Nordostumfahrung von Freising:Schneise in der Landschaft

Nordostumfahrung von Freising: Auch hier bei Marzling wird Platz geschaffen für die neue Straße.

Auch hier bei Marzling wird Platz geschaffen für die neue Straße.

(Foto: Marco Einfeldt)

Freising erhofft sich von der geplanten Nordostumfahrung 8000 Autos weniger pro Tag. Doch die Bewohner von Erlau sehen in der neuen Bundesstraße eine Katastrophe, die direkten Anlieger befürchten mehr Lärm

Von Clara Lipkowski und Gudrun Regelein, Landkreis

Die massiven Rodungen bei Marzling sind die Vorboten der Nordostumfahrung. Am 4. Oktober 2016 war Spatenstich für die neue Straße, die künftig Erlau und Marzling verbinden wird. Ende 2020 soll die 4,2 Kilometer lange und knapp 30 Millionen teure, neue Bundesstraße B 301 fertig sein. Das Ziel: Den überregionalen Durchgangsverkehr vor dem Stadtgebiet Freising abzufangen. Laut Berechnungen werden so etwa 8000 Fahrzeuge weniger am Tag durch die Domstadt rollen. Die Planung der Trasse hatte vorab für hitzige Diskussionen und Proteste gesorgt, weil Anwohner in Altenhausen massive Belastungen fürchten und Erlau weiterhin Durchfahrtsort bleibt. Die SZ Freising hat mit Betroffenen und Entscheidern gesprochen:

Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (FSM): Neben der Westtangente sei die Nordostumfahrung das "zweite großes Pfund", um Freising vor dem Verkehrsinfarkt zu bewahren, sagt er. Da der Quell-, Ziel- und Binnenverkehr sehr stark zugenommen hätte, führe die Überlagerung mit dem regionalen und überregionalen Durchgangsverkehr vor allem in der Morgen- und Abendspitze täglich zu Überlastungen im städtischen Straßennetz. "Die Dauerstaus sind ärgerlich - nicht nur für alle Verkehrsteilnehmer, sondern auch für die Anwohner, die unter Lärm und Abgasen leiden", sagt Eschenbacher. Durch den Verkehrsdruck komme es zudem zu einer Erhöhung des Schleichverkehrs - auch in den Wohngebieten. Erlau, das auch in Zukunft noch durchfahren wird, will die Stadt mit besonderen Lärmschutzmaßnahmen entlasten, etwa einem lärmmindernden Asphalt. Auch sollen dort die Geh- und Radwege ausgebaut werden, um die Belastungen für die Anwohner zumindest etwas abzumildern.

Eine Bewohnerin von Erlau:

"Bei uns ist es eine Katastrophe, wir haben eigentlich den ganzen Tag viel Verkehr. Besonders schlimm ist es zu den Stoßzeiten, teils schon ab halb sieben in der Früh bis acht Uhr. Nachmittags geht es wieder los, ab halb vier kommen viele aus Freising." Teils sei es so laut, dass es unmöglich sei, sich im Garten zu unterhalten. Mit der Trasse werde alles noch schlimmer, fürchtet sie. Dann wird ein Kreisel südlich von Erlau je eine Abzweigung nach Freising und Marzling regeln. Das werde zu Staus führen, sagt die Bewohnerin, es sei ja schon jetzt voll, außer Autos führen oft Laster zum umliegenden Kieswerk und Erdbauunternehmen. Von den Freisinger Politikern fühlt sie sich nicht ernst genommen. "Sie haben uns im Stich gelassen, uns wurde immer gesagt, man werde uns helfen, aber passiert ist nichts."

Landrat Josef Hauner (CSU): "Im Stadtzentrum östlich der Altstadt beträgt die Belastung der Mainburger Straße inzwischen 30 500 Kraftfahrzeuge am Tag. Wir müssen davon ausgehen, dass der Verkehr im Ballungsraum München weiter zunehmen wird", sagt der Politiker. Mit der Trasse werde der Verkehrsfluss verbessert. Und: "Die Anbindung des nördlichen Landkreises an die A 92, den Flughafen und München wird erleichtert." An die Bewohner Erlaus gewandt, sagt er: "Vom Staatlichen Bauamt wurden 22 verschiedene Möglichkeiten der Straßenführung untersucht." Doch habe sich die jetzt vorgesehene als die Beste erwiesen. Im Gegenzug verweist er auf die Lärmschutzmaßnahmen und die Geh- und Radwege mit Querungshilfe für die Erlauer.

