Plus-Festival am Vöttinger Weiher:Erst feiern, dann trauern

Plus-Festival am Vöttinger Weiher: Feiern, tanzen, trauern: Das Publikum beim letzten PLUS Festival am Vöttinger Weiher.

Feiern, tanzen, trauern: Das Publikum beim letzten PLUS Festival am Vöttinger Weiher.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mit dem 22. Plus-Festival geht eine Ära zu Ende. Die Fans, aber auch Bands wie Blumentopf bedauern das - und drehen noch einmal so richtig auf.

Von Anne Gerstenberg, Freising

Das 22. Plus-Festival in Freising ist vorbei, und für viele endet damit eine Ära. "Das Plus gehört für mich zu Freising", sagt eine Helferin. Wo und wie es mit dem Open Air weitergeht, ist unklar. Am letzten Festivaltag des "Prima Leben und Stereo" am Vöttinger Weiher merkt man davon aber noch nicht allzu viel.

Es wird noch einmal gefeiert, als gäbe es kein morgen. Viele Helfer und Festivalbesucher sind seit vielen Jahren dabei. "Ich bin mit dem Festival aufgewachsen und hier jedes Jahr ein Jahr älter geworden", sagt der 29-jährige Manuel Glück. Nach dem Konzert "werde ich wahrscheinlich weinend in mein Zelt gehen. Aber davon will ich jetzt noch nichts wissen. Jetzt will ich erst mal den letzten Abend genießen. Dass es vorbei ist, weiß ich dann morgen wieder".

Damit spricht er vielen aus der Seele. Ein bisschen merkt man am Samstag auch, dass der dunkle Schatten, der da am Horizont hängt, die Unbeschwertheit nimmt.

Plus-Festival am Vöttinger Weiher: Seifenblasen statt Schlammbad: Eine Festivalbesucherin sorgt für Regenbogenimpressionen.

Seifenblasen statt Schlammbad: Eine Festivalbesucherin sorgt für Regenbogenimpressionen.

(Foto: Marco Einfeldt)

"Das Plus ist für mich das Festival des Jahres", sagt Lena Nieder, die selber seit zwölf Jahren als Helferin dabei ist, "Hier hat man jedes Jahr alle alten Freunde wieder getroffen. Wir sind eine echte Helfergemeinschaft. Das geht jetzt alles verloren. Wir hoffen alle, dass es irgendwie weitergehen kann, aber es wäre nicht mehr das Gleiche."

Als die großen Live-Acts losgehen, strömen aus allen Ecken die Besucher zum Festivalgelände. Die große Wiese füllt sich bis in die letzten Ecken und alle warten gespannt auf die Orsons. Die fragen gleich zu Beginn: "Freising! Wie geil ist das Leben auf einer Skala von eins bis zehn? " und die Menge antwortet lautstark: "Zehn!". Dann spülen die Orsons die Menge für schöne anderthalb Stunden weg. Weg in eine Welt des unbeschwerten Feierns, in der das bevorstehende Ende des Festivals, zumindest am Vöttinger Weiher, fast vergessen ist.

Mit einer Entschuldigung an die Security-Leute fordern die Orsons die Leute auf, zu ihrem Lied Ventilator wild mit den Armen um sich zu schlagen - und die Menge ist begeistert. Zu "Tornadowarnung" machen die Männer sogar die Oberkörper frei und schleudern ihre Shirts tornadogleich wild in der Luft herum.

Blumentopf und Texta präsentieren auf dem Plus als TNT zum ersten und einzigen Mal live ihr gemeinsames Album "#HMLR". Blumentopf verbindet mit Freising und dem Festival eine lange Geschichte. In der Nähe von Freising vor mehr als 20 Jahren gegründet, sind Blumentopf schon vier Mal am Vöttinger Weiher dabei gewesen. Florian Schuster von Blumentopf erzählt: "Wir sind so oft hier gewesen, natürlich fühlen wir uns mit dem Festival sehr verbunden. Es war jedes Mal, wie nach Hause zu kommen in die altbekannte Location und alle Freunde von damals wieder zu sehen. Deswegen finden auch wir es sehr schade, dass die Zukunft des Festivals so unklar ist."

Darauf geht auch Rapper Bernhard Wunderlich ein. In seinem Freestylepart spricht er von der Westtangente und der Absurdität, dass eine Straße dieses Festival kippen kann. "Richtig geil!", findet Festivalbesucher Jakob Strey den Freestyle. Die Rapper beziehen das Publikum mit ein, gehen auf witzige Weise auf Seifenblasen, Plakate, eine aufblasbare Gummi-Palme und einen Delfin ein.

Richtig Stimmung kommt allerdings erst bei den altbekannten Blumentopf-Liedern auf, die die Freisinger kennen und lieben wie "Solala". Bei Saalschutz, einer Elektro-Punk-Band mit ironisch geistreichen Texten, toben sich alle noch einmal richtig aus. Derweil tanzen an der Seebühne die Partygäste zu den Songs des DJs unter den Lichterketten, die in den Bäumen und an den Wegen hängen. Andere sitzen zu zweit oder in Grüppchen am Seeufer und genießen die Musik, während das Wasser von den Lichtern der Bühne in wechselnden Farben leuchtet.

Als die Orsons mit ruhigen Gitarrenklängen ihren Song "Jetzt" anspielen und die melancholische Melodie mitsummen, da könnte man meinen, er wäre nur für diesen Moment des Abschieds vom Festival, für die Übergabe von der Gruppe um Reinhard Fiedler und Jörg Jakobs an eine neue Generation an einem neuen Ort, geschrieben worden. "Sollten unsre Kinder irgendwann mal meckern, früher war alles viel besser!, dann mein' sie damit jetzt, jetzt, jetzt, jetzt, jetzt, jetzt, jetzt." Die brennenden Feuerzeuge winken langsam über den Köpfen der Menge in den Nachthimmel, die Menge singt gedankenverloren mit und jeder, der dem Festival jetzt schon wehmütig hinterher trauert, der weiß: Jetzt ist jetzt und jetzt ist gut, egal was morgen ist.

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