Hartmut Binner:Sprecher der Startbahngegner hört auf

Demo gegen dritte Startbahn

Hartmut Binner ist immer zur Stelle, um gegen die Ausbaupläne des Flughafens zu protestieren - doch seine Gesundheit macht das nicht mehr lange mit.

(Foto: Lukas Barth)

Hartmut Binner tritt als Sprecher der Startbahngegner zurück. Doch was wird aus seinem Kampf gegen die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen?

Von Johann Kirchberger, Freising

In Wackersdorf stand er noch auf der Gegenseite, schützte den Bauzaun vor Demonstranten. Hartmut Binner war Polizist, "Staatsdiener", wie er sagt. 42 Jahre lang stand er loyal zu seinem Arbeitgeber. Heute, mit 78 Jahren, gilt er als Revoluzzer, als Spitze des Widerstands gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn im Erdinger Moos, kämpft leidenschaftlich gegen dieses "menschenverachtende Projekt", protestiert bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Mächtigen des Freistaats. Aber immer mit legalen Mitteln, darauf ist er stolz.

Während seines elfjährigen Engagements für das Aktionsbündnis "Aufgemuckt" sei es bei Demonstrationen nie zu Sachbeschädigungen gekommen. Er habe stets darauf geachtet, dass der Widerstand gewaltfrei blieb, er war ja einmal Polizist. Und irgendwie bleibt man das sein Leben lang, sagt er. Geändert habe er nur seine politischen Anschauungen. Er sei einmal CSU-Wähler gewesen, eine Partei, die er nie mehr wählen würde, wie er bekennt.

Binner arbeitete beim Landeskriminalamt, zuletzt war er 1. Kriminalhauptkommissar

Binner wurde 1938 in Freiburg geboren, wuchs in Freising auf und meldete sich mit 19 Jahren zur Polizei. 14 Jahre lang arbeitete er in Eichstätt, dann wurde er ins Landeskriminalamt nach München versetzt, zuletzt war er 1. Kriminalhauptkommissar. Im Freisinger Ortsteil Seilerbrückl baute er 1981 ein Haus, nachdem er sicher war, dass von den einmal geplanten vier Startbahnen nur zwei gebaut würden. Deshalb sei er auch richtig wütend geworden, als er 2005 von den Plänen für eine dritte Startbahn erfahren habe. Binner besuchte eine Protestveranstaltung in Attaching, gründete eine Bürgerinitiative.

Als sich der Widerstand im Aktionsbündnis "Aufgemuckt" vereinte, war er dabei, wurde aufgrund seines couragierten Auftretens in den Sprecherrat gewählt. Eine Aufgabe, für die er sich nicht beworben habe, sie sei ihm "irgendwie zugelaufen".

Stets mit einem Schild am Straßenrand

Schnell wurde Binner zur Symbolfigur der Startbahngegner, zum "Herz des Widerstands", wie ihn seine Mitkämpfer bezeichnen. Unzählige Demonstrationen - einmal zogen 18 000 Menschen durch München - führte er an, trat als Redner auf und war schon wegen seiner stattlichen Figur und seiner Pelzmütze nie zu übersehen. Alle vier Wochen nimmt er an den Schweigemärschen durch die Freisinger Innenstadt teil. Wenn irgendwo im Landkreis Freising ein prominenter CSU-Politiker auftaucht, war und ist Binner mit seinen Getreuen zur Stelle, um mit Trillerpfeifen und Transparenten gegen die Ausbaupläne des Flughafens zu protestieren.

Auch bei den Klausurtagungen der CSU in Kreuth stand Binner stets mit einem Schild am Straßenrand. Immer bereit, in den Dialog mit den Mächtigen des Freistaats einzutreten. Bisher, denn vor einigen Wochen in der Ortschaft Helfenbrunn, als Markus Söder mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam, verweigerte er ihm den Handschlag. Und reden wollte er auch nicht mehr mit dem "Heimatzerstörer". Es sei zwecklos, sagte er, und es sei alles gesagt.

Binner hört aus gesundheitlichen Gründen auf

Sein Sprecheramt hat Binner am Mittwoch bei einer Mitgliederversammlung von "Aufgemuckt" abgegeben - aus gesundheitlichen Gründen, nicht etwa weil er resigniert hätte. Seine Ärzte hätten ihm dringend geraten, kürzer zu treten, weil sich sein Körper selbst nach Reha-Maßnahmen nicht erholt habe. Er werde aber weiter gegen die dritte Startbahn kämpfen, versichert er, leidenschaftlich und engagiert, auch wenn er nicht mehr in der ersten Reihe stehe. Er mache das für seine drei Kinder und vier Enkel, und für den Erhalt seiner Heimat. Und er sei heute zuversichtlicher denn je, dass die dritte Startbahn nicht gebaut werde.

Die vielen Rückschläge im Abwehrkampf hätten ihn nicht mürbe gemacht, sagt Binner. Dass der Planfeststellungsbeschluss nicht verhindert werden konnte, die verlorenen Prozesse oder jüngst das Umschwenken von Ministerpräsident Seehofer, das alles habe den Widerstand nur gestärkt. Schließlich habe es ja auch Erfolgserlebnisse gegeben. Das Schönste sei für ihn die Aktion "Occupy Staatskanzlei" gewesen, bei denen man drei Tage lang vor der Staatskanzlei gezeltet habe. Oder als nach der Urteilsverkündung im Verwaltungsgerichtshof alle Zuhörer im Saal die Bayernhymne gesungen hätten. Und natürlich der Bürgerentscheid in München, bei dem sich eine klare Mehrheit gegen den Bau ausgesprochen hat.

Wenn die Bagger anrollen, kann er sich "grenzwertige Aktionen" vorstellen

Ein "Faustpfand" sei das, mit dem die Pläne der Flughafengesellschaft blockiert werden können. Und wenn es doch anders kommt und eines Tages die Bagger anrollen? Dann könne er sich auch "grenzwertige Aktionen" vorstellen, sagt Binner, "mit denen man nicht gleich ins Gefängnis kommt". Notfalls würde er sich auch anketten, den Baum dafür in Schwaigermoos habe er sich schon ausgesucht. Aber dazu wird es hoffentlich nicht kommen, sagt der "Aufgemuckte", der dankbar dafür ist, in einem Land leben zu dürfen, in dem man gegen den Staat kämpfen kann, ohne Sanktionen zu befürchten. Alle seine Briefe beendet Binner mit dem gleichen Spruch, den er einst in Wackerdorf gehört hat: "Nicht betteln, nicht bitten! Nur mutig gestritten! Es kämpft sich nicht schlecht für Heimat, Schöpfung und Recht!"

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