Legendäres Faschingstreiben:Irrwitziges Spektakel hinter dem Nebel

Wo Obelix und Idefix sich küssen und Mickymaus mit dem Tiger tanzt: Beim Nachtumzug in Gammelsdorf treffen sich unzählige Narren, um gemeinsam das Leben zu feiern.

Von Rebecca Seeberg, Freising

Wer am Montagabend in die kleine Landstraße Richtung Gammelsdorf gefahren ist, den erwarteten gespensterhafte Szenen. Nebel flutete die Felder, dunkle, bepelzte Wesen tauchten am Straßenrand auf, um gleich darauf in dem dicken Dunst wieder zu verschwinden und seltsame, fast menschenähnliche Laute von sich zu geben. Sonst war es still auf der Straße - es schien fast, wie die Ruhe vor dem Sturm. Und ja, ein Sturm war es, ein Ansturm auf das kleine, sonst so idyllische Örtchen Gammelsdorf, das Hunderte von Faschingsbegeisterten überfluteten. In grellen Farben, flauschigen Ganzkörperanzügen und Miniröcken aus Polyester feierten Jung und Alt das Leben. Fast schien es, als wäre man ins 14. Jahrhundert zurückgeworfen, als hier die Schlacht zwischen dem Wittelsbacher König Ludwig dem Bayern und seinem Widersacher Herzog Friedrich, einem Habsburger, tobte.

Und das in einer durch und durch zünftigen und katholischen Gegend, in der die Pfarrkirche St. Vitus das Ortsbild bestimmt. "Habemus Narren", die Menschenmenge bebte vor Lebensfreude. "Lasst uns dem allgemeinen Unsinn huldigen!" Partymobile verstopften die Sträßchen. Erotikmärkte, Après Ski-Partys und übermäßig viele Burschenvereine rollten auf Rädern durch das Dorf. "Jungbauern an Bord" nahmen den Nachtumzug als Gelegenheit, das zehnjährige Bestehen von "Bauer sucht Frau" zu feiern. Ein Glück, dass hin und wieder ein Mönch in brauner Kutte durch die Massen schritt - ein Bierfass in einem Bollerwagen hinter sich her ziehend.

Für Unterhaltung und das leibliche Wohl der aus allen Ecken des Landkreises angereisten Faschingsverrückten war gesorgt. Um 17.30 Uhr begann das Programm auf der Showbühne, auf der die Narrhallas mit ihren Prinzenpaaren aus Mauern, Gammelsdorf und Nandlstadt ihr Können zum Besten gaben. Auch die Moderation passte sich dem unsinnigen Faschingstreiben an, und so führten "Die Muntermacher Max und Marie" durch das Programm. Um 19 Uhr begann dann endlich der Nachtumzug, der prompt wieder ins Stocken geriet, als einer der Traktoren eine Panne hatte und die Straße blockierte. Der allgemein guten Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Bier und Glühwein flossen in Strömen und die Tänze wurden immer ausgelassener.

Der Übermut tat indes nicht jedem gut. Schon um halb acht griff die Polizei einen 18-Jährigen auf, der in aller Öffentlichkeit gemütlich am Straßenrand einen Joint rauchte. Die aufgeheizte Stimmung führte am späteren Abend sogar zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendlichen, bei dem ein 16-Jähriger sich nicht unerheblich im Gesicht verletzte. Wegen Alkohols am Steuer musste sich außerdem ein 23-Jähriger verantworten. Sonst habe es aber keine weiteren nennenswerten Probleme gegeben, so die Polizei.

Während sich diese kleinen Dramen abspielten, ging der Faschingstrubel ununterbrochen weiter. Grölend torkelte eine Gruppe von flauschigen rosa Häschen durch die Menschenmenge und wiegte sich zu Helene Fischers "Atemlos durch die Nacht" im Takt. Zu "Das rote Pferd" tanzte Mickymaus mit einem Tiger und zu "Skandal im Sperrbezirk" küssten sich Obelix und Idefix, während ein Jedi-Ritter ganz in der Nähe mit einem Klonkrieger schmuste. In einer Ecke betrachtete Winnie Puh mit seinen Freunden die verstörenden Szenen und umklammerte seinen Honigtopf. Generell geht er doch lieber auf die Jagd nach Heffalumps, als nach Lust und Liebe.

Am Morgen dürften einige mit bösen Kopfschmerzen aufgewacht sein - auch Dorfbewohner, die unfreiwillig in den legendärsten Faschingsumzug der Gegend geraten sind. Doch bevor es in die Realität hinter dem Nebel zurück ging, blieb man gerne ein wenig länger in der irrwitzigen, schrillen Gammelsdorfer Faschingswelt.

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