OB-Wahl in Freising:Die Jugend gibt ihren Senf dazu

Spannend und unterhaltsam: Die sieben Freisinger OB-Kandidaten stellen sich den Fragen der Jugendlichen. Was die Politiker zum Leben in der Innenstadt oder der Beteiligung der Jugend zu sagen haben - und was es mit der Methode Tischtennisschläger auf sich hat.

Kerstin Vogel

Unter dem Motto "Gib deinen Senf dazu" hat das Szenekulturforum Freising am Donnerstag zusammen mit der Stadtjugendpflege und Radio Rockantenne eine Podiumsdiskussion zur Oberbürgermeisterwahl in Freising veranstaltet - und damit einen Volltreffer gelandet. Zwar hatten so einige der rund 50 Zuhörer im Jugendzentrum ihre eigene Jugendzeit schon etwas länger hinter sich. Die Fragen an die sieben Kandidaten aber formulierte überwiegend die Zielgruppe dieses Abends - und tatsächlich kam erstmals eine spannende und unterhaltsame Diskussionsrunde zustande.

Die Regeln

Veranstalter weiterer Podiumsdiskussionen sollten sich die Idee mit der Ampel merken: Für alle sichtbar bekamen die Redner jeweils für eine zweieinhalbminütige Antwort grünes Licht, danach gab es eine 30 Sekunden währende Gelbphase zur Warnung und bei Rot war die Redezeit beendet - eine Methode, mit der sich das Sendungsbewusstsein der Kandidaten recht gut in den Griff bekommen ließ. Ein Übriges tat Moderatorin Martina Beils, die mit fortschreitender Zeit immer rigoroser eingriff, wenn Fragen der Jugendlichen im Scharmützel auf dem Podium unterzugehen drohten.

Methode Tischtennisschläger

Für eine erste schnelle Fragerunde hatten die Kandidaten einen Tischtennisschläger erhalten, auf dessen einer Seite grün unterlegt "Ja" stand - mit der Rückhand konnten die Kandidaten ein rotes "Nein" signalisieren. Ein siebenfaches Ja gab es auf die Frage, ob die Bewerber im Fall ihrer Wahl städtische Räume für kulturelle Zwecke zur Verfügung stellen würden. Auch das Open Air-Festival des Kulturvereins Plus am Vöttinger Weiher würden alle sieben unterstützen (später stellte sich heraus, dass sich auch keiner über einen zerstörten Rasen am Weiher aufregen würde). Alle befürworten zudem eine Kombilösung für Hallen- und Freibad und einen Ausbau der Schulsozialarbeit. Außerdem gäbe es von allen Flächen für Graffiti-Künstler. Weniger Einigkeit gab es bei der Frage, ob die Stadt als Investor für ein Studentenwohnheim auftreten sollte: Benno Zierer (Freie Wähler) und Rudi Schwaiger (CSU) verneinten via roter Rückhand, die anderen zeigten Grün. Uneinheitlich auch das Bild, als es um die Westtangente ging: Habermeyer, Helmut Priller (ÖDP), Eva Bönig (SPD) und Daniel Wilke (Linke) mochten diesem Vorhaben mit den Sportgeräten in der Hand zumindest keine hohe Priorität bescheinigen.

Die Moosachöffnung

Auch zur Frage der Moosachöffnung in der Innenstadt hatten sich die Kandidaten per Tischtennisschläger geäußert, konkret war gefragt worden, ob sich die Kandidaten diesen Umbau in ihrer immerhin achtjährigen Amtszeit vorstellen könnten. Während Schwaiger ein Nein zeigte, versuchten sich Eva Bönig und Habermeyer mit quergestelltem Schläger an einem "Unentschieden", was ihnen die erste Frage aus dem Publikum einbrachte. Weil doch die Moosach zu Sanierungszwecken ohnehin geöffnet werden müsse, wäre es dann nicht besser, sie gleich offen zu lassen und entsprechend zu gestalten, wollte ein Zuhörer wissen.

Bönig erklärte, dass sie schlicht nicht sagen könne, ob die sicher wünschenswerte Moosachöffnung in acht Jahren umsetzbar wäre, schließlich müsse in dieser Frage die gesamte Innenstadtkonzeption berücksichtigt werden. Habermeyer, seit Jahrzehnten Verfechter dieser Idee, nannte es gleichwohl ein "Gebot der Ehrlichkeit zu sagen, dass das auch eine Frage der Finanzen ist." Zierer gab dagegen dem Zuhörer recht und nannte es "unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit" vor einer Öffnung der Abdeckung für Sanierungsarbeiten über das künftige Gesicht der Moosach zu entscheiden.

Leben in der Innenstadt

Überhaupt gab die Innenstadtkonzeption ebenso wie die Frage, wie Leben in der Innenstadt auch für Jugendliche aussehen kann, Anlass zum Schlagabtausch. Ein Zuhörer hatte sich erkundigt, wo es in Zukunft den Raum für junge Menschen in der Stadt geben könnte. Seine Wahrnehmung: Jugendliche würden zunehmend vertrieben, sei es durch den Abbau von Sitzbänken oder durch die nächtliche Sperrung der Roseninsel. Eine Schülerin erkundigte sich zudem ganz konkret nach Räumen für Veranstaltungen. Zierer könnte sich da beispielsweise vorstellen, im ehemaligen Stabsgebäude der Steinkaserne Platz für Jugendliche zu schaffen. Helmut Priller regte eine "Zusammenführung mit privaten Leerständen" an, die ein Oberbürgermeister bewerkstelligen könnte.

