Lange Nacht:Rettungszylinder und Bolzenschneider

Besucher können sich in der Hauptfeuerwache über die vielseitigen Aufgaben der Feuerwehren infomieren

Christian Gschwendtner

Der junge Mann im Feuerwehr-Freizeitgewand gibt mit einer einladenden Handbewegung die Richtung vor. Mit einer Engelsgeduld gewährt er Scharen von Neugierigen Einblicke in seine Welt. Es ist eine Welt in der sich vieles um Spezialtechnik dreht; um hydraulische Rettungsgeräte vom Rettungszylinder bis Spreizer, um Membranpumpen oder wasserbetriebene Überdrucklüfter. Dem hochgewachsenen Lockenkopf Moritz van Elsacker gefällt das, als Eingeweihter spricht er natürlich auch die Sprache der Feuerwehr. Für den 24-jährigen Agrarwissenschaftsstudenten aus dem Bodenseekreis liegt in den abenteuerlichen Geräten der besondere Reiz. Seit drei Jahren engagiere er sich bei den Freiwilligen in Freising, sagt er, und lerne immer noch dazu.

Seine Begeisterung teilen am Samstagabend an die 3000 Freisinger. In Scharen strömen sie zur "Langen Nacht der Feuerwehr" auf das ehemalige Schlachthofgelände. Freisings freiwillige Brandbekämpfer läuten dort ihr Jubiläumsjahr zum 150-jährigen Bestehen ein. Die Menschen rennen ihnen buchstäblich die Türen ein, nicht umgekehrt wie im Ernstfall. Kein Wunder, die Feuerwehr hat sich für diesen Ehrentag mächtig ins Zeug gelegt. Sie hat eigens eine Wohnzimmergarnitur abgefackelt, um in einem nachgebildeten Brandraum die Aufgaben eines Löschtrupps zu zeigen. Es gibt einen Nebelraum, aus dem man dank Wärmebildkamera und Geleitschutz eines Feuerwehrlers in Einsatzmontur wieder problemlos herausfindet. Und auf dem Vorplatz der Hauptfeuerwache sprechen drei bis zur Unkenntlichkeit ausgebeulte Unfallfahrzeuge eine drastische Sprache. Inmitten dieses Anschauungsmaterials entspinnt sich zwischen Eltern und Kindern schnell ein fachmännisches Gespräch. Väter verlieren sich in Monologen über Bolzenschneider und Bügelsäge, Söhne schwingen sich hinter das Lenkrad von Tanklöschfahrzeugen. Dass das Feuerwehr-Metier keine reine Spaßveranstaltung ist, darauf weist Katrin Wöhrl - eine von zehn Frauen bei den Freiwilligen in Freising - hin: "Der Ein- und der Austritt ist freiwillig, alles dazwischen ist Pflicht", bemerkt sie mit Augenzwinkern. Ansonsten steht die 32-Jährige - ebenso hilfsbereit wie ihre Kollegen - den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite, erklärt Helmkennzeichnungen, Sanitätsabzeichen oder die Sitzplatzverteilung im Löschgruppenfahrzeug. René Dreier kippt im Fachbereich Gefahrengut zu Anschauungszwecken neongelb gefärbtes Wasser, das aus einem leckenden Tankwagen spritzt, in einen Auffangbehälter und schüttelt angesichts der Bandbreite an Feuerwehraufgaben selbst nach 18 Jahren Diensterfahrung den Kopf. "Es ist schon der absolute Wahnsinn wie umfangreich das alles ist", sagt er. Um in Sachen Gefahrenstoffe fit zu sein, brauche man seiner Meinung nach fünf Jahre. Selbst für ABC-Einsätze scheinen die Brandbekämpfer gewappnet zu sein.

Zur 150-Jahrfeier präsentiert sich die Freiwillige Feuerwehr so von ihrer besten Seite. Großen Anteil daran trägt der Lichtkünstler Robert Risinger. Mit seiner spektakulären Installation taucht er die Hauptwache in ein buntes Lichtermeer. Besonders der von einem Großbildprojektor mit selbstgestalteten Farbmotiven bestrahlte Hauptturm und eine Säulenallee aus hell erleuchteter Ballonseide ziehen die Blicke an. Über zwei Jahre Vorbereitung hat Risinger in dieses Projekt investiert. Der Besucher bekommt eine leise Ahnung von dem Umbruch, dem Wandel der Zeit, der auch dieses Ehrenamt beschleicht. Längst ist die Feuerwehr zu einem Dienstleiter in vielen Notlagen geworden. Die Brandeinsätze nehmen ab, dafür gewinnen technische Hilfsleistungen und Umweltschutz an Bedeutung. Anders als etwa in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Freiwilligen Feuerwehren angesichts akuter Personalnot über Zwangsrekrutierung in dünner besiedelten Gebieten nachdenken, plagen die Freisinger keine Nachwuchssorgen. Kommandant Anton Frankl ist überwältigt von dem Ansturm. Er freut hofft angesichts der vielen jungen Besucher einen kleinen Grundstein für die nächste Generation gelegt zu haben: "Vielleicht bleibt ja etwas hängen bei den Kids, bis sie 14 Jahre sind."

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