Projektsprecher Helmut Hoof:"Das ,Wir' muss wieder in den Mittelpunkt rücken"

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Laut Helmut Hoof werden derzeit Gespräche mit den Stadtwerken zur Optimierung der innerstädtischen Buslinien geführt. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Sprecher der Projektgruppe Senioren im Freisinger Agenda-Beirat, über die Anforderungen einer alternden Gesellschaft. Ältere Menschen müssten sich wieder ihrer Selbsthilfekräfte besinnen und bürgerschaftliches Engagement zeigen

Interview von Alexandra Vettori, Freising

In der Stadt Freising sind jüngst die ersten Zertifikate für seniorenfreundliche Geschäfte ausgestellt worden. Doch damit ist es natürlich nicht getan. Der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmittel, neue Wohnformen - die alternde Gesellschaft stellt viele Anforderungen. Helmut Hoof, Sprecher der Projektgruppe Senioren im Freisinger Agenda-Beirat, arbeitet daran und hat der Freisinger SZ erklärt, wie es weitergehen soll und was er und seine Mitstreiter weiter planen.

SZ: Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn sich der Anteil der Alten erhöht?

Hoof: Der demografische Wandel bedeutet, das sich die Lebensphase "Alter" ändert. Wir werden eine gesunde, ältere Gesellschaft. Früher sprach man von den Risiken, heute von den Potenzialen des Alterns. Die Gruppe junger Menschen wird weniger und steht der immer größer werdenden Gruppe älterer Menschen, die Hilfe benötigen, gegenüber. Daher ist es wichtig, dass sich ältere Menschen auf ihre Selbsthilfekräfte besinnen und bürgerschaftliches Engagement zeigen. Das gibt es vielerorts auch schon, weil sich gerade ältere Menschen ehrenamtlich engagieren und Freizeitangebote, Einkaufshilfen und dergleichen organisieren. Ein großes Problem wird künftig allerdings die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung vor allem im ländlichen Bereich sein. Hier ist die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik gefordert.

Welche Alltagsprobleme von Senioren erleben Sie bei Ihrer Arbeit?

Die Probleme der Seniorinnen und Senioren sind vielfältig. Angefangen von der niedrigen Rente, fehlendem barrierefreien Wohnungsraum, hohe Mieten, bis hin zu fehlender Nahversorgung, einem mangelnden Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), insbesondere bei Mobilitätseinschränkungen, und die Vereinsamung.

Die Stadt Freising erstellt gerade ein seniorenpolitisches Konzept, der Landkreis hat es auch getan. Was steht da drin?

Der Landkreis Freising hat bereits im Oktober 2012 ein "Seniorenpolitisches Gesamtkonzept" verabschiedet. Viele Maßnahmen und Empfehlungen fallen in die Zuständigkeit des Landkreises, der Städte, Märkte und Gemeinden. Umgesetzt hat der Landkreis bis jetzt die "Wohnberatung". In Kürze startet die alternative Wohnform für Jung und Alt "Wohnen für Hilfe", zu diesem generationsübergreifenden Projekt hat unsere Projektgruppe den entscheidenden Impuls gegeben. Für die Stadt Freising wird derzeit ein "Seniorenpolitisches Gesamtkonzept" erarbeitet. Ich gehe davon aus, dass der Entwurf in den nächsten Tagen fertig gestellt sein wird. Nach Beratung und Beschlussfassung durch den Stadtrat wird es auch der Presse und somit der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Situation der Senioren in Städten und auf dem Land unterscheidet sich, auch im Landkreis. Wie?

Auf dem Land ist nach meinen Beobachtungen der Familien- und nachbarschaftliche Zusammenhalt ausgeprägter. Demgegenüber steht die bessere Nahversorgung und medizinische Versorgung in der Stadt. Auch die Nutzung des ÖPNV ist in der Stadt besser als auf dem Land. Zudem hat die Stadtbevölkerung ein besseres Veranstaltungsangebot.

Sehen Sie Möglichkeiten, Senioren wieder mehr in das Alltagsleben zu integrieren?

Aktuellen Umfragen zufolge ist ein Drittel der älteren Menschen ehrenamtlich engagiert, ein Drittel möchte nicht und ein Drittel weiß nicht, wo und wie. Für Unentschlossene hat die Stadt Freising den "Treffpunkt Ehrenamt" eingerichtet. Er vermittelt Menschen, die sich engagieren möchten, an Menschen und Organisationen, die Hilfe brauchen. Freiwilliges Engagement macht Spaß, bringt Anerkennung und Bestätigung. Man kann unbekannte Bereiche und andere Menschen kennen lernen, seine sozialen Kompetenzen entwickeln und vielleicht auch neue Fähigkeiten an sich entdecken. Allein in Freising gibt es 150 Möglichkeiten sich zu engagieren, und noch mehr Ideen, die darauf warten, verwirklicht zu werden.

Was plant die Senioren-Projektgruppe als nächstes?

Wir führen derzeit Gespräche mit den Stadtwerken zur Optimierung der innerstädtischen Buslinien und planen gemeinsam mit den Stadtwerken und der Caritas die Aktion "Busbegleitung für mobilitätseingeschränkte Personen". Für September bereiten wir ein Konzert für Seniorinnen und Senioren vor.

Wenn Sie sich eine ideale Gesellschaft, auch für Senioren, vorstellen, wie sähe die aus?

Ich wünsche mir, dass gerade wegen der demografischen Entwicklung das "Wir" anstelle der Profitorientierung in den Mittelpunkt rückt und "Familie" und "Nachbarschaft" wieder mehr gelebt werden, weil sie die wichtigsten Faktoren zur Gestaltung und Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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