Mehr Raum für die Isar:Die Rückkehr der Lavendelweide

Lange hat man die Isar in ein Steinkorsett gezwängt. Der Natur hat das nicht gut getan. Nach den Renaturierungsmaßnahmen siedeln sich jetzt viele Pflanzen und Tierarten wieder an

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Jahrzehntelang war die Isar in ein Steinkorsett gezwängt und zum "Rinnsal" verkümmert. Bis das Wasserwirtschaftsamt auf Drängen der Naturschützer begann - zuerst zaghaft, dann mutiger - die Ufersteine entlang des Flusslaufes zu beseitigen. Auch zwischen Oberhummel und Landshut. In der Rosenau bei Langenpreising wurde 2008 auch der Deich verlegt, wodurch auch die Aue ihren Raum zurück bekam, wie Christian Magerl, Landtagsabgeordneter der Grünen und Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (BN) Freising bei einer Exkursion an die Isar bei Oberhummel sagt. Der "Isarplan 2020" sieht eine weitgehende Renaturierung der Isar zwischen München und Moosburg vor. Mit Erfolg. Die Isar hat sich ihren Raum zurück erobert. "Jetzt haben wir wieder einen richtigen Auwald und viele Tiere und Pflanzen sind zurück gekehrt."

"Breitwasser statt Hochwasser" lautet das Motto des Bund Naturschutz seit Jahren. Dass die Maßnahmen des Wasserwirtschaftsamtes für den Hochwasserschutz viel bringt, ist deshalb für Magerl "völlig unstrittig". 300 000 Kubikmeter Retentionsraum sei geschaffen worden, seitlich an Flüssen und Bächen gelegene Flächen, auf denen sich bei Hochwasser das Wasser ausbreiten und ansammeln kann. Es fließt dort nur noch langsam oder steht. Damit wird weiter unten am Fluss der Hochwasserabfluss verzögert und die Wasserstände werden verringert. Den Abschnitt bei Oberhummel bezeichnet deshalb Magerl als "mustergültig". Und die Isar werde sich bestimmt noch ein Stück erweitern.

Mehr Raum für die Isar: Was bei Oberhummel gefunden wird, zeigten (v. l.): Christian Magerl, Wolfgang Willner, Christine Margraf, Klaus Manderla, Oksana Henning und Manfred Drobny.

Was bei Oberhummel gefunden wird, zeigten (v. l.): Christian Magerl, Wolfgang Willner, Christine Margraf, Klaus Manderla, Oksana Henning und Manfred Drobny.

(Foto: Marco Einfeldt)

Doch was bringt die Renaturierung der Natur? Dazu untersucht der Bund Naturschutz seit April 2015 die Ökologie am Fluss. Gefördert wird das Projekt mit 11 000 Euro vom bayerischen Naturschutzfonds. Die Arbeit wird aber überwiegend ehrenamtlich geleistet, wie Christian Magerl sagt. Zahlreiche Spezialisten, auch von der Zoologie der Technischen Universität München, untersuchen und dokumentieren seitdem die Veränderungen bei der Vegetation, den Tieren und dem Fluss selbst. Im Juli soll dem eine Gruppe Studenten Erholungssuchende befragen, wie sie die Isar jetzt finden und was sie über den Fluss und die ihn umgebende Natur wissen. Denn eines der Probleme der Isar sei der Freizeitdruck, so Wolfgang Willner, Zweiter Vorsitzender und Insektenexperte. "Wir müssen die Besucherströme lenken und mehr darauf verweisen, dass durch die Einschränkungen der Freizeitmöglichkeiten die Qualität des Lebensraumes steigt."

Bilder der Isar vor der Renaturierung und aktuelle Luftaufnahmen zeigen: Der Fluss ist breiter geworden, es gibt mehr und größere Kiesbänke, zudem liegt viel Totholz herum. Sie zeigen die gewonnene Strukturvielfalt, wie der BN-Vorsitzende sagt. Und auch die erste Bestandsaufnahme ergab Erfreuliches. "Inzwischen brüten hier sieben Eisvögelpaare. Eine Zahl, die wir vorher noch nie hatten", sagt Magerl. Außerdem sei beobachtet worden, dass ein Flussregenpfeifer versucht habe, zu brüten. "Leider vergebens", sagt Magerl. Der wiedergewonnen Charakter eines Bergflusses sei auch für durchziehende Vögel von "immenser Bedeutung".

Mehr Raum für die Isar: Nach der Renaturierung ist die Isar wieder zu einem Ort für Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste für besonders gefährdete Arten geworden.

Nach der Renaturierung ist die Isar wieder zu einem Ort für Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste für besonders gefährdete Arten geworden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auch die Vegetation verjüngt sich nach ersten Untersuchungen. Vor allem seltene Weidenarten würden wieder heimisch werden entlang der Isar und den Kiesbänken, die durch die wieder gewonnene Dynamik des Flusse entstehen. Die Rückkehr vieler Arten sehe man auch bei dem gewonnenen Auenland durch den Deichrückbau bei Rosenau. Sogar so seltene Arten wie die Lavendelweide, die sonst nur am Oberlauf der Isar wache, habe man entdecken können. Viele Samen kämen über die Hochwässer flussabwärts und würden nun dort Keimmöglichkeiten finden.

Klaus Manderla berichtete von den Ergebnissen bei den Insekten, die man mittels Gelbschalen und Fallen ermittelt habe. Es gebe wieder viele Wespen, Bienen, Spinnen und Warzen. Sogar eine äußerst seltene Sandbiene sei ihnen in die Falle gegangen. "Das endgültige Ergebnis wird für Herbst erwartet. Aber ich bin mir sicher, noch weitere interessante Arten zu entdecken", sagte Manderla. Auch Insektenexperte Willner berichtete von "zwei, drei Arten", die auf der Roten Liste stehen. Zum Beispiel bei der Wolfsspinne oder Libellenarten.

"Wir waren überrascht, wie schnell sich die Isar erholt hat", sagte Christine Margraf, die Artenschutzreferentin des Bund Naturschutz Bayern. Auch nach dem Auslaufen des Projekts werden man sicher die Arbeit weiter fortsetzen.

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