Moosburg:Stadtgeschichte neu bewerten

Spurensuche im ehemaligen Kriegsgefangenenlager VII A - Arbeitsgruppe will sich brisanten Themen widmen

Alexander Kappen

Noch in den 70er Jahren, erinnert sich Karl A. Bauer, "wurde das Thema in Moosburg totgeschwiegen. Wenn man etwa über das Stalag VII A wissen wollte, hat man keine Auskunft bekommen". Doch mittlerweile sei in Bezug auf das ehemalige Kriegsgefangenenlager ein Wandel zu spüren. "Man merkt, dass die Leute darüber reden wollen ", meint der Hobby-Historiker, der sich als "echtes Moosburger Kind" bezeichnet und seit zehn Jahren die Internetseite alt-moosburg.de betreibt.

Die neue "Arbeitsgruppe Stalag VII A", die Bauer und der frühere Moosburger Bürgermeister Herbert Franz kürzlich gegründet haben, möchte nun "die Suche nach Erkenntnissen ausdehnen und vertiefen und nach 70 Jahren neue Bewertungen finden", sagt Franz. Man wolle damit der großen Bedeutung gerecht werden, die das so genannte Stammlager für die Entwicklung der Stadt habe: "Es hat ja nicht nur während des zweiten Weltkriegs als Schutz vor Luftangriffen gedient, sondern war später auch Zuflucht für viele Heimatvertriebene." Letztlich entstand daraus ein neuer Stadtteil, die Moosburger Neustadt.

Die Arbeitsgruppe (AG) möchte laut Franz "einen Teil der Geschichte der Stadt erarbeiten", genauer gesagt die zwischen 1938 und 1953. Das Stalag erlangte in dieser Zeit in unterschiedlichen Funktionen Bedeutung, die in der Arbeitsgruppe auch die thematischen Schwerpunkte bilden. Zunächst diente das Areal - das Hauptlager hatte eine Fläche von 3,5 Millionen Quadratmetern - als Kriegsgefangenenlager für Soldaten aus aller Herren Länder. Für ursprünglich 10 000 Häftlinge geplant, waren dort später bis zu 80 000 Menschen untergebracht. Nach seinen bisherigen Erkenntnissen sei in Moosburg "nicht geschlagen, nicht gefoltert und nicht hingerichtet worden, es galt als eines der menschlichsten Kriegsgefangenenlager in Deutschland", sagt Bauer. Ausnahme seien die russischen Gefangenen gewesen, die im Gegensatz zu den Westalliierten "nicht korrekt" behandelt worden seien. Dieser brisanten Thematik will sich der Arbeitskreis ebenso widmen wie dem Umgang mit den Gefangen, als das Lager nach der Befreiung durch die Amerikaner am 29. April 1945 im Zuge der Entnazifizierung in ein Internierungslager für NS-Kriegsverbrecher und -Funktionsträger umgewandelt wurde. Wie Bauer aus Aufzeichnungen ehemaliger Insassen weiß, soll es dort zu Übergriffen und gar Ermordungen gekommen sein. Die Geschichte dieses so genannten Civilian Internment Camp No. 6 sei "in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannt". Es bildet den zweiten Schwerpunkt. Der dritte widmet sich schließlich der Ansiedlung der Heimatvertriebenen und der Entwicklung der Neustadt nach der Auflösung des Internierungslagers am 22. April 1948.

Am Dienstag 4. September, sind alle Interessierten, die in der AG mitarbeiten wollen, ab 20 Uhr zu einem Infoabend in Gaststätte "Zum Boban" eingeladen. Auch eine Zusammenarbeit mit Vizebürgermeister Martin Pschorr, der derzeit für die Stadt das Stalag-Museum an der Hodschager Straße aufbaut und mit dem sie bereits Gespräche geführt haben, sei möglich, so Franz und Bauer - auch wenn sie den Standort des Museums für ungeeignet halten. Die Räume seien zu klein und am falschen Ort. Sie bevorzugten etwa die Wachmannschaftsbaracke an der Schlesierstraße oder eine Angliederung an das Heimatmuseum. Dennoch, so Franz, "ist eine Zusammenarbeit in keiner Weise ausgeschlossen". Zunächst wolle man jedoch Material sammeln und Zeitzeugen befragen, "und in einem Jahr schauen wir uns das Ergebnis an und diskutieren, was genau wir damit machen".

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