Manfred Drobny vom Bund Naturschutz: Der erhoffte Erfolg - die erwartete Verkehrsentlastung - stehe in keinem Verhältnis zu den erheblichen Eingriffen in die Natur, sagt er. Bei Altenhausen etwa sei eine der letzten naturnahen Kulturlandschaften des tertiären Hügellandes im Landkreis betroffen: Eine sehr ruhige, stadtnahe Erholungsfläche gehe dort durch den Bau verloren. Er stelle sich die Frage, ob Freising tatsächlich zwei Umgehungsstraßen dieses Kalibers benötige, sagt Drobny. Das Dilemma sei, dass durch die Umfahrung noch mehr Verkehr erzeugt werde. Letztendlich aber nehme dadurch der Druck zu, immer mehr und weiter auszubauen: Schon jetzt gebe es Forderungen, die Trasse bei Marzling vierspurig zu erweitern. "Das aber würde in dem FFH-Gebiet Isarauen (Fauna-Flora-Habitat, Anm. d. Red.) zu empfindlichen Störungen führen", warnt Drobny.

Eine Bewohnerin von Altenhausen:

Der Protest ist dort massiv gewesen, aber ungehört verhallt. Viele haben schlimme Befürchtungen. "Die Idylle des Örtchens wird zerstört", sagt eine Anwohnerin. Natürlich habe man sich gegen das Verkehrsprojekt gewehrt; Einsprüche und sogar eine Demo der Dorfbewohner aber hätten nicht gefruchtet. "Wenn etwas gewollt wird, dann wird es auch durchgezogen." Die Trasse werde nur etwa 500 Meter von ihrem Haus entfernt vorbeiführen. "Es wird sehr laut werden." Einen Wegzug allerdings habe die Familie noch nicht ernsthaft diskutiert. Marzlings Bürgermeister Dieter Werner: Er bezweifele, ob die derzeitig zweispurig geplante Einfädelspur beim Marzlinger Kringel für das Verkehrsaufkommen ausreichen werde. "Die Teile der Sanduhr sind zu dünn, es kann nicht funktionieren", befürchtet Werner. Die Gemeinde habe für den Abschnitt der neuen B 301 zwischen Ast und dem Autobahnanschluss Freising Ost den vierspurigen Ausbau schon lange gefordert - der sei nun auch im Bundesverkehrswegeplan in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden - werde aber in den kommenden zehn bis 15 Jahren sicher nicht realisiert. "Das hängt wie ein Damoklesschwert über uns", sagt Werner, der für Marzling "arge Komplikationen" befürchtet.

Monika Raab, Inhaberin des Pferdehofs Gut Piesing nahe Altenhausen: Durch die Umfahrung rechnet sie mit mehr Lärm, obwohl das Gut rund 500 Meter entfernt ist. "Wir haben uns wegen der Straßen um uns herum schon nach Süden ausgerichtet. Das Problem ist, dass die Umfahrung nicht tiefer gelegt, ins Erdreich hinein gebaut wird, sondern ebenerdig. Dadurch wird es lauter." Zu Beginn der Planung sei sie deswegen gegen die Trasse gewesen. "Wir haben protestiert und wollten dagegen vorgehen, konnten aber keine gemeinsame Finanzierung für einen Prozess finden", sagt Raab. Mittlerweile hat sich ihre Meinung geändert: "Sie bringt uns auf den kleinen Straßen Entlastung. Ich denke, wir leben nun einmal in der Einflugschneise des Flughafens. Wenn wir den Wirtschaftsboom wollen, müssen wir das hinnehmen."

Elvira Wiesheu, Ortssprecherin Tüntenhausen: "Wir haben hier sehr viel Verkehr, das ist sehr belastend. Besonders morgens und abends fahren viele Fahrzeuge von und nach Freising." Ob die Umfahrung dem 500-Einwohner-Ort Verbesserung bringt, könne sie nicht sagen: "Ganz ehrlich, das muss man abwarten." Momentan sei die Strecke natürlich Durchfahrtstrecke zum Flughafen. "Viele arbeiten ja im Schichtbetrieb am Flughafen oder in Verkaufsläden." Zudem erzeuge das Baugebiet am Steinpark Verkehr. "Da bringen viele Lastwagen was hin und fahren's wieder weg." Sie sei schon froh, dass es in Tüntenhausen seit einigen Jahren eine Ampel gebe, damit sei es leichter, die Straße zu queren.

Stefan Rinderer, Staatliches Bauamt: Mit der Umfahrung habe man das Problem gehabt, das man grundsätzlich mit Neudurchschneidungen durch Landschaften habe: "Technisch ist es machbar, aber die Akzeptanz für so etwas ist nicht groß." Warum Erlau weiter Durchfahrtsort bleibt, erklärt er so: "Es gibt in der Gegend starke Höhendifferenzen, die müssten technisch überwunden werden." Daher konnte nicht einfach eine andere Route gewählt werden. Zudem sei die Straßenentwässerung komplizierter, je näher man an die Amperauen baue. Hätte man die Trasse vor Erlau abzweigen lassen, wäre ein "Riesenriegel" mit Schallschutzwänden neben dem Wohngebiet die Folge gewesen. Das sei alles andere als "lebenswert".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: