Mitten in Moosburg:Drücker im Sonnenkönigland

Warum man auch ruhig mal bei Rot über die Ampel gehen sollte

Von Alexander Kappen

In Bayern, das ist hinlänglich bekannt, ist alles ein bisserl anders als anderswo. Was überall sonst in Deutschland als Ministerpräsident bezeichnet wird, heißt hier Sonnenkönig, Poltergeist oder einfach nur Horst. Während Schwaben, Berliner und Pfälzer sich Maultasche, Currywurst und Saumagen sinnigerweise dann einverleiben, wenn sie Hunger und/oder Zeit zum Essen haben, müssen in Bayern alle in Weißwursthaut gepressten Kälber und Schweine der Tradition nach - Hunger hin oder her - vor dem Zwölf-Uhr-Läuten verputzt werden. Und wann immer man im Freistaat an einer Fußgängerampel vorbei kommt, ist es die bürgerliche Pflicht eines jeden, dort auf den Knopf zu drücken. Da spielt es im Gegensatz zu anderen Regionen dieser Republik auch keine Rolle, wo man hin will.

So jedenfalls konnte man den Vater verstehen, der mit seinem Kind dieser Tage an einer Kreuzung in Freising stand und dem Nachwuchs erklärte: "Man muss hier immer drücken. Das ist in Bayern so." Und so drückten die beiden eben artig den Ampelknopf, ehe das Kind nicht etwa die Straße überquerte, sondern mit seinem Radl am Gehsteig weiterfuhr, während der Vater auf seinen Inlineskates munter hinterher rollte. Auch in Moosburg haben die sittenstrengen Bajuwaren dieses ungeschriebene weiß-blaue Drücker-Gesetz bereits verinnerlicht. Etwa der Mann, der neulich in den Abendstunden vor der Fußgängerampel an der völlig verwaisten Leinbergerstraße stand: Links kommt kein Auto, rechts kommt kein Auto. Also schnell den Knopf drücken, bei Rot über die Straße gehen und vergnügt von dannen ziehen, noch bevor die Ampel ansatzweise eine Chance hat, auf Grün zu schalten. Was soll er auch machen? Sonnenkönig, Weißwurst, kategorische Fußgängerampeldrückpflicht - das ist in Bayern eben so.

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