Problem Windkraftanlagen:Zu hohe Hürden

Die neue Abstandsregelung macht den Bau weiterer Windräder im Landkreis nahezu unmöglich. Fraglich ist auch, ob zumindest die Anlagen errichtet werden können, für die bereits das Genehmigungsverfahren läuft

Petra Schnirch

Wenigstens vier bis fünf Windräder im Landkreis wären sinnvoll, sagt Martin Hillebrand, Vorstandsmitglied der Bürger-Energiegenossenschaft Freisinger Land. Bisher gibt es eines - und mehr werden es vorerst womöglich auch nicht werden, da die Staatsregierung den Mindestabstand zu Siedlungen deutlich vergrößern will. Sechs Vorhaben in den Gemeinden Kranzberg, Nandlstadt und Rudelzhausen, die das Landratsamt bisher für genehmigungsfähig hielt, stehen deshalb auf der Kippe. Denn der Ministerrat beschloss, dass die alte Rechtslage nur noch für solche Projekte gelten soll, für die bis zum Stichtag 4. Februar ein vollständiger Antrag auf bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestellt wurde.

In allen sechs Freisinger Fällen - insgesamt gab es 16 Anfragen - handelt es sich nicht um klassische Genehmigungs-, sondern um Vorbescheidsanträge, um einzelne Voraussetzungen vorab verbindlich zu prüfen. Am Stichtag selbst ging nach Auskunft des Landratsamts noch ein Antrag für zwei Anlagen in der Gemeinde Fahrenzhausen ein. Die Unterlagen waren jedoch noch nicht vollständig. Den von Ministerpräsident Horst Seehofer ins Spiel gebrachten Abstand von zwei Kilometern bei modernen, 200 hohen Anlagen - das Zehnfache ihrer Höhe - erfüllt keines der Windräder. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn es keine Konflikte mit Anwohnern gibt. Das bisher einzige Windrad im Landkreis bei Johanneck in der Gemeinde Paunzhausen, das seit Januar im Normalbetrieb läuft, hätte bei solchen Vorgaben keine Chance auf Genehmigung gehabt - 400 Einwendungen waren gegen den Bau eingegangen.

Schon bisher war es im Landkreis schwer genug, geeignete Standorte zu finden. Die Deutsche Flugsicherung stellte Ende 2013 klar, dass um die Radar- und Funkanlagen des Flughafens ein Sicherheitsabstand von 15 Kilometer erforderlich ist. Hallbergmoos legte seine Windkraft-Pläne daraufhin ad acta. Weiteres Hindernis ist die Radaranlage der Bundeswehr in Haindlfing nördlich von Freising. Hinzu kommt die dichte Besiedelung. Schon bei einem Mindestabstand von 800 Meter "wird es knapp", sagt Hillebrand.

Überflüssig werden mit der neuen Regelung auch die Konzentrationsflächen, die mehrere Gemeinden bereits ausgewiesen haben, um die Errichtung von Windrädern steuern zu können. Verärgert ist Fahrenzhausens Bürgermeister Rudi Jengkofer (CSU) dennoch nicht, dass sich die Gemeinde so viel Arbeit damit gemacht hat, drei potenzielle Gebiete für den Bau von Windrädern auszuweisen, und dabei auf erheblichen Widerstand in der Ortschaft Lauterbach und auch beim Nachbarn Kranzberg stieß. Etwa ein Jahr lang dauerte das Verfahren, im Sommer 2013 war es abgeschlossen. Vergeblich war das Procedere laut Jengkofer nicht. Denn während des Genehmigungsprozesses bekundeten mehrere Investoren Interesse an Standorten, die zum Teil nur 500 Meter von den nächsten Wohnhäusern entfernt lagen. Solche Anfragen konnten mit Verweis auf das Verfahren abgeblockt werde. "Das war der einzig richtige Weg", sagt Jengkofer deshalb, "obwohl eine Ortschaft komplett dagegen war". Die Fahrenzhauser Gemeinderäte legten sich auf einen Abstand von 900 Meter zu Siedlungen und 700 Meter zu einzelnen Anwesen fest. Größere Distanzen waren nicht möglich - sonst wäre der Gemeinde von staatlicher Seite unterstellt worden, dass sie eine Negativplanung betreibe, also Windräder verhindern wolle. Doch nun macht der Staat selbst genau dies.

Auch Bürgermeister Konrad Schickaneder (CSU) hadert nicht mit Seehofers Abstandsregelung, obwohl sich Rudelzhausen als erste Gemeinde im Landkreis die Mühe gemacht hat, drei Konzentrationsflächen auszuweisen. Sie sind seit November 2012 genehmigt. Dadurch habe man "Ruhe reingekriegt" in die Diskussion, sagt Schickaneder. Zwei Investoren würden in Rudelzhausen gerne bauen und scheitern womöglich am vorgegebenen Stichtag. Ein Dritter versucht derzeit, ein Projekt bei Hemmersdorf nach einem ablehnenden Bescheid gerichtlich durchzusetzen.

Hohenkammer hatte sich, wie Au, ebenfalls auf Konzentrationsflächen geeinigt - und es gab keinerlei Widerstand, wie Bürgermeister Johann Stegmair (CSU) betont. Dennoch kann er dem aktuellen Vorstoß der Staatsregierung etwas gewinnen. Es sei vielleicht gar nicht so schlecht, dass man noch einmal überlegen müsse, wie man sich für die Energiewende insgesamt aufstellen sollte. Man könne nicht einfach alles zubauen, sagt Stegmair und verweist auch auf das Problem der produzierten Stromspitzen, die nicht gebraucht würden, und der unrentablen, weil nicht ausgelasteten Kraftwerke, die als Reserve vorgehalten werden müssten. Hillebrand dagegen bedauert es, dass die Staatsregierung die Hürden für die Windkraft so hoch legt. Er erinnert daran, dass sich der Landkreis bis 2035 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energie versorgen will, dafür aber sei ein vernünftiger Mix notwendig.

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