Museum: "Das ist eine Eierhandgranate, die ich im Garten gefunden habe"

Museum: Heimatmuseumsleiter Bernhard Kerscher präsentiert einen Stuhl aus dem Stalag VII A.

Heimatmuseumsleiter Bernhard Kerscher präsentiert einen Stuhl aus dem Stalag VII A.

(Foto: Marco Einfeldt)

Im Moosburger Heimatmuseum gibt es einiges zu sehen - unter anderem ein Modell des Nazi-Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A. Um die Exponate kümmert sich der 80-jährige Bernhard Kerscher.

Von Till Kronsfoth, Moosburg

Bernhard Kerscher hält einen tennisballgroßen Gegenstand in der Hand. "Das ist eine Eierhandgranate, die ich in meinem Garten gefunden habe", erklärt der 80-Jährige und fügt hinzu: "Nachdem die Experten meinten, sie sei ungefährlich, habe ich sie in die Ausstellung integriert." Kerscher ist seit zwölf Jahren Leiter des Moosburger Heimatmuseums.

Von der Stadt, die das Museum unterhält, bekommt der Rentner nur eine Aufwandsentschädigung. Viele Gegenstände, die hier ausgestellt werden, hat Kerscher selbst zusammengetragen. Er hält einen Stein in die Höhe und dreht ihn um. Auf der Rückseite zeichnet sich reliefartig eine spiralförmige Erhebung ab. "Das ist ein versteinerter Trilobit. Er ist rund 570 Millionen Jahre alt. Den habe ich eines Tages beim Spazierengehen am Ufer der Isar gefunden. Ebenso wie eine römische Goldmünze aus der Zeit Kaiser Claudius'."

Ein gewaltiger Mammut-Stoßzahn und eine römische Goldmünze aus der Zeit Kaiser Claudius

Das Heimatmuseum beherbergt auf zwei Etagen Fundstücke aus allen Epochen der Stadtgeschichte, von der Frühgeschichte über die Antike bis zur Moderne. In einem Ständer lehnt eine mittelalterliche Hellebarde, an der Wand gegenüber hängt eine Muskete. In einer Vitrine ruht ein gewaltiger Mammut-Stoßzahn. Das Herzstück des Museums bildet ein maßstabsgetreues Modell des Moosburger Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A. Im größten Kriegsgefangenenlager Deutschlands waren zwischen 1939 und 1945, bis zur Befreiung durch die US-amerikanische Armee, rund 80 000 Soldaten inhaftiert. Bernhard Kerscher, geboren 1937, hat das Lager als kleiner Junge noch persönlich kennengelernt. Allerdings nur von außen. Der Vater des gebürtigen Moosburgers gehörte zur Versorgungsmannschaft. Kerscher schlägt einen Ordner mit vergrößerten Fotografien auf. Es sind Bilder aus dem Lager, die von Wehrmachtsangehörigen geschossen wurden. Gefangene bei der Fronleichnamsprozession, Männer beim Austeilen der Post.

Museum: Bernhard Kerscher zeigt das Modell des früheren Kriegsgefangenenlagers, auf dessen Gelände sich später die Moosburger Neustadt entwickelte.

Bernhard Kerscher zeigt das Modell des früheren Kriegsgefangenenlagers, auf dessen Gelände sich später die Moosburger Neustadt entwickelte.

(Foto: Marco Einfeldt)

Es sind trügerische Bilder, die eine Idylle vorgaukeln, welche es im Lager nicht gab. Nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 stellten Angehörige der Roten Armee den größten Teil der Gefangenen. Die aus Sicht der NS-Ideologie, "slawischen Untermenschen" wurden sehr viel schlechter behandelt, als ihre Mithäftlinge aus westlichen Ländern. Schätzungen zufolge starben 2000 von ihnen an den Folgen von Misshandlung, Kälte und Unterernährung. Nicht mitgezählt sind jene Gefangenen, die zur Ermordung in die Vernichtungslager deportiert wurden.

"Fast wöchentlich kommen Besucher aus dem Ausland, die Kinder oder Enkel ehemaliger Kriegsgefangener sind"

Bernhard Kerscher schreitet gemächlich zurück zum Eingang des Museums. Auf einem kleinen Tisch liegt das Gästebuch. Er blättert langsam die Seiten durch. "Fast wöchentlich kommen Besucher aus dem Ausland, die Kinder oder Enkel ehemaliger Kriegsgefangener sind." Viele Besucher schreiben den Namen ihres Heimatlandes unter den eigenen. Unter der letzten Unterschrift steht "Mazedonien". Oft liest man "USA" oder "Frankreich". Ein Eintrag sticht heraus, Bernhard Kerscher weist mit dem Finger darauf. "Jemand ist sogar aus Taiwan angereist, um etwas über das Lager zu erfahren."

Nach diesen teilweise bedrückenden Entdeckungen ist der Gang ins obere Stockwerk ein merkwürdiger Kontrast. Man passiert ein Bild von Georg Hummel, dem Erfinder des Stromzählers, der in Moosburg geboren wurde. Im ersten Stock sind historische Stadtpläne, ein Gemälde der Schlacht von Gammelsdorf, bei der Niederbayern die Unabhängigkeit von Österreich erlangte, und alte Bierkrüge ausgestellt. 'Folklore', ist man versucht zu denken, doch auch das gehört wohl zum Rundgang in einem Heimatmuseum.

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