Mitten in Moosburg:Angekommen im Anzapf-Olymp

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Josef Dollinger zapfte neulich beim Frühlingsfest das erste Fass Bier an und benötigte dafür insgesamt: einen einzigen Schlag! Wo bleibt da Platz für eine Steigerung?

Von Alexander Kappen

Was macht denn einer, der in seinem Metier schon alles erreicht hat? Einer, der auf dem Zenit seines Schaffens ist, für den es fortan nur bergab gehen kann. Jemand, der sich mit seiner außergewöhnlichen Leistung selbst in eine derartige Fallhöhe manövriert hat, dass einem bereits der Gedanke an den unweigerlichen Absturz körperliche Schmerzen bereitet. Lässt er's gut sein und nimmt seinen Hut? Macht er weiter? Nur die Wenigsten schaffen es, am Höhepunkt abzutreten, aufzuhören, wenn es am Schönsten ist. Jupp Heynckes war so einer. Wurde Welt- und Europameister als Spieler und holte 2013 als Trainer mit dem FC Bayern zur Krönung das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions-League. Dann hieß es ab in den verdienten Ruhestand auf seinem Bauernhof am Niederrhein. Der frühere französische Nationalspieler Thierry Henry, ebenfalls Triumphator bei WM und EM sowie 2010 Triple-Gewinner mit dem FC Barcelona, hatte dagegen noch nicht genug. Er wechselte in die amerikanische Austragsliga MLS. Dort können alternde Branchengrößen sich zwar keine nennenswerten Meriten mehr verdienen, aber für eine (ziemlich große) Hand voll Dollar noch mal ein bisschen ihren guten Namen spazieren tragen, ohne diesen ernsthaft zu beschädigen - selbst als Auslaufmodelle zählen sie in Übersee noch zu Besten.

Was aber macht Josef Dollinger? Der Moosburger Vizebürgermeister war zwar weder Welt- noch Europameister und hat, wie ein Blick ins gut sortierte Archiv beweist, auch noch nie die Champions League gewonnen. Dafür hat er sich in seiner Heimatstadt, in der sich die herausragenden sportlichen Erfolge derzeit ohnehin auf so Dinge wie den Klassenerhalt der Eishockeyspieler am Grünen Tisch beschränken, auf andere Weise unsterblich gemacht. Dollinger zapfte neulich beim Frühlingsfest das erste Fass Bier an und benötigte dafür insgesamt: einen einzigen Schlag! Da es unter Experten als ziemlich unwahrscheinlich gilt, dass er den Wechsel beim nächsten Mal dank seiner übersinnlichen Kräfte in den Banzen jagt, ohne den Schlegel überhaupt in die Hand genommen zu haben, hat Dollinger also bereits den Anzapf-Olymp erklommen. Mehr geht nicht.

Und nun? Macht er den Heynckes, legt alle Ämter nieder, hängt den Schlegel an den Haken und zieht sich auf einen Bauernhof am Niederrhein zurück, damit sich der Dritte Bürgermeister Michael Stanglmaier - so zu sagen als Pep Guardiola des Moosburger Rathauses - an seinem Vermächtnis die Zähne ausbeißen kann? Oder versucht er sich als bayerischer Henry und tingelt durch die USA, um seine Karriere als Zapfhahn-Guru bei diversen semiprofessionellen Oktoberfest-Kopien in der amerikanischen Provinz ausklingen zu lassen? Da ist's dann auch wurscht, ob er drei, vier oder wenn's sein muss auch mal fünf Schläge braucht. Da drüben ist er mit seiner Vorgeschichte gewiss unantastbar, gilt als beckenbauereske Lichtgestalt der Bierzeltkultur. Und wenn er an guten Tagen doch noch das Fass mit - sagen wir mal - soliden zwei Schlägen bezwingen sollte, dann wird's heißen: "Da schau her, er kann's immer noch, der Kaiser."

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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