Pfarrer vor Gericht:Vor der Kirche ausgerutscht

Pfarrer vor Gericht: Muss sich wegen eines Glatteisunfalls erstmals vor Gericht verantworten: Ein "saublödes Gefühl" sei das, sagt Pfarrer Stephan Rauscher.

Muss sich wegen eines Glatteisunfalls erstmals vor Gericht verantworten: Ein "saublödes Gefühl" sei das, sagt Pfarrer Stephan Rauscher.

(Foto: Marco Einfeldt)

Eine Gottesdienstbesucherin verletzt sich nach Verlassen der Wallfahrtskirche in Abens. Für den Unfall macht sie die Kirchenstiftung verantwortlich, das Schmerzensgeld müsste aus Spenden bezahlt werden.

Von Katharina Aurich, Abens

Während eines Gottesdienstes Ende November 2016 ist im Sonnenschein Eiswasser vom Dach der Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Abens, Gemeinde Au, getropft. Auf dem Weg vor dem Gotteshaus, der bis dahin völlig trocken war, gefror es zu einer kleinen Eisfläche. Als nun die Kirchenbesucher herauskamen, rutschte eine alte Dame auf dem Eis aus und verletzte sich. Weil sie der Ansicht war, dass die Pfarrei ihrer Streupflicht nicht nachgekommen sei, verklagte sie die Kirchenstiftung Abens auf 20 000 Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Im vergangenen November nun wurde Pfarrer Stephan Rauscher als Vertreter der beklagten Kirchenstiftung zur Verhandlung nach Landshut geladen. Fünf Zeugen wurden in dieser Sache gehört. Noch nie zuvor habe er vor Gericht erscheinen müssen, schildert Rauscher, es sei eine interessante Erfahrung gewesen, aber er habe sich auch "saublöd" gefühlt. Am 29. Dezember wird nun das Urteil des Landgerichts Landshut erwartet.

Derartige Schadensersatz-Schmerzensgeldforderungen aufgrund nicht erfüllter Räum- und Streupflicht würden regelmäßig am Landgericht Landshut verhandelt, sagt Pressereferent und Vorsitzender Richter Peter Pöhlmann. Genaue Zahlen könne er jedoch nicht nennen, da unter diese Kategorie auch Forderungen nach Unfällen aufgrund loser Gehwegplatten und ähnliches fielen. Im vergangenen Jahr seien in Landshut 40 Fälle wegen angeblich nicht erfüllter Verkehrssicherungspflicht vor den Richter gekommen, so Pöhlmann.

Am Amtsgericht wird sehr selten das Thema Glatteis verhandelt

In Freising am Amtsgericht, wo Fälle bis zu einem Streitwert von 5000 Euro verhandelt werden, komme das Thema Glatteis sehr selten vor, weiß Richter Manfred Kastlmeier. Vor zwei Jahren habe es einen Fall in Neufahrn gegeben und er könne sich nur an einen Fall in diesem Jahr erinnern, wo die Klage jedoch zurückgezogen wurde. Das hatten die Mitglieder des Pfarrgemeinderats in Abens, der zum Pfarrverband Attenkirchen gehört, auch gehofft, aber offensichtlich vergeblich. In einem Schreiben wendet sich nun Birgit Linseisen, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats Abens, an die Öffentlichkeit, um "ihrem Pfarrer den Rücken zu stärken," wie sie sagt. Es verstehe keiner, warum die alte Dame, die früher selbst Mesnerin in dieser Kirche war, Anzeige gegen die Pfarrei erstattete und sie auch nach Monaten nicht zurückzog, berichtet Linseisen.

Es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass es Glatteis gebe, erinnert sich Pfarrer Rauscher. Müsse denn der Mesner auch während des Gottesdienstes sämtliche Wege vor der Kirche kontrollieren? Das ganze sei eine sehr unglückliche Geschichte. Natürlich habe er die Dame lange im Krankenhaus besucht und sie seelsorgerisch begleitet. Der Unfall sei höhere Gewalt und nicht zu verhindern gewesen, argumentiert Rauscher. Die Kirchenmitarbeiter könnten nicht bei jedem Regen und Minusgraden sofort den gesamten Friedhof und alle Wege vor der Kirche streuen. "Wenn wir Schuld haben, verstehe ich die Welt nicht mehr", dann müsse die Kirche Friedhöfe sperren und nur stundenweise öffnen, da man nicht immer überall kontrollieren könne, ob sich vielleicht Glatteis bilde, schildert Rauscher. Im Fall einer Verurteilung müsste die Kirchenstiftung in Abens aus den Spenden der Gläubigen die geforderten 20 000 Euro bezahlen, so der Pfarrer.

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