Als Beispiel nannte er die leerstehende Ringerhalle an der Luckengasse oder auch den oberirdischen Teil des Bunkers Fridolin, erntete dafür jedoch Widerspruch von Schwaiger: Der Bunker unterliege einer Nutzungs- und Veränderungssperre. Zu diesem Thema lieferte der CSU-Kandidat dann für viele auch das Zitat des Abends: "Jugend und andere Randgruppen sollen Räume haben." Was die Nutzung öffentlicher Flächen durch die Jugendlichen angeht, so war man sich auf dem Podium weitgehend einig: Grundsätzlich hat niemand etwas dagegen, wenn aber Bierflaschen herumgeworfen werden und wie an der Roseninsel überall Scherben herumliegen, muss eingeschritten werden. Zierer: "Aufenthalt in der Stadt: ja, aber es muss einigermaßen vernünftig sein". Tobias Eschenbacher erklärte, dass er als Barbesitzer natürlich die Probleme mit den Anwohnern in der Innenstadt kenne, sobald die sich durch Lärm belästigt fühlten.

Wie Bönig und Habermeyer vertrat er aber klar die Ansicht, dass Innenstadtbewohner für die Vorteile, die das Leben im Zentrum biete, auch Abstriche bei ihrem Ruhebedürfnis hinnehmen müssten. Am deutlichsten formulierte es Habermeyer: "Das Leben ist nun einmal lauter, als wenn man tot im Sarg liegt" - eine Ansicht der sich Wilke voll inhaltlich anschloss. Rudi Schwaiger forderte "Toleranz auf allen Seiten" und erklärte, dass die Verbote seitens der Stadt oder der Polizei "immer Reaktionen auf exzessive Auswüchse" gewesen seien - ob auf der Roseninsel, bei den Punks am Bahnhof oder wegen aggressiver Obdachloser auf den Bänken in der Stadt.

Beteiligung der Jugend

Immer wieder wurde bei der Diskussion bemerkt, dass es zwischen Stadtpolitik und Jugend möglicherweise auch einfach nur Kommunikationsprobleme gibt. Habermeyer würde deshalb einen echten Jugendbeirat installieren. Natürlich wäre so eine Einrichtung gut, sagte auch Eva Bönig, gab aber zu bedenken, dass derartige Initiativen oft auch am Desinteresse der Jugendlichen scheitern würden. Ihrer Ansicht nach wäre eine Projektgruppe "Jugend" im Agenda-Prozess der richtige Weg, eine Idee, die auch Schwaiger für die richtige hält. Unbürokratischer gehe eine Einbeziehung der Jugendlichen sicher über die sozialen Netzwerke wie Facebook, gab Eschenbacher zu bedenken - und auch Zierer würde lieber diesen Weg wählen, "weil der Agenda-Prozess einfach zu lange dauert".

Uferlos

Richtig Zoff gab es kurzzeitig, als es um die Zukunft des Uferlos-Festivals ging. Dabei hatten die Kandidaten auf dem Podium alle ihre Unterstützung zugesichert. Als Schwaiger aber plötzlich davon sprach, dass das Uferlos-Festival Zuschüsse von der Stadt erhalte, gab es nicht nur Protest von den Machern, die im Saal saßen. Für das Festival gebe es kein Geld von der Stadt, betonte Eschenbacher, vielmehr zahlten die Veranstalter Miete für die Luitpoldanlage. Jeder Euro, der da bezahlt werde, sei doch mehr als nix, empörte sich Habermeyer. Die Frage sei: "Warum müssen die überhaupt etwas bezahlen?"

Plan B

Potential für Auseinandersetzungen bot auch die Frage einer Besucherin nach dem von Rudi Schwaiger propagierten "Plan B" für den Fall, dass die ungeliebte dritte Startbahn am Flughafen doch gebaut werde. Während alle anderen Kandidaten diese Strategie ablehnten und den Widerstand dadurch geschwächt sehen, bezeichnete es Schwaiger als "blauäugig", alles auf eine Karte, nämlich den Widerstand zu setzen. Entschieden werde vor Gericht, sagte er. Dieses Urteil könne auch zugunsten des Flughafenausbaus ausfallen, deshalb müsse man jetzt mit der Staatsregierung über Dinge wie die nötige Infrastruktur verhandeln. Die Regierung sei dialogbereit, weil sie Angst vor einer Wahlniederlage 2013 habe. "Geschwafel", schnaubte prompt Habermeyer: Da werde "die große Windmaschine angeworfen", um zu vernebeln, dass die Region diese Infrastrukturmaßnahmen sowieso brauche. Von was für Geld Schwaiger da rede, wollte Habermeyer weiter wissen: "Das ist Bestechungsgeld, damit wir den Mund halten".

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