Mitten in Freising:Ein Hoch auf Claus Weselsky

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Der Gewerkschaftsführer bringt die Menschen wieder zusammen

Von Gerhard Wilhelm

Einer der meistgehassten Männer in Deutschland dürfte derzeit der Chef der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) Claus Weselsky sein. Die Schimpfworte prasseln geradezu auf ihn ein, weil er mal wieder verkündet hat, den Bahnverkehr für mehrere Tage lahm zu legen. Eine Zeitung schrieb sogar von einem "Wutsturm gegen den ,Rabauken'".

Die bisherigen Streiks zeigten, was für Folgen ein Ausstand der Lokführer hat: Die Fahrt zur Arbeit mit dem Zug wird zum Geduldsspiel, dauert ewig oder wird auf einigen Strecken gar unmöglich. Überhaupt wird es schwer, mit der Bahn in Deutschland von A nach B zu kommen. Vorher wusste man wenigsten, dass ein Zug fuhr - nur nicht, wann er losfuhr oder am Zielort ankam. Wofür aber die Lokführer nichts konnten.

Dabei wird Weselsky Unrecht getan. Der Mann verdient eher eine Auszeichnung. Was heißt eine? Mehrere! Autovermieter haben ihn bereits mehrmals zum Mitarbeiter des Monats ernannt. Warum ihm die Taxifahrer und Busunternehmer - vor allem von Fernbussen - noch nicht gehuldigt haben, ist ein Rätsel. Und auch die Mineralölindustrie, die Tankstellenpächter jubeln! Was bleiben einem schon auf manchen Strecken für Alternativen übrig außer dem eigenen Auto?

Doch der GDL-Chef sorgt sich nicht nur um seine Gewerkschaftsmitglieder, sondern auch um das gesellschaftliche Gesamtwohl, den sozialen Zusammenhalt. Er wäre sogar ein Kandidat für den Freiherr-vom-Stein-Preis. Damit wird das Engagement von Bürgern im sozialen Bereich ausgezeichnet. Denn dank Weselsky reden plötzlich viele Menschen wieder miteinander ("Ist doch ein Scheiß der Streik."), kommen zusammen ("Wollen wir eine Fahrgemeinschaft bilden?"), werden plötzlich wieder viel flexibler ("Kann sein, dass ich später komme. Sie wissen schon. Streik.") Weselsky sorgt für eine Entschleunigung im stressigen Alltag.

Und auch Eltern hilft ein Lokführerstreik, denn die Erzeherinnen in den Kindertagesstätten streiken. Also wohin mit den Kids, wenn, wie am Dienstag, fast alle zu machen und selbst Notgruppen ausfallen? Da fällt es doch leichter, dem Arbeitgeber zu sagen, dass man wegen des Bahnstreiks nicht kommt und verbringt mit den Kindern einen schönen Tag. Man sieht sie eh zu selten.

In einem Punkt merkt man aber doch, dass es Weselsky nur um seine Leute geht: Er hat sich null mit den Freisinger Erzieherinnen und Sozialpädagogen abgesprochen. Was nützt es, wenn diese Dienstag alles dicht machen, aber die Lokführer angekündigt haben, erst von Mittwoch um zwei Uhr an zu streiken?

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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