Mitten in Freising:Neue Namen ändern wenig

Wie Wortakrobaten unbequeme Tatsachen bemänteln

Von Johann Kirchberger

Es kommt vor, dass sich Namen irgendwie abgenützt haben, dass sie nicht mehr gefallen, oder plötzlich negativ besetzt sind. Dann besteht Handlungsbedarf, ein neuer Namen muss her. Der Begriff "Troika" beispielsweise, wie EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationale Währungsfonds gemeinsam bezeichnet werden, ist in Griechenland so unbeliebt, wie Schimmel an den Wänden. Die "Troika" wurde deshalb nun in "Institutionen" umbenannt. Am Spardiktat, das den Griechen aufoktroyiert wird, hat sich freilich nichts geändert.

Manchmal kommt es zu einer Namensänderung, weil man glaubt, einem nicht funktionierenden Projekt ein modernes Image verpassen zu müssen. So heißt der Flughafen Kassel-Calden jetzt Kassel-Airport. Von dort abfliegen wollen aber trotzdem nur wenige Menschen. Einem modernen Anstrich verleihen wollten die Arbeitsvermittler wohl auch ihrem "Arbeitsamt", als sie es "Agentur für Arbeit" tauften. Es kommt auch vor, dass die Protagonisten meinen, etwas besser erklären zu müssen. So hat der Freisinger Stadtrat seinen "Hauptausschuss" in "Finanz- und Verwaltungsausschuss" umbenannt. Das mag ja noch hingehen. Mit manchen Erklärungen kann man es freilich auch übertreiben, vor allem wenn daraus Begriffe entstehen, die lang, umständlich und nicht gerade einprägsam sind. So hat sich das "Vermessungsamt" jetzt in "Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung" umbenannt. Recht kompliziert klingt auch der Name, den sich die im Landratsamt angesiedelte "Heimaufsicht" gegeben hat. Sie heißt jetzt "Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht".

In manchen Fällen wurden Einrichtungen gleich mehrmals umbenannt. Aus den "Werkstätten für Behinderte" der Freisinger Lebenshilfe wurden erst die "Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Freising und Erding" und nun die "Isar Sempt Werkstätten GmbH". Darunter kann sich ein Außenstehender vielleicht nichts mehr vorstellen, aber das ist womöglich Absicht.

Sehr erfindungsreiche Namensschöpfer sind Schulpolitiker, vor allem wenn es etwas zu kaschieren gilt. Weil die Rückkehr vom acht- zum neunstufigen Gymnasium so etwas wie das Eingeständnis einer Fehlentscheidung wäre, wurde daraus nun der Modellversuch "Mittelstufe Plus". Als der Begriff "Hilfsschule" einen negativen Klang bekam, nannte man sie zunächst "Pestalozzi-Schule" und nun "Förderschule". Auch die "Volksschule" war eines Tages nicht mehr zeitgemäß. Sie wurde umbenannt in "Grund- und Hauptschule". Doch auch die "Hauptschule" war bald negativ besetzt, manche nannten sie sogar abwertend "Restschule". Nun versucht es das Kultusministerium mit dem Begriff "Mittelschule". Das soll offenbar darüber hinwegtäuschen, dass hier Kinder unterrichtet werden, die es nicht aufs Gymnasium oder Realschule geschafft haben. In ein paar Jahren muss wohl wieder ein neuer Name her.

Nichts passt besser für die meisten Namensänderungen wie das Bibelzitat "Neuer Wein in alten Schläuchen". Im Matthäus-Evangelium (9,17) heißt es aber warnend: "Auch füllt man nicht neuen Wein in alte Schläuche, sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche verderben; sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche". Stimmt, wird aber ganz selten gemacht.

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