Positive Erfahrungen in der Pilotphase:Wissen, wie Deutschland tickt

In Landshut erklären Juristen Flüchtlingen das Rechtssystem. Die Kurse sollen auch im Landkreis Freising angeboten werden

Von Petra Schnirch, Landshut/Freising

Für Jihan Jehjah waren die drei Stunden sehr interessant. Sie hätten ihr ermöglicht, besser zu verstehen, "welche Regeln es in der deutschen Gesellschaft gibt", erzählt die Asylbewerberin aus Syrien. Beeindruckt habe sie auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die sie dort erlebt habe. Sie ist eine von bisher 238 Teilnehmern, die den Kurs "Rechtsbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber" besucht haben. Jehjahs Schulung leiteten eine Richterin und ein Staatsanwalt.

Bis Ende August bot das Landgericht Landshut insgesamt 16 Unterrichtseinheiten mit je maximal 20 Teilnehmern an, wie Präsident Heinz-Peter Mair am Mittwoch bei einem Pressegespräch bilanziert. Bisher fanden sie überwiegend in Landshut statt, in den kommenden Monaten sind aber auch etwa 15 Kurse in den Landkreisen Freising und Erding geplant. Das Besondere an dem Angebot: Es sind Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger, die Asylbewerbern und Flüchtlingen anhand konkreter Beispiele aus der täglichen Praxis das deutsche Rechtssystem und die Demokratie näher bringen. Die Themen reichen vom Waffenrecht, über Notwehr bis hin zu Handyverträgen und orientieren sich an den Fragen der Teilnehmer. Auch ein Dolmetscher ist dabei.

Die Pilotphase startete in Landshut im Februar, das eigentliche Projekt nach positiven Erfahrungen Anfang Juli. 37 Juristen wirken daran bisher im Landgerichtsbezirk mit, auch die Landshuter Richterin Daniela Seimel zählt dazu. Der Unterricht stoße bei Asylbewerbern und Flüchtlingen auf großes Interesse, berichtet sie. Die Fragen unterschieden sich, je nach Herkunftsland. Vor allem bei den Eritreern spüre sie große Zweifel am Funktionieren eines Rechtsstaats und einer unabhängigen Justiz. Hier sei es die Aufgabe der Referenten, dieses Bild zu "glätten". Am meisten überrascht habe sie die Frage eines Teilnehmers, ob er eine zweite Frau heiraten dürfe, erzählt sie und lacht. Erstaunt habe sie aber auch die Angst vieler Familien vor dem Jugendamt.

Für Landgerichtspräsident Mair sind die Kurse ein "Baustein" zur Integration der Asylbewerber, die Justiz leiste einen Beitrag dazu. Er geht davon aus, dass das Projekt 2017 fortgesetzt werden kann, Initiator ist Bayerns Justizminister Winfried Bausback. Für Niederbayerns Regierungspräsident Heinz Grunwald ist es wichtig, "schnell und niederschwellig" einen Zugang zu den Menschen zu finden, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommen sind. Die Rechtsbildungskurse begrüßt er. "Wir müssen den Menschen, die zu uns kommen, erklären, wie Deutschland tickt." Das sei nicht einfach zu vermitteln, schon gar nicht für Leute, die aus ganz anderen Kulturkreisen stammen.

Das Feedback der Teilnehmer sei bisher ausnahmslos positiv, berichtet Aziz Bouabe. Er hat in den Kursen übersetzt und mit vielen gesprochen. Bouabe ist überzeugt, dass der Unterricht dazu beiträgt, Loyalität gegenüber dem Staat zu entwickeln. "Sie sehen, dass Rechtsstaatlichkeit hier gelebt wird", aber auch welche Konsequenzen Straftaten haben. Und ihnen gefalle, dass die Referenten Richter und Staatsanwälte sind, die aus der Praxis berichten können.

Im Landkreis können sich Helferkreise oder Organisationen, die solche Kurse anbieten wollen, an das Amtsgericht in Freising wenden. Falls die Juristen dort die Nachfrage nicht decken können, springen laut Mair Landshuter Kollegen ein. Richterin Seimel würde es befürworten, wenn das Angebot ausgedehnt würde, drei Stunden seien doch sehr wenig, sagt sie. Auch Mair könnte sich das bei entsprechendem Interesse vorstellen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: