Langenbach:Flüchtlinge doch willkommen

Langenbach: Ungewöhnlicher Andrang im Alten Wirt in Langenbach: Gut 180 Besucher waren zu der Informationsveranstaltung über den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft gekommen. Die Mehrheit machte schnell deutlich, dass sie gewillt ist zu helfen.

Ungewöhnlicher Andrang im Alten Wirt in Langenbach: Gut 180 Besucher waren zu der Informationsveranstaltung über den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft gekommen. Die Mehrheit machte schnell deutlich, dass sie gewillt ist zu helfen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Gut gemachte Informationsveranstaltung nimmt Gegnern einer Unterkunft für Asylbewerber in der Gemeinde den Wind aus den Segeln. Schnell wird klar: Die Mehrheit will auch hier eine baldige und gute Integration

Von Christoph Dorner, Langenbach

Die Informationsveranstaltung zu der geplanten Asylbewerberunterkunft am westlichen Ortseingang der Gemeinde war gerade ein paar Minuten alt, als auf die Stille und das leise Murmeln der erste Applaus folgte. Er sollte maßgeblich für den weiteren Verlauf des Abends im voll besetzten Bürgersaal des Gasthofs Zum Alten Wirt sein.

Bürgermeisterin Susanne Hoyer hatte gerade über die schnelle und günstige Holzständerbauweise der Unterkunft gesprochen, in der vom Jahresende an 78 Flüchtlinge leben sollen, wenn der Gemeinderat am kommenden Dienstag eine Baugenehmigung für das doppelstöckige Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Kiesgrube erteilt. Dann kam sie darauf zu sprechen, wie eine Integration der überwiegend jungen, männlichen Asylbewerber gelingen könne. Der Schlüssel ist einmal mehr der Sport. So sollen neben der Unterkunft auf Kosten der Gemeinde ein Beachvolleyballfeld und ein Bolzplatz entstehen, die auch der Langenbacher Bevölkerung offen stehen sollen. "Unsere Idee ist: Über den Sport haben sich schon viele Nationen verbunden", sagte Hoyer.

Dafür gab es ihn dann, den ersten Applaus.

Die Bürgermeisterin

Susanne Hoyer war zu Beginn der Veranstaltung sichtlich nervös gewesen. "Moralischen Beistand" könne sie gut gebrauchen, sagte sie. Denn die Eindrücke von der Gemeinderatssitzung vom Dienstag, als rund 40 Bürger im stickigen Sitzungssaal gegen den Standort und die Größe der Asylbewerberunterkunft protestiert und dabei auch 60 Unterschriften gegen den Bau der Unterkunft hinterlassen hatten, waren noch frisch. Außerdem waren außergewöhnlich viele Zuhörer in den Bürgersaal gekommen, so dass für die gut 180 Personen zusätzliche Stühle aus einem Nebenraum geholt werden mussten.

Hoyer schilderte zunächst ihre vergebliche Suche nach dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Ort. Deshalb habe Landrat Josef Hauner (CSU) wegen der steigenden Flüchtlingszuweisungen Druck gemacht, einen Standort für eine Container-Unterkunft für etwa 40 Personen zur Verfügung zu stellen. Auch hier habe man zunächst kein Grundstück gefunden, so dass eine Belegung der Turnhalle an der Bahnhofstraße bereits zur Debatte stand. Dass man den Bürgern nun eine konkrete Lösung anbieten könne, um die Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen sogar überzuerfüllen, liege an der Zusammenarbeit mit einem Investor, der Adldinger Bauwerk GmbH aus Kranzberg, die derzeit mit dem Freisinger Architekten Reinhard Fiedler auch eine vergleichbare Unterkunft für 155 Asylbewerber in Moosburg plane. Beide waren anwesend.

Die Flüchtlingsunterkunft

Das Gebäude soll im unteren Bereich der ehemaligen Kiesgrube unweit der B11 gebaut werden. Das Grundstück gehört der Gemeinde. Da es sich laut Baurecht um ein "privilegiertes Bauvorhaben" handelt, ist kein qualifizierter Bebauungsplan notwendig, was die Fertigstellung erheblich beschleunigt. Nach einem positiven Gemeinderatsbeschluss und einer vierwöchigen Einspruchsfrist könnte der Spatenstich Anfang September erfolgen, sagte Architekt Reinhard Fiedler.

Das 49 Meter lange und etwa 14 Meter breite Holzgebäude, das den Energiesparvorschriften entspricht, soll in zehn Apartments für vier Personen und 19 Apartments für zwei Personen unterteilt sein. Für die Hausgemeinschaft soll es zudem mehrere Küchen, sanitäre Anlagen und Gemeinschaftsräume geben. Weil in den großen Apartments bei Bedarf auch Familien untergebracht werden sollen, sind im Außenbereich Spielgeräte und ein Sandkasten vorgesehen. "Ich kann Ihnen versichern: Es ist kein Wellness-Bereich dabei", sagte Hoyer, die stattdessen die Vorzüge des Standorts betonte: die Nähe zum Langenbacher Nahversorgungszentrum und zum Radweg Richtung Freising sowie die fußläufige Erreichbarkeit des Bahnhofs.

Mit einer Einrichtung für 78 Personen liege man zwar über der derzeitigen Forderung des Landratsamtes, sagte Hoyer. Dies könne sich aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen jedoch schnell ändern. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Landkreis 48 statt bisher 37 Flüchtlinge aufnehmen muss. Ab einer Unterkunft für mindestens 75 Personen bezahle zudem die Regierung zwei halbe Stellen für einen Sozialpädagogen und einen Hausmeister.

Auf Nachfrage betonte der Kranzberger Investor und CSU-Gemeinderat Andreas Adldinger, dass der Bau der Unterkunft erst ab dieser Größe wirtschaftlich sei. Sollten die Appartements in ferner Zukunft nicht mehr zur Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden, sollen sie jungen Menschen während ihrer Ausbildung zur Verfügung gestellt werden. Aus der Asylbewerberunterkunft könne dann eine Art Campus werden, sagte Hoyer.

Die Helfer

Irmgard Eichelmann vom "Netzwerk Asyl" des Landratsamts hat schon viele solcher Informationsabende wie in Langenbach organisiert. In der Regel erlebe sie bei den Veranstaltungen große Hilfsbereitschaft seitens der Bevölkerung, manchmal aber auch Ängste vor den Fremden. Dass aber vorab eine Unterschriftenliste gegen den Bau einer Asylbewerberunterkunft kursiert, das war auch für die Sozialpädagogin eine neue Situation. Dabei hatte sich für Eichelmann die Praxis, Mitglieder bestehender Helferkreise von ihren Erfahrungen mit Flüchtlingen erzählen zu lassen, als probates Mittel erwiesen, um Ängste und Vorurteile abzubauen.

Dies funktionierte auch in Langenbach, wo Flüchtlingsbetreuer aus Eching über die Situation in Dietersheim sprachen. Dort hatte es zunächst ebenfalls große Bedenken gegen die Unterbringung von 66 Flüchtlingen in der alten Schule gegeben. "Am Anfang war die Bevölkerung nicht begeistert. Das hat sich geändert", sagte Franz Nadler, der dem Helferkreis angehört. Es gebe durchaus Probleme mit den Flüchtlingen, sagte Nadler, etwa gelegentliche Ruhestörungen, weil die Flüchtlinge im Garten der Unterkunft mit ihren Angehörigen zu Hause telefonierten. Oder die mangelhafte Sauberkeit in den Gemeinschaftsküchen und seltene Streitigkeiten unter den Bewohnern. Drei Mal musste man deshalb innerhalb von sechs Monaten die Polizei rufen. Die häufigste Straftat sei Schwarzfahren, weil sich viele Flüchtlinge mit dem Nahverkehr schwer täten, ergänzte Eichelmann. Wenn man aber bedenke, wie viele verschiedenen Nationen und Religionen in Dietersheim unter einem Dach wohnen würden, sei das ein Klacks, betonte Nadler. Auf der anderen Seite würde der Helferkreis mittlerweile fünf Mal in der Woche Deutschunterricht anbieten.

Im Bürgersaal meldete sich daraufhin eine junge Frau. Sie ist erklärte sich bereit, den Langenbacher Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Auch über eine Integration der Menschen in das örtliche Vereinsleben wurde bereits laut nachgedacht. Eine Helferliste wurde herumgereicht, eine Koordinierungsstelle im Rathaus eingerichtet. "Meine Vision ist, dass es beim nächsten Bürgerfest afrikanisches Essen gibt", sagte eine Frau am Ende des Abends.

Die Diskussion

Eine Sache hatte Bürgermeisterin Susanne Hoyer zu Beginn der Veranstaltung klargestellt: "Rassistische Fragen und Beiträge sind unerwünscht." Hoyer hatte noch am Mittwochnachmittag befürchtet, dass die Stimmung im Bürgersaal nach den Erlebnissen bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend eskalieren könnte. Dass es erst gar nicht so weit kam, lag wohl auch daran, dass die Mehrheitsverhältnisse im Saal mit dem ersten Applaus geklärt waren.

Erst als ein Mann mittleren Alters aus Eichelbrunn von einer "Verschleierungspolitik" durch die Bürgermeisterin und einer "Ghetto-Bebauung" am Ortsrand spricht, wird es kurz unruhig im Saal. Sofort hält jemand ein Schild in die Luft, auf dem steht: Refugees Welcome.

"Wir haben nichts vertuscht", entgegnete Hoyer, die darauf verwies, dass man nach einer Beratung in nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderats innerhalb von fünf Tagen mit einem Flyer an die Öffentlichkeit gegangen sei. Auch die Angst vor einer Ansteckungsgefahr mit Infektionskrankheiten und die Besorgnis vor Überfremdung und einem Männerüberschuss im Ort wurden geäußert. Hier waren es zwei junge Langenbacher, die in die Bresche sprangen: Auf die Frage eines älteren Mannes, warum die Männer aus Afrika denn keine Frauen mitbrächten, antwortete ein junger Mann: "Wissen Sie, die Reise über etliche tausend Kilometer ist verdammt anstrengend."

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