"Medizindialog" im Saal des Pflegeheims an der Rotkreuzstraße:Ärztepräsident räumt Fehler ein

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Frank Ulrich Montgomery kritisiert das wenig transparente Abrechnungssystem für Ärzte und die Pharmaindustrie. Zudem ist er für eine Impfpflicht und medizinische Grundversorgung für Asylbewerber auf Kosten der Krankenkassen

Von Johann Kirchberger, Freising

Als Zugpferd hatte der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery für seinen ersten Medizindialog mitgebracht. Und der erfüllte diese Aufgabe voll und ganz. Der Saal im Pflegeheim an der Rotkreuzstraße war rappelvoll, vorwiegend Besucher medizinischer Berufe wollten Montgomery hören.

Und der ging in einer Fragerunde dann auch durchaus kritisch mit dem Gesundheitssystem um. Etwa was das wenig transparente Abrechnungssystem für Ärzte betrifft. Ein Systemfehler, wie er sagte. Der vorgebrachten Kritik an der Qualität von Krankenhäusern stimmte er ebenfalls zu. Qualität könne man nicht allein daran messen, wie gut ein Arzt operiere, sagte er, berücksichtigt werden müsse auch, ob die Operation überhaupt notwendig gewesen sei. Was ihm gar nicht gefalle, räumte der Ärztepräsident ein, sei die "historische Entwicklung", möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit durch die Praxen zu schleusen.

Verständnis habe er dafür, so Montgomery, wenn sich Fachärzte auf dem Land rar machten. "Junge Menschen ziehen in die Städte, die Ärzte ziehen ihnen hinterher". Wenn auch Hausärzte in manchen Gegenden knapp würden, liege das aber nicht am Geld, stellte er fest, sondern meist an den Arbeitsbedingungen. Die ständige Erreichbarkeit, die mangelnde Gelegenheit sich vertreten zu lassen, fehlende Jobs für den Partner, zu wenig Schulen, zählte er auf. Und da sei da auch noch der verständnisvolle Wunsch vieler Ärzte, nicht mehr so viel zu arbeiten.

Vorwiegend Besucher medizinischer Berufe wollten den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery (links), hören. (Foto: Marco Einfeldt)

Hart ins Gericht ging Montgomery mit der Pharmaindustrie. "Unanständig" nannte er deren Verhalten, für gewisse Medikamente "Mondpreise" zu verlangen. Als Beispiel war zuvor ein besonders wirksames Mittel gegen Hepatitis C genannt worden, bei dem eine Kur 50 000 Euro koste. Kein Verständnis habe er auch dafür, so der Präsident der Bundesärztekammer, dass im Gesundheitswesen für Pillen 50 Prozent mehr Geld ausgegeben werde, als für Mediziner.

Als "besonders schändlich" nannte Montgomery das Verhalten der Pharmaindustrie im Fall Ebola. Ein wirksamer Impfstoff gegen diese Seuchenkrankheit sei nämlich vorhanden, komme aber nicht auf den Markt, weil sich damit kein Geld verdienen lasse, die Menschen in Afrika könnten solche Mittel nicht bezahlen.

Kein Verständnis zeigte Montgomery auch dafür, wenn Eltern ihre Kinder bewusst nicht impfen zu ließen, etwa gegen Masern. "Es gibt kein besseres präventives Mittel als Impfen", sagte er. Deshalb sei er für eine absolute Impfpflicht. Er gehe sogar so weit, sagte der Ärztepräsident, dass er es ungeimpften Kindern nicht erlauben würde, Kitas zu besuchen. Montgomery befürwortet zudem eine medizinische Grundversorgung für Asylbewerber auf Kosten der Krankenkassen. Auch diese Menschen hätten ein Recht auf medizinische Versorgung und müssten geimpft werden, schon zum Schutz der eigenen Bevölkerung.

Nicht ganz so begeistert von dieser Idee zeigte sich Irlstorfer. Einer so genannten Gesundheitskarte für Asylbewerber stehe er skeptisch gegenüber, räumte er ein. Grundversorgung ja, so der Abgeordnete, aber eine Gleichstellung mit normalen Krankenkassenpatienten lehne er ab. Er sei auch grundsätzlich gegen eine Impfpflicht, betonte Irlstorfer, der im Berliner Parlament Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, stehe jedoch hinter der im neuen Präventionsgesetz eingeräumten Möglichkeit für Kindertageseinrichtungen, ungeimpfte Kinder abzulehnen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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