Kritik aus Attaching:Lügner und Betrüger

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Ein voller Saal und eine hitzige Debatte: Die Startbahngegner kritisieren bei einer Informationsveranstaltung in Attaching die CSU und Regierung von Oberbayern für ihren Umgang mit Flughafen-Anrainern.

Kerstin Vogel

Wären Flugpassagiere nur annähernd so tolerant wie die Nutzer der Deutschen Bahn, bräuchte es den Ausbau des Münchner Flughafens wohl nicht. Diese Behauptung hat der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl am Donnerstag bei einer Informations-Veranstaltung in Attaching aufgestellt, nachdem er gerechnet hat: Würde die Flughafengesellschaft statt der mit der dritten Startbahn angestrebten maximalen Verspätung von vier Minuten beispielsweise neun Minuten akzeptieren, könnten auf den bestehenden Bahnen bis zu 115 Flugbewegungen abgewickelt werden. Das wären nicht viel weniger als die 120 Starts und Landungen, die von den Flughafenbetreibern mit dem Ausbau erreicht werden sollen. Magerl: "Für Bahnfahrer sind neun Minuten ein Witz."

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Viele solcher Argumente sind am Donnerstagabend in der mit 400 Besuchern bis auf den letzten Platz besetzten Attachinger Sporthalle ausgetauscht worden. Man hat sich gegenseitig vor der anstehenden gerichtlichen Auseinandersetzung noch einmal Mut gemacht, hat die regierende CSU mit "Lügenpack, Lügenpack"-Rufen bedacht und noch einmal aufgezählt, woran es in den Augen der Startbahngegner bei der Planung der FMG krankt.

Da sind zum einen die Wachstumsprognosen, denen die Flughafenbetreiber laut Magerl immer noch "fünf Jahre hinterher hinken". Der Bedarf sei einfach nicht gegeben, resümierte er auch mit Blick auf den bevorstehenden Winterflugplan. In diesem seien nur 15 Flugbewegungen pro Woche mehr zu finden. Grundsätzlich werde das Wachstum am Münchner Flughafen nur beim Umsteigerverkehr erzeugt, kritisierte Magerl. Das aber passe nicht zum Geschäftszweck der Flughafengesellschaft, "den Verkehrsbelangen des Landes Bayern und der Stadt München zu dienen".

Zweifel äußerte der Grünen-Abgeordnete auch einmal mehr an den Behauptungen, der Flughafen werde den Ausbau alleine und ohne Belastung für die Steuerzahler finanzieren. "Da gibt es eine wundersame Anreicherung an Finanzmitteln bei der FMG, aber ich habe Zweifel, dass die jetzige Darstellung stimmt." Der Verzicht auf die Zinszahlungen für die Gesellschafterdarlehen summiere sich mittlerweile bereits auf zwei Milliarden Euro, sagte Magerl.

Das sei für ihn schon eine Beihilfe durch Steuergeld. Außerdem hätten sich beispielsweise die Kosten des Flughafens selber zwischen Baubeginn und Fertigstellung vervielfacht. Eine ähnliche Entwicklung sei bei allen Großprojekten in Deutschland zu beobachten - und entsprechend wohl bei einer dritten Startbahn im Erdinger Moos zu erwarten, warnte Magerl.

Deutliche Worte fand Michael Buchberger von der Bürgerinitiative Attaching für den Umgang der Regierung von Oberbayern mit den Bewohnern des am schwersten betroffenen Ortes. Wer so tue, als ob die Regierung bei der Entschädigung der Attachinger großzügig wäre, "der lügt und betrügt", rief er. Von einem erheblich erweiterten Entschädigungsbereich könne keine Rede sein. Von denjenigen, die nicht entschädigt würden und in Attaching bleiben müssten, finde sich zudem kein Wort im Planfeststellungsbeschluss, ärgerte er sich: "Das ist eine Frechheit sondersgleichen."

Und: Für das Erholungsgebiet Stoibermühle würden geringere Lärmgrenzwerte gelten als für Attaching: "Wenn ich sowas lese, stellen sich mir die Haare auf." Wichtig zu wissen sei, dass es in Fragen der Entschädigung keinen Grund zur Eile gebe, betonte Buchberger weiter: Die Ansprüche darauf würden bis zu fünf Jahre nach Inbetriebnahme einer dritten Startbahn gelten: "Es gibt derzeit keine Notwendigkeit mit der FMG über derartiges zu sprechen."

Grundstücksfragen werden auch bei den Gerichtsverhandlungen voraussichtlich eine große Rolle spielen. So kann beispielsweise der Bund Naturschutz klagen, weil er Grundstücke im Bereich der geplanten Startbahn besitzt - und auch die Kirche hat hier noch "ein Faustpfand", wie bei der Versammlung einmal mehr unterstrichen wurde. Besorgt erkundigte sich eine Besucherin bei den anwesenden Anwälten der Schutzgemeinschaft, wie lange denn wohl eine Enteignung von Grundstücken, die in Händen der katholischen Kirchen seien, dauere. Joachim Krauß entgegnete, dass ihm kein Fall in Bayern bekannt sei, wo die Kirche enteignet worden wäre.

Dass die Attachinger viel Hoffnung in die Zusage setzen, die Kirchengrundstücke würden für die Startbahn weder verkauft noch eingetauscht, hatte bei der Begrüßung schon ein Vertreter des Ordinariats erfahren dürfen, als er mit anhaltendem Applaus begrüßt wurde. Noch mehr Begeisterung erntete lediglich der wegen des Streits um die Startbahn gerade aus der CSU ausgetretene "parteifreie Bürgermeister von Berglern", Herbert Knur. Für ihn erhoben sich die Besucher sogar respektvoll von ihren Sitzen.

© SZ vom 13.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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