlichen Konsequenzen und wegen des Verwendens des Begriffs "Reichsbürger" mit einer Strafanzeige bedroht worden. Das sei eine klassische versuchte Nötigung. Geltl fand, dass sich das Strafregister des Angeklagten wie dessen Lebensgeschichte liest. Es lässt zerbrochene Beziehungen erahnen und am Ende steht eine Insolvenz. Deshalb habe er sich in eine Fantasiewelt geflüchtet, sagte er zum Angeklagten. Als mehrfachem Bewährungsversager bleibt diesem das Gefängnis nicht erspart.

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