Modellprojekt in Freising:Einkaufen am Wasser

Modellprojekt in Freising: Jahrzehntelang floss die Moosach unterirdisch, jetzt soll sie geöffnet werden. Simulation: St. Raum a./Render-Manufaktur GbR

Jahrzehntelang floss die Moosach unterirdisch, jetzt soll sie geöffnet werden. Simulation: St. Raum a./Render-Manufaktur GbR

Es soll fließen und sprudeln in der Freisinger Innenstadt: Die Bürger wollen den Stadtbach wieder ans Tageslicht bringen und damit das Zentrum in ein kleines Idyll verwandeln. Die Stadt erhofft sich davon auch einen wirtschaftlichen Vorteil.

Von Kerstin Vogel, Freising

Ein offener Bachlauf mitten in der Stadt, Stufen zum Wasser, auf denen man sitzen und ein Eis essen, ein Buch lesen kann, nahezu ungestört von Autos, die aus der neuen "Begegnungszone" in der Altstadt so weit wie nur möglich verbannt werden sollen: Mit diesem Idyll will die Stadt Freising ihr Zentrum aufwerten, will Anreize für die Menschen schaffen, dort mehr Zeit zu verbringen. Die Freisinger haben dem zentralen Element dieses Projekts, der Öffnung der Stadtmoosach nach historischem Vorbild, am Sonntag in einem Bürgerentscheid mit 74 Prozent unerwartet deutlich zugestimmt - und damit den Weg frei gemacht für die Rettung ihrer kränkelnden Innenstadt.

Denn im Zentrum der altehrwürdigen Domstadt steht schon lange nicht mehr alles zum Besten - und für viele alteingesessene Betriebe kommen all die schönen Pläne zu spät. Zuletzt für die Parfümerie von Norbert Illinger: Seit 1854 hat das Familienunternehmen in der Domstadt Düfte an den Mann und die Frau gebracht. Seit 43 Jahren sitzt das Unternehmen an der Oberen Hauptstraße, eigentlich in bester Geschäftslage, doch die Zeiten haben sich geändert: Da sind das neue Einkaufscenter auf dem Schlütergelände vor der Stadt, die Discounter, die längst nicht mehr nur Lebensmittel verkaufen, dafür aber alles günstiger. Und da ist das Internet. Hinzu kommt die Konkurrenz im nahen Umland. Erding und Pfaffenhofen, München natürlich, aber auch Landshut ziehen Kunden ab. Illinger hat aufgegeben, der Räumungsverkauf läuft.

Image-Verfall in der Domstadt

"Die Abwärtsspirale ist im Gang", bestätigt Stadtplanerin Sonja Rube und zählt auf: Leerstände, sinkende Mieten, wenig attraktive Nachmieter. Immer neue Handy-Läden, die öffnen und wieder schließen, sind auch ein Zeichen für den Image-Verfall eines Standorts. Ein weiteres Indiz ist die Kaufkraftbindung: Die liegt in der Freisinger Altstadt nur bei 70 Prozent, das haben Analysen gezeigt. Nur 70 Prozent der Bürger kaufen in ihrer Innenstadt ein, dabei müsste ein Oberzentrum wie Freising 130 Prozent erreichen können, also auch Menschen aus dem Umland in seine Geschäfte locken.

Wie das gehen kann, das erarbeiten die Stadträte seit dem Jahr 2009 zusammen mit Experten und den Bürgern in einer umfassenden Innenstadtkonzeption. 23 Maßnahmen hat man seither identifiziert, zusammengefasst und beschlossen. Ein neues Parkhaus im Westen gehört dazu, ein Innenstadtmanagement soll etabliert werden, die gesamte Hauptstraße soll höhengleich ausgebaut und mit einheitlichem Pflaster versehen werden. Bei den Kunden punkten aber will man künftig mit dem frei fließenden Wasser in der Stadt. Denn das haben die Freisinger offenbar verstanden: Pflastern und den Verkehr beruhigen kann man auch in Dachau oder Landshut - einen Bachlauf unter der Altstadt müsste man dort aber erst einmal finden.

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