Protest in Eching und Neufahrn:Ziviler Ungehorsam

"Hier handelt es sich um eine Ungleichbehandlung", Gemeinderätin Irena Hirschmann spricht den Hausbesitzern aus der Seele. Die wehren sich gegen die Anordnung des Abwasserzweckverbands, Prüfungen der Kanaldichtigkeit vornehmen zu lassen.

Von Alexandra Vettori, Eching/Neufahrn

Am 21. Juni findet die nächste Sitzung des Abwasserzweckverbands Freising Süd statt. Dann dürfte auch das Thema Dichtheitsprüfungen auf der Tagesordnung stehen, zumindest im nicht öffentlichen Teil. Denn so einfach, wie man die im Herbst 2014 begonnen Dichtheitsprüfungen über die Bühnen zu bringen dachte, wird es nicht werden. Dem Vernehmen nach gibt es in Unterschleißheim, wo die Prüfungen starteten, einige Hundert Hausbesitzer, die sich einfach weigern. Gut möglich, dass der zivile Ungehorsam in Eching und Neufahrn Schule macht.

Betroffene Hausbesitzer aus den drei im Abwasserverband vertretenen Kommunen Neufahrn, Eching und Unterschleißheim haben jedenfalls begonnen, sich zu vernetzen. Was sie aufbringt: Der Turnus der Dichtheitsprüfungen ist, je nach Stadt und Abwasserentsorger selbst in der Münchner Region sehr unterschiedlich (wir haben berichtet). Während der Abwasserzweckverband Freising Süd sie alle zehn Jahre durchführen will, gelten anderswo Zeiträume zwischen 20 und 30 Jahren. Durchführen lassen müssen die Prüfungen die Hausbesitzer, ebenso wie die Reparaturen von Schäden. Das kann teuer werden, in Unterschleißheim fielen teilweise Rechnungen über 9000 Euro an. Zwei Verbandsräte haben bereits angekündigt, auf eine Änderung der Satzung mit großzügigeren Zeiträumen zu drängen: Michaela Holzer, Gemeinderätin aus Eching und Harald Printz aus Neufahrn.

"Das trifft ja gerade auch ältere Besitzer von alten Häusern"

Von ihren Gemeinden fühlen sich die Betroffenen im Stich gelassen. "Ich habe mich massiv geärgert, dass wir als Echinger Bürger vorher nicht informiert wurden, auch bei keiner Bürgerversammlung", kritisierte Klaus-Dieter Röfer, der früher den Bürgern für Eching angehörte. Angesichts dessen, dass dort, wo Schäden festgestellt würden, durchaus hohe Kosten auf die Hausbesitzer zukämen, wäre eine offizielle Information angesagt gewesen, findet er. Auch dass es keine Härtefallregelung gibt, hält er für zweifelhaft. "Das trifft ja gerade auch ältere Besitzer von alten Häusern", so Röfer.

Er kritisiert eine Salami-Taktik des Abwasserzweckverbands, Hausbesitzer würden abschnittsweise angeschrieben, das offizielle Schreiben mit Androhung von Geldbußen bis 5000 Euro bei Weigerung verfehle gerade bei älteren Menschen nicht seine Wirkung. Die Strategie der Intransparenz sei gewollt, ist er überzeugt, um unangenehme Fragen und eine öffentliche Diskussion zu verhindern.

Paul Zirngibl aus Unterschleißheim hat sich tief in die Materie eingearbeitet

Dabei gibt es, abgesehen von den willkürlichen Festsetzungen bei der Häufigkeit der Dichtheitsprüfungen, durchaus auch generelle Zweifel am Sinn der Prüfungen. Paul Zirngibl aus Unterschleißheim hat sich tief in die Materie eingearbeitet. Schon 2014, als er und andere Anwohner der Kiefernstraße in Unterschleißheim die Aufforderung zur Dichtheitsprüfung erhielten, hat man dort mit einer Unterschriftenliste protestiert. Auch Stadträte hat er damals angesprochen, "das hat aber niemanden interessiert, es hat sich jedenfalls keine Partei gefunden, die die Satzung ändern wollte." Zirngibl beruft sich bei seiner Kritik nicht nur auf die Deutsche Industrienorm, die einen Kanal-Prüfungszeitraum zwischen 20 und 30 Jahre festlegt. Auch die vom bayerischen Innenministerium vorgeschlagene Mustersatzung gehe von 20 Jahren aus. Wie Zirngibl herausgefunden hat, gibt es in neun Bundesländern gar keine wiederkehrenden Dichtheitsprüfungen. Ihn wundert das nicht, gibt es doch einige Argumente gegen eine Prüfung ohne Verdacht.

So sprechen diverse Fachleute von einem geringen Gefährdungspotenzial privater Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzgebieten. Auch Irena Hirschmann, Gemeinderätin der Bürger für Eching, hat sich in die Reihen der Prüfungskritiker eingegliedert: "Wir sind ganz bestimmt nicht gegen Umwelt- und Grundwasserschutz. Aber hier handelt es sich um eine nicht akzeptable Ungleichbehandlung." Angesichts des Desinteresses in den Gemeinde- und Stadträten der drei Mitgliedskommunen bleibe nichts anderes, als jetzt mit dem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen, um den Druck auf den Zweckverband zu erhöhen.

Kommentar: Zweifel sind erlaubt

Muss man Kanäle von Privatgrundstücken wirklich alle zehn Jahre auf ihre Dichtigkeit prüfen?

Von Alexandra Vettori

Gut, die Prüfung der Abwasserkanäle ist bezahlbar. Je nach Länge fallen für Hausbesitzer 80 bis 300 Euro an. Wird aber ein Schaden gefunden, kann es teuer werden, Prognosen in Eching gehen von bis zu 10 000 Euro aus. Trotzdem gibt es auch bei der Sanierung an sich wenig zu deuteln, ein dichter Kanal und damit der Schutz des Grundwassers ist im Sinne aller. Wirklich aller? Oder eher im Sinne der ausführenden Firmen, die in den Genuss einer Art kommunaler Wirtschaftsförderung kommen? Zweifel sind erlaubt.

Denn warum soll die Dichtigkeit des Kanalnetzes in der Millionenstadt München nur alle 20 Jahre überprüft werden, in Eching aber im Zehn-Jahres-Turnus? Warum müssen Hausbesitzer in Berlin, Bremen oder Hessen ihre Kanäle ohne Schadensverdacht gar nicht prüfen? Warum gibt es Fachleute, die private Abwässer so ungefährlich finden, dass sie außerhalb von Wasserschutzgebieten die Dichtheitsprüfungen ohne Verdacht für unnötig halten?

Fragen wie diese hätten viele Hausbesitzer gerne mit ihren Bürgermeistern und dem Zweckverband diskutiert, konnten es aber nicht, weil sie vorab nichts erfuhren. Die Aufforderungen zur Prüfung wurden einfach verschickt, mal in diese Straße, mal in jene. Was die erste Runde der Prüfungen anbelangt, ist der Zug abgefahren, aus Gründen der Gleichbehandlung werden die Hausbesitzer in Eching und Neufahrn nicht darum herum kommen. Doch die Verbandsräte sollten sich fragen, ob ausgerechnet in ihrem Versorgungsgebiet mit dem niedrigen Grundwasserstand ein so hohes Gefährdungspotential herrscht, dass alle zehn Jahre geprüft werden muss. Und in einem Punkt können die Bürgermeister auch noch nachbessern: Für offene Informationen ist es nicht zu spät.

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