Beethovens Neunte:Mit voller Präsenz

Beethovens Neunte: Eine mitreißende Aufführung der Neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens haben die Musiker dem Publikum in der Aula des Camerloher-Gymnasiums geboten.

Eine mitreißende Aufführung der Neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens haben die Musiker dem Publikum in der Aula des Camerloher-Gymnasiums geboten.

(Foto: Marco Einfeldt)

374 Musiker führen in der Aula des Camerloher-Gymnasiums erstmals in Freising die Neunte Sinfonie von Ludwig van Beethoven auf. Musiker und Vokalisten harmonieren bestens, die Einsätze stimmen auf den Punkt.

Von Clara Lipkowski, Freising

Es war ein fulminanter Abschluss der Konzertreihe des "3klang"-Kulturvereins zu dessen 18. Geburtstag: 300 Sängerinnen und Sänger, 70 Instrumentalisten und vier Gesangssolisten haben am vergangenen Wochenende die berühmte Neunte Sinfonie Beethovens aufgeführt.

Zum ersten Mal war die "Neunte" in Freising live zu hören, Ort der Aufführung war die ausverkaufte Aula des Camerloher-Gymnasiums, die zum ersten Mal für externe Nutzer die Pforten öffnete und den rund 500 Gästen Platz bot. Denn für das Spektakel war viel Platz für die mehr als 370 Mitwirkenden samt Zuhörer nötig. Pünktlich um 19.30 Uhr betraten die Protagonisten die Bühne, auf das Orchester folgten die Sängerinnen und Sänger. Bei 300 Vokalisten dauerte das ein wenig, erst nach ein paar Minuten hatte sich alle an den Plätzen eingefunden.

Zunächst spielte das 3klang-Sinfonieorchester "Trisono" unter Leitung von Andreas Lübke die ersten drei Sätze des Werks, das 1824 uraufgeführt wurde. Und schon kurz nach Beginn fesselte der Beethoven-Klang: Eindringlich erklang die große Trommel, und sofort erzeugte der Kontrast zu den fein klingenden Violinen eine Dramatik, die Gänsehaut machte. Das Publikum dankte es, wollte es danken nach dem ersten Satz, durfte aber nicht klatschen.

Der Dirigent hielt, mit dem Rücken zum Publikum, die linke Hand in die Höhe, sofort verstummten die Applaudierenden. "Es hat sich so eingebürgert, dass zwischen den Sätzen einer Sinfonie nicht geklatscht wird", sagte er später, "weil die Sinfonie als ganzes Stück verstanden wird". Ein paar hartnäckige Fans aber wollten nicht hinterm Berg halten mit ihrer Begeisterung und klatschten weiter.

Unterdessen stieg die Spannung: Wann werden Chor und Solisten einsetzen? Im vierten Satz kamen Freunde imposanter Klassikmusik dann auf ihre Kosten. Eric Fergusson (Bass) leitete den Gesang ein: "O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere", erklang seine Stimme. Sofort hatte er das Publikum in seinen Bann gezogen.

Dann stieg der Chor ein. Und zeigte von Beginn an volle Präsenz, die im Lauf des Konzerts nicht nachließ. "Freude!" sangen 300 Kehlen, "Freude!" Und ja, es war eine Freude, allen am Konzert Beteiligten zuzuhören. Sie sangen "Freude schöner Götterfunken" enthusiastisch, fulminant. Eigentlich wollte wohl niemand, dass sie aufhören, wusste man doch, es ist schon der vierte von vier Sätzen. Die Solisten klangen einzeln und im Vierklang harmonisch und bewegend. Öykü Şensöz bestach mit ihrem klaren, präzisen Sopran.

Überhaupt harmonierten die Musiker und Vokalisten an diesem Abend und schafften eine eindrucksvolle Darbietung. Die Einsätze waren auf den Punkt,und der Umgang mit den Crescendi souverän. Dass das nicht selbstverständlich ist, hatte Gottfried Herrmann, Leiter der Musikschule "3klang" zu Beginn berichtet. "Ich war bei der ersten Probe dabei und wusste wirklich nicht, ob wir das schaffen."

Die "Neunte" gilt als sehr komplexes Werk und deren Einstudierung als Herausforderung. Ein halbes Jahr liefen die Proben, neun Chöre aus Freising und dem Landkreis waren beteiligt. Darüber zeigte sich auch Dirigent Lübke begeistert. Die jüngeren Sänger hätten nicht einfach nur mitgemacht, sondern den Chor bereichert. Gemischt mit älteren Stimmen im Sopran, die etwas tiefer klängen, hätten die jüngeren zu einem runden, klaren und vollen Klang beigetragen, so der Dirigent. Unter den Chören waren der Projektchor "3klang-Beethoven-Chor", der Asam-Chor Freising, der große Chor des Domgymnasiums und verschiedene Chöre aus der nahen Umgebung.

Auch politisch wurde es für einen kurzen Moment, denn schließlich ist der letzte Satz der Sinfonie seit 1985 offizielle Hymne der Europäischen Gemeinschaft. Zwar als Instrumentalversion, dennoch verwies Gottfried Herrmann auf die für ihn entscheidende Zeile des Liedtexts nach dem Gedicht von Schiller: "Alle Menschen werden Brüder". "Die Stelle geht mir persönlich an Herz, denn sie ist gerade heute angesichts von Militärputsch und Krisen in der Welt enorm wichtig. Oder wenn man einfach mal nach rechts rausschaut."

Denn gleich neben der Aula waren durch die breite Fensterseite die leuchtend blauen Container der Asylbewerber im warmen Licht der Abendsonne zu sehen. Ein paar Menschen schauten neugierig Richtung Aula.

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