Mitten in Hallbergmoos:Goldacher Patriotismus

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Karl-Heinz Bergmeier macht sich für den eingemeindeten Ortsteil stark

Von Gerhard Wilhelm

In Bayern gibt es den Spruch "Mia san Mia", der übrigens nicht nur dem FC Bayern München gehört. Im Prinzip sagt der nichts anderes aus, als dass ,der, der ihn ausspricht, sich um andere nichts schert. Er oder sie betrachtet sich als Mittelpunkt des Universums. Die anderen mögen sich bitte hinter ihm anstellen. "Mia san Mia" hat in Bayern quasi Tradition. Schon um 800 hat ein Mönchen auf einer Pergamenthandschrift das früheste "Mir san mir" gekritzelt, fand der Literaturwissenschaftler Reinhard Wittmann heraus.

"Mia san Mia" beschränkt sich im Freistaat aber nicht nur auf den Bayern im Allgemeinen. Nein, das geht runter bis zur Nachbarschaft auf dem Grundstück nebenan. Der Franke ist der Franke, der Schwabe der Schwabe und Bayern sind eben Bayern. Und die Freisinger sind die Freisinger und so weiter.

Seit aber immer mehr Kommunen größer werden und oft sogar gebietsmäßig zusammen wachsen, werden immer mehr Orte zu einer sogenannten Gebietskörperschaft zusammen gelegt. Zumindest politisch und verwaltungstechnisch. Die Betroffenen wurden da nicht gefragt. Und das hat in der Vergangenheit zu so manchem handfesten Streit geführt, bei dem das Verhältnis von Süd- zu Nordkorea dagegen quasi Necken unter Freunden ist.

Bestes Beispiel ist im Nachbarlandkreis Dachau die Gemeinde Hilgertshausen-Tandern. Nachdem sie von der Obrigkeit zwangsverheiratet wurden, schrien die Tanderer aus dem etwas kleineren Ort: "Mia san Mia!" und weigerten sich, unter das Joch der Hilgertshauser zu gehen. Sie boykottierten den gemeinsamen Gemeinderat, verbrannten Stimmzettel zur Kommunalwahl demonstrativ vor dem Wahllokal. Inzwischen hat sich die Aufregung ein bisserl gelegt, es heißt immer öfters: "Wir san wir".

Die Gebietsreform 1978 war auch für die Goldacher ein herber Schlag. Dessen Wirkung hält offenbar immer noch an. Ab und an bricht der alte Groll aus den Goldachern heraus, wie jüngst im Gemeinderat Hallbergmoos - dem Ort, mit dem man zwangsverbunden wurde - zu erleben war. Es ging um die Ausstattung des neuen Leichenhauses in Goldach. Hallbergmoos hat seit 2011 ein saniertes.

Goldach! Was hat dann in einem Tagesordnungspunkt, in dem es um das Goldacher Leichenhaus geht, ein Beschluss zu suchen, dass eine der beiden Kühlvitrinen zur Aufbahrung von Toten in Hallbergmoos stehen soll? Das geht gar nicht, dachte sich Gemeinderat Karl-Heinz Bergmeier und legte sein Veto ein. Mia san Mia und die zwei Vitrinen sind auch mia! Seine Kollegen waren im ersten Moment etwas verdutzt. Erst als man darauf hinwies, dass die Behälter mobil sind und bei Bedarf - was Gott verhüten möge! - die Hallbergmooser Vitrine nach Goldach transportiert werden könne, lenkte der Goldacher Gemeinderat ein. Aber nur grummelnd.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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