Moritatensänger in Freising:Spottverse auf die Obrigkeit

"O mei o mei, was fallt denn Euch bloß ei!": Moritatensänger animieren in der Freisinger Innenstadt die Passanten zum Mitsingen und Nachdenken.

Eva-Maria Glück

"O mei o mei, was fallt denn Euch bloß ei!" Die dritte Startbahn , der "Irrsinn draußt im Erdinger Moos" ist den Freisingern ja ein Dorn im Auge, doch auch "unser Bayernfunk will nicht mehr bayrisch sein", schließlich wurde die traditionelle Volksmusik aus dem Radioprogramm weitgehend verbannt: Die Moritatensänger des Bezirks Oberbayern machten am Samstagvormittag in der Freisinger Innenstadt Station und witzelten in lustig-scharfzüngigen Liedern gegen Politik und Obrigkeit. Sie zeigten in schaurig-schönen überlieferten Volksweisen, wie aktuell bayerische Volksmusik auch im Jahr 2010 sein kann.

Moritatensänger in Freising: Zunächst versammelt sich am Samstag nur eine kleine Schar von Zuhörern um die Moritatensänger des Bezirks Oberbayern. Am Ende besteht das Publikum aus etwa 150 Passanten.

Zunächst versammelt sich am Samstag nur eine kleine Schar von Zuhörern um die Moritatensänger des Bezirks Oberbayern. Am Ende besteht das Publikum aus etwa 150 Passanten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Auftritt der Moritatensänger war eine Reise in längst vergangene Zeiten, gepaart mit frischer Modernität. Moritatensänger, die im 19. Jahrhundert auf Jahrmärkten und Marktplätzen ihre Gesänge vortrugen, sind seit den 1930er Jahren verschwunden, doch deren Tradition wurde in den vergangenen Jahren von Volksmusik-Freunden wieder entdeckt. "Viele der Lieder geraten in Vergessenheit, nur einige Ältere kennen sie noch aus der Schule", sagte Sänger Gerald Grünvogel. Man wolle nun gegen dieses Vergessen ankämpfen und "nicht vorsingen, sondern gemeinsam mit den Menschen singen". Deshalb hatte die Sängergruppe Liederbücher vorbereitet, die sie an Passanten verteilten und die zum Mitsingen animieren sollten.

Auf einer Moritatentafel wurden ganz wie in längst vergangenen Zeiten die Lieder mit Zeichnungen illustriert, einer der Sänger zeigte je nach Strophe mit einem Zeigestock auf das dazugehörige Bild. "Früher konnten viele Leute ja nicht lesen, da waren solche Tafeln hilfreich", erklärte dazu Grünvogel. Als die Köpfe der Sangestruppe, Ernst Schusser und Eva Bruckner, Gitarre und Akkordeon anstimmten und mit dem "Lied von Adam und Eva" den Anfang machten, hatte sich erst eine Handvoll sangesfreudiger Freisinger am Roider-Jackl-Brunnen eingefunden.

Die ersten zaghaften Stimmen waren aber schon bald zu einem stattlichen Chor angewachsen. "Des Schneiders Höllenfahrt", "Der Dudlpfeifer" oder "Das Mägdelein am Wasserfall" lockerten die Stimmbänder und veranlassten immer mehr Leute stehenzubleiben und sich ein Gesangsheft in die Hand drücken zu lassen. Akkordeonspieler Schlosser studierte mit dem Publikum rhythmisches Klatschen ein, sang eine zweite Stimme zur Melodie oder unterteilte die Menge in Männer- und Frauenchöre. Trotz des fortgeschrittenen Alters der meisten Besucher war die Stimmung "wie bei den Jungen".

"Um die 150 Leute müssten jetzt da sein", schätzte Gerald Grünvogel ganz erfreut über den Zuspruch. "Die Volksmusik ist die Musik der ganz normalen Leute, das spricht alle an", sagte Ernst Schusser. Das "bürgernahe Miteinander", das gemeinsame Singen und Musizieren bringe die Menschen näher zusammen. Neben dem Spaß steht bei den Moritaten auch die Botschaft der Texte im Vordergrund. Die schaurig-schönen Lieder schildern in komödiantischer Weise entsetzliche Verbrechen und sollen moralisierend wirken. Die meisten Melodien und Texte seien überliefert, wurden über Generationen weitergegeben, wobei die Ursprünge oft unbekannt seien, erklärte Grünvogel. Bei den selbstgedichteten Liedern über die dritte Startbahn oder auch den "Verlorenen Heimatspiegel", die Volksmusiksendung des Bayerischen Rundfunks, seien die Melodien bekannt, nur der Text selbstgemacht. Moritaten können also auch heute noch hochaktuell sein. Kommentar aus dem Publikum: "Pfenningguad".

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