"Machtspielchen, Intrigen und Mobbing":Pflüger verlässt Freisinger Mitte

Stadtrat kündigt Austritt aus dem Wählerverein an und nennt Enttäuschung über die Entwicklung der Gruppe als Grund

Kerstin Vogel

Die "Freisinger Mitte" (FSM) kommt nicht zur Ruhe. Nur zwei Tage vor der Mitgliederversammlung, bei der ein komplett neuer Vorstand gewählt werden muss, hat FSM-Stadtrat Oliver Pflüger am Mittwochabend in der Fraktionssitzung eine Bombe platzen lassen und für kommenden Montag seinen Austritt aus der Wählervereinigung und der Fraktion mitgeteilt. Im Stadtrat will Pflüger künftig als fraktionsloses Mitglied agieren. OB Tobias Eschenbacher und der Vereinsvorsitzende Florian Notter wurden von ihm am Donnerstagvormittag offiziell informiert.

Hintergrund von Pflügers Entscheidung ist seine Enttäuschung über die Freisinger Mitte und die Entwicklung, die der Wählerverein seit seiner Gründung vor knapp anderthalb Jahren genommen hat - und Pflüger spart nicht mit Kritik. Die FSM sei mit hohen Ansprüchen angetreten, habe Werte wie "Transparenz", "Fairness", "Offenheit", "Mitbestimmung" und "Demokratie" verkörpern und sich klar von den Strukturen etablierter Parteien abheben wollen, heißt es in einer Erklärung des FSM-Stadtrats. Genau diese Ideale sowie der Erfolg, einen OB stellen zu können, hätten der Freisinger Mitte großen Zulauf beschert. Doch die Vorsätze und Prinzipien seien stückweise aufgegeben worden, so Pflüger: "Die FSM ist in Lichtgeschwindigkeit angekommen, wo sie nie hinwollte."

Entscheidungen im kleinsten Kreis, "Machtspielchen, Intrigen, Mobbing, Denunziationen und Diffamierungen" gehörten mittlerweile zum täglichen Handwerkszeug auf allen Ebenen der FSM, kritisiert Pflüger in harschen Worten weiter: "Ich selbst durfte dies widerkehrend erfahren. Dies kann und möchte ich nicht akzeptieren, deshalb und aufgrund fehlender Aussicht auf Besserung sah ich mich gezwungen, den jetzigen Schritt zu unternehmen." Man stehe vor dem Trümmerhaufen einer guten Idee: "Dies in Ordnung zu bringen, ist eine große Aufgabe - derzeit sehe ich nicht, wer diese leisten könnte."

Eschenbacher reagierte gestern gelassen auf die Vorwürfe Pflügers. Mit diesem habe es von Beginn an Konflikte gegeben, sowohl mit der Fraktion als auch im Verein: "Das hat sich nicht lösen lassen." Die Vorwürfe gegen die FSM weist Eschenbacher allerdings zurück: "In meinen Augen haben wir da eine gute Mannschaft, die Arbeit funktioniert sehr gut und ich sehe absolut keine Abkehr von unseren Zielen." Natürlich laufe aktuell ein Gruppenbildungsprozess, in dem Pflüger für sich wohl keinen Platz gefunden habe, räumt der OB ein: "Aber ich will keine schmutzige Wäsche waschen. Er hat im Verein und in der Fraktion viel getan und es ist bedauerlich, dass er die FSM jetzt so verlässt." Im Stadtrat verliert die Freisinger Mitte mit Pflüger seit ihrer Abspaltung von der CSU im Sommer 2011 bereits das dritte Mitglied der ursprünglichen Fraktion.

Damals hatten sich zunächst acht Stadträte von den Christsozialen getrennt, wenig später wechselte mit Ricarda Schindler noch eine Kollegin von den Grünen zur Freisinger Mitte, die dadurch vorübergehend sogar stärkste Kraft im Stadtrat wurde. Mit der Wahl von Eschenbacher zum Oberbürgermeister wurde die Fraktion allerdings wieder auf acht Köpfe reduziert. Denn weil es die Wählervereinigung zur Kommunalwahl 2008 noch nicht gegeben hatte, kam der Nachrücker für Eschenbacher von der CSU-Liste. Gleiches galt, als Stadtrat Florian Notter im Herbst 2012 zum Leiter des Stadtarchivs ernannt wurde und seinen Sitz im Stadtrat aufgeben musste. Durch die Entscheidung Pflügers stellt die FSM nur noch sechs Stadträte. Pflüger wird als Einzelkämpfer unterwegs sein: "In Verpflichtung der Freisinger Bürger, die mich in den Stadtrat gewählt haben und meiner Heimatstadt gegenüber", wie er in seiner Erklärung schreibt.

Wie der Wählerverein auf die neueste Entwicklung reagiert, dürfte sich an diesem Freitag zeigen. Die rund 180 Mitglieder treffen sich um 19.30 Uhr im Hofbräuhauskeller, um einen Vorstand zu wählen. Nötig geworden war dieser Schritt, nachdem der bisherige Vorsitzende Florian Notter angekündigt hatte, sein Amt abgeben zu wollen. Als Nachfolger hat sich der 42-jährige Patrick Romer angeboten, von einem Gegenkandidaten ist bislang nicht die Rede. Anders sieht es bei den Stellvertreterposten aus. Hier gibt es voraussichtlich mehrere Bewerber. Pflüger spricht in seiner Erklärung von "Gerangel um Vorstandsposten" und wirft den Vereinsmitgliedern vor, es gehe nur um die "möglichst beste Positionierung für einen guten Listenplatz". Eschenbacher kann das nicht nachvollziehen: "Es gibt noch keine Liste."